Tagesanbruch von t-online

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00:00:01: Guten Morgen.

00:00:02: Hier ist Ihr Tagesanbruch von T-Online für Mittwoch, dem zwölften November, twenty-fünfundzwanzig.

00:00:08: Was heute wichtig ist?

00:00:10: Siebzig Jahre Bundeswehr, das Defizit der Verteidigung.

00:00:14: Geschrieben von T-Online-Chefredakteur Florian Harms und am Mikrofon bin heute ich im Gezimmermann.

00:00:24: Gestern wurde der Bundeskanzler siebzig, heute ist es die Bundeswehr.

00:00:28: Am zwölften November nineteenhundertfünfundfünfzig überreichte der damalige Verteidigungsminister Theodor Blank in der Bonner-Erme-Keil-Kaserne einhundert-eins freiwilligen Soldaten ihre Ernennungsurkunden.

00:00:41: Eine Truppe mit einem klaren Versprechen, nie wie der Kriegsverbrechen, die Waffenträger, sollten als Staatsbürger in Uniform dienen.

00:00:49: So wurde die Bundeswehr im westlichen Verteidigungsbündnis verankert und verstärkte an der innerdeutschen Front die NATO-Abschreckung gegen die Soviets.

00:00:57: Eine wuchtige Versicherungspolis gegen den heißen Krieg gestärkt durch Werbpflicht, regelmäßige Manöver und amerikanische Hilfe.

00:01:06: Zugleich war die Truppe das Kind ihrer Zeit.

00:01:08: Einerseits gab es das Reformkonzept der inneren Führung, andererseits eine verknöcherte Kommandokultur, die den Geist des mündigen Soldaten zu oft in Formularen erstarren ließ.

00:01:20: Auf den Zusammenbruch des Ostblocks in den letzten Jahren folgte eine lange Diät.

00:01:25: Nun sollte die Bundeswehr eine Kriseneinsatzarmee sein, die Deutschland verteidigte.

00:01:30: Doch weder interessierte sich die Gesellschaft für die traumatisierten Afghanistan-Veteranen, noch wollte sie ehrliche Konsequenzen aus dem Rückzugsdebakel ziehen.

00:01:39: Die Mahnungen von US-Präsident Obama endlich die NATO-Bündnispflichten zu erfüllen, schlug man in den Wind.

00:01:46: Dieser Leichtsinn rechte sich.

00:01:47: im Februar, als Putin die Ukraine überfiel, schrieb der Heeresinspektor Alfons Mais, entwaffnend ehrlich, die Bundeswehr stehe mehr oder weniger blank dar.

00:01:59: Drei Tage später rief Kanzler Olaf Scholz mit beben der Stimme im Bundestag die Zeitenwende aus und brachte ein militärisches Sondervermögen von hundert Milliarden Euro auf den Weg.

00:02:09: Damals ein Paukenschlag.

00:02:11: Heute wissen wir eher ein Schlägchen.

00:02:13: Einen Großteil der Summe fraßt die Inflation.

00:02:16: Der tatsächliche Finanzbedarf von Heer, Luftwaffe, Marine- und Cyberstreitkräften ist um ein vielfaches größer.

00:02:23: Die schwarz-rote Regierung hat deshalb der Bundeswehr einen Blankoscheck ausgestellt.

00:02:28: Doch Geld allein ersetzt keine verlorene Zeit.

00:02:31: So stolpert Deutschland mehr als dreieinhalb Jahre nach der Zeitenwende immer noch über seine sicherheitspolitische Naivität.

00:02:38: Die schwarz-rote Koalition verheddert sich ausgerechnet beim Fundament der Bundeswehr, dem Personal, in verwochenen Debatten über ein absurdes freiwilligen Modell und ein noch absurderes Losverfahren.

00:02:50: Was also ist zu tun?

00:02:51: Erstens.

00:02:52: Es braucht eine realistische Lagebeurteilung und eine bessere Aufklärung der Bevölkerung.

00:02:58: Politiker, Lehrer und Firmenchefs sollten anschaulicher erklären, was Bedrohung heutzutage schon bedeutet.

00:03:03: Sabotage, Cyberangriffe, Lieferkettenstörungen, Raketenflugzeiten, Moskau's Aufrüstung, massenhafte Desinformationen.

00:03:11: Zweitens.

00:03:12: Die allgemeine Wehrpflicht für Männer gehört schleunigst wieder eingesetzt.

00:03:15: Und dazu ein CW-Dienst für Verweigerer.

00:03:18: Eine Dienstpflicht für alle, auch für Frauen, wäre noch sinnvoller, verlangt jedoch eine Grundgesetzänderung mit zwei Drittelmehrheiten im Bundestag und Bundesrat.

00:03:26: Die sind angesichts der Blockadehaltung von AfD und Linksparteien nicht in Sicht.

00:03:31: Lose gehören in die Lotterie, nicht in die Landesverteidigung.

00:03:34: Drittens.

00:03:35: Es braucht bundesweite staatsbürgerliche Bildungskurse.

00:03:39: Die Finnen machen es vor, sie nennen es Gesamtsicherheit.

00:03:42: In nationalen Verteidigungsseminaren üben dort Abgeordnete, Beamte und Manager tagelang in Rollen spielen die Krisenbewältigung, knüpfen Netzwerke und erkunden Entscheidungswege.

00:03:53: Das Ziel ist eine resiliente Gesellschaft, in der Behördenwirtschaft und Bürger zusammenwirken.

00:03:58: Das erhöht die Sicherheitspolitische Sensibilität, entlarvt die banalen Parolen von Populität.

00:04:04: und trainiert, was im Ernstfall zählt.

00:04:06: Verantwortungsübernahme, Prioritätensetzung, schnelle Entscheidungen, vermeiden von Panik.

00:04:11: Deutschland sollte solche Kurse ebenfalls einführen.

00:04:15: Die alte Bundeswehr vor-Ninzenthundertneunzig kann als Vorbild dienen.

00:04:18: Sie war eine gesamtgesellschaftliche Institution und lieferte Abschreckung mit Augenmaß.

00:04:23: Diese Funktion braucht sie heute wieder.

00:04:25: Ohne Säbelrasseln, aber eben auch ohne politische Nebelkerzen.

00:04:31: Was heute wichtig ist.

00:04:33: Trumps Triumph.

00:04:34: Der längste Shutdown der US-Geschichte steht vor dem Ende.

00:04:38: Nachdem der Senat am Montag dank einer handvoll demokratischer Abweicher einen Übergangshaushalt gebilligt hat, muss heute ab achtzehn Uhr deutscher Zeit nur noch das Repräsentantenhaus zustimmen.

00:04:49: Dann kann Präsident Donald Trump seinen dicken schwarzen Filzstift zücken und das Gesetz unterschreiben.

00:04:58: Einen Tag nach seinem siebzigsten Geburtstag bekommt Friedrich Merz heute schon wieder etwas überreicht, wenn auch kein Geschenk im engeren Sinne.

00:05:06: Am Mittag legen die fünf Wirtschaftsweisen um Monika Schnitzer dem Kanzler ihr Jahresgutachten vor.

00:05:12: Dass die Ökonomen der Regierung angesichts eines seit sechs Jahren stagnierenden Bruttoinlandsproduktes ein besonders gutes Zeugnis ausstellen, steht nicht zu erwarten.

00:05:21: Er dürfte die letzte Botschaft, die das Gremium dem Ampelkanzler Olaf Scholz unter die Nase rieb, weiterhin Güldigkeit besitzen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: podcasts@t-online.de

Den Tagesanbruch gibt es auch zum Nachlesen unter https://www.t-online.de/tagesanbruch

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von und mit Florian Harms

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