Tagesanbruch von t-online

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00:00:01: Guten Morgen.

00:00:02: Hier ist Ihr Tagesanbruch von T-Online für Dienstag, den einundzwanzigsten Oktober, zwei-tausendfünfundzwanzig.

00:00:08: Was heute wichtig ist?

00:00:10: AfD in Ostdeutschland.

00:00:11: Gibt es Hoffnung mitten in der blauen Welle?

00:00:13: Geschrieben von Philipp Michaelis, T-Online-Bereichsleiter für Aktuelles.

00:00:17: Unter Mikrofon bin heute ich im Gizimmermann.

00:00:22: Wenn die Kraniche auf ihrem Flug in den Süden über Ostdeutschland hinunterblicken, sehen sie wiesen Felder, Wälder, weit weniger Städte als im Westen des Landes.

00:00:31: Was sie nicht sehen, selbst aus ihrer Vogelperspektive ist der politische Zustand der neuen Bundesländer.

00:00:37: Er kümmert Kraniche wenig, ihr Glück.

00:00:39: Ihnen würde auf den ersten Blick tröten und sehen vergehen.

00:00:42: Der Ostendeutschlands trägt tiefes Blau, die Farbe der AfD.

00:00:46: So weit das Auge reicht.

00:00:48: Wäre morgen Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, würden fast vierzig Prozent der Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz bei der AfD machen.

00:00:55: Die Stärke der Partei im Osten beeinflusst auch den Bundestrend.

00:00:58: Die AfD liegt in deutschlandweiten Erhebungen Kopf an Kopf mit der Union.

00:01:02: SPD, Linke und Grüne können die Spitze des AfD-Balkens nur noch mit dem Fernglas erkennen.

00:01:08: Im Osten findet sich die Kraftquelle der AfD.

00:01:10: Doch warum gerade dort?

00:01:12: Der Makrosoziologe Steffen Mauer nennt dafür in seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch ungleich vereint, warum der Osten anders bleibt?

00:01:20: drei Gründe.

00:01:21: Erstens.

00:01:22: Die Wirtschaftskrise schlägt noch mehr durch.

00:01:24: Maus spricht von einer sozialstrukturellen Unterprivilegierung des Ostens.

00:01:28: Das Durchschnittsvermögen der Haushalte in Westdeutschland ist doppelt so hoch wie das der Haushalte in den neuen Bundesländern.

00:01:35: Seit Jahren wird die sukzessive Anleichung der Verhältnisse des Ostens an den Westen beschworen.

00:01:40: Die Realität sieht anders aus.

00:01:42: Die Enttäuschung ist folgerichtig.

00:01:44: An ihr nähert sich die AfD.

00:01:46: Zweitens.

00:01:47: Die Demografie prägt im Osten die Landschaft.

00:01:49: Die neuen Bundesländer schrumpfen.

00:01:51: Bis zum Jahr zwanzig wuchs die Zahl der Menschen im Westen um zehn Prozent auf siebenundsechzig, fünf Millionen.

00:01:57: Im Osten nahmen sie um sechzehn Prozent auf zwölf, vier Millionen ab.

00:02:01: Vor allem die jüngeren und gut ausgebildeten Bürger machten rüber.

00:02:05: Eine stark männlich geprägte und schwächer gebildete Bevölkerung blieb zurück, tendenziell anfälliger für Feindbilder Sündenbockerzählungen und andere schlichte Erklärungsansätze, die die AfD wie am Fließband liefert.

00:02:17: Drittens.

00:02:18: Die politische Kultur ist eine völlig andere.

00:02:21: Nachdem sie die DDR-Diktatur überwunden hatten, engagierten sich etliche Ostdeutsche in basisdemokratischen Zusammenschlüssen wie Runden Tischen oder dem neuen Forum.

00:02:30: Nur wenige dieser Formate überlebten die Wiedervereinigung, weil sie den Parteien der alten Bundesländer mindestens dysfunktional, wenn nicht sogar gefährlich vorkamen.

00:02:39: Viele Ostdeutsche erlebten das laut Makrosoziologe Steffen Mao als eine ausgebrenzte Demokratisierung.

00:02:45: Sie wirkt bis heute nach in einer Skepsis gegenüber den Westparteien.

00:02:49: Aus dieser Skepsis heraus suchen viele Wählerinnen und Wähler nicht nur Protest, sondern tatsächlich in der AfD eine Alternative, die übrigens völlig zu Unrecht nicht als Westpartei wahrgenommen wird.

00:03:01: Dieser Blick, dieses von oben herab, dieses über den Dingen schweben, verspüren viele Menschen in den neuen Bundesländern.

00:03:07: Sie fühlen sich diesem Blick ausgesetzt, wenn Politiker, Journalisten, Experten und ja auch wenn Westdeutsche auf den Osten schauen.

00:03:14: Die Wiedervereinigung war fest und Trauma zugleich.

00:03:17: Viele Menschen in den neuen Bundesländern empfinden sie Rückblicken nicht als Reunion, sondern als Eroberung, als Demütigung.

00:03:24: Außerdem haben viele Ostdeutsche heute nicht mehr den Beruf die Aufgabe, die sie damals hatten.

00:03:29: Für viele Menschen in Ostdeutschland gab es nicht nur einen Neustart, sondern gleich mehrere Erzwungene.

00:03:35: Das bedeutet auch, im Osten keinen Job mehr zu finden, keinen bezahlbaren Lebensmittelpunkt.

00:03:40: Kaum jemand wohnt noch da, wo er damals zu Hause war.

00:03:43: Man machte rüber, weg von daheim.

00:03:45: Wen wundert es da, dass die Heimat rückblickend austalgisch idealisiert wird.

00:03:49: Die deutsche Einheit muss aufgearbeitet werden.

00:03:51: Im Westen wurde gleichzeitig nur allzu bequem und arrogant vom maroden Osten und den faulen Aussies geredet, während gleichzeitig in den neuen Bundesländern nach Herzenslust enteignet und bevormundet wurde.

00:04:02: An dieser Stelle ist etwas zerbrochen, während es vereinigt werden wollte.

00:04:06: Nichts spaltet mehr, als dieses Draufschauen von oben herab.

00:04:10: Nichts hilft der AfD mehr.

00:04:12: Echte Augenhöhe zwischen den Alten und den neuen Bundesländern und den Menschen zu erreichen, die in beiden Teilen leben, das wäre der Anfang vom Ende für die AfD.

00:04:22: Was heute wichtig ist.

00:04:24: Was geschah mit Rebecca Reusch?

00:04:26: Auf einem Grundstück im brandenburgischen Lindenberg suchen die Ermittler nach der Leiche des zwei Tausend neunzehn verschwundenen Mädchens aus Berlin.

00:04:34: Ihr dreihunddreißigjähriger Schwager wird verdächtigt, das Mädchen getötet und verschad zu haben.

00:04:39: Die Erdarbeiten können mehrere Tage andauern, doch jede Sekunde kann das Rätsel um das Verschwinden der fünfzehnjährigen gelöst werden.

00:04:48: Willkommen im VIP-Bereich!

00:04:50: Nicolas Sarkozy ist gewohnt, anders behandelt zu werden als Francoise-Normal-Verbraucher.

00:04:56: Dass er sich aber jemals in einem Bereich für gefährdete Persönlichkeiten eines Gefängnisses wiederfinden würde, das hätte er sich nicht träumen lassen.

00:05:03: Heute widerfährt ihm aber genau das.

00:05:05: Er tritt seine fünfjährige Haftstrafe im Santé-Gefängnis im Süden von Paris an.

00:05:10: Er hat sie sich eingehandelt, weil er seine Kampagnenkasse im Präsidentschaftswahlkampf, mit Geldern aus undurchsichtigen lübischen Quellen aufpolstern ließ.

00:05:21: Ein Buch wie eine Abrissbirne für die britische Monarchie.

00:05:25: Heute erscheinen die Erinnerungen von Virginia Jeffrey.

00:05:28: Was steht in den Memoen des bekanntesten Opfers des verurteilten pädophilen und sexualstraftäters Jeffrey Epstein?

00:05:36: War Prince Andrew, der gerade seinen royalen Titel zurückgegeben hat, doch mehr in Epstein's Sex-Netzwerk verstrickt, als er zugibt?

00:05:44: Das war der T-Online-Tages-Anbruch, produziert vom Podcast Radio-Detektor FM.

00:05:49: Immer um kurz nach sechs Uhr morgen zum Start in den Tag.

00:05:52: Abonnieren Sie den Tages-Anbruch-Podcast, um keine Folge zu verpassen.

00:05:57: Vielen Dank fürs Zuhören und Tschüss!

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: podcasts@t-online.de

Den Tagesanbruch gibt es auch zum Nachlesen unter https://www.t-online.de/tagesanbruch

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von und mit Florian Harms

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