Tagesanbruch von t-online

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00:00:00: Info: Dieses Transkript wurde maschinell erstellt und nicht vollständig gegengelesen.

00:00:02: Christian Mölling: Wir haben ja eine Komfortzone geschaffen, die ist so cool für Putin. Das ist Wahnsinn, ja, der kann unsere Schritte alle vorausberechnen. Wo ist sein Schwachpunkt? Na ja, in der Bedrohung seines eigenen Lebens und seiner Macht und vielleicht auch seines historischen Erbes. Es geht darum zu sagen, du kannst dir deines Lebens nicht mehr sicher sein.

00:00:22: Florian Harms: Hallo und herzlich willkommen zur Wochenendausgabe des Tagesanbruch-Podcasts. Wir sind aus der Sommerpause zurück und in dieser Folge sprechen wir über die jüngsten Versuche, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Meine Gäste sind der Außenpolitik-Experte Christian Mölling und t-online-Außenpolitik-Reporter Patrick Diekmann. Was hat US-Präsident Donald Trump bei seinen Treffen mit Putin und Zelensky wirklich erreicht? Können Bundeskanzler Merz und die anderen europäischen Staatschefs ihren Wunsch nach einem gerechten Frieden für die Ukraine durchsetzen, oder wickelt Putin am Ende doch wieder Trump um den Finger? Mein Name ist Florian Harms, schön, dass Sie zuhören.

00:01:03: Florian Harms: Liebe Hörerinnen und Hörern, denkwürdige Tage der Diplomatie liegen hinter uns. US-Präsident Donald Trump hat Wladimir Putin in Alaska den roten Teppich ausgerollt, obwohl gegen den Kreml-Chef wegen Kriegsverbrechen ein internationaler Haftbefehl erlassen worden ist. Anschließend empfing Trump in Washington auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und die wichtigsten europäischen Regierungschefs, darunter Friedrich Merz und Emmanuel Macron, so wie NATO-Generalsekretär Mark Rütte. Klingt erstmal gut. Hat aber einen Haken. Je nachdem, mit wem er gerade spricht oder gerade gesprochen hat, ändert Trump seine Meinung und auch seine Position im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine. Mal fordert er ein sofortiges Ende der russischen Angriffe, dann wiederum behauptet er, nur Selenskyj könnte den Kriegs stoppen. Vor allem aber zeigt er eine unverhohlene Bewunderung für Diktator Putin, den er offensichtlich als ebenso starken Macker wie sich selbst betrachtet. Das besorgt die europäischen Regierungschefs. Sie fürchten, dass die territoriale Integrität der Ukraine und die Sicherheitsinteressen der europäischen Staaten bei einem wie auch immer gearteten Deal zwischen Trump und Putin ignoriert werden. Deshalb laufen nun die diplomatischen Drähte zwischen Berlin, Paris, London, Rom, Brüssel und Warschau in diesen Tagen heiß. Deshalb versuchen die Europäer, Trump auf die eine oder andere Art zu beeinflussen. Kann das gelingen? Was haben Trumps Publicity-trächtige Treffen in Alaska und Washington gebracht? Wie geht es nun weiter im Ringen um den ersehnten Frieden in der Ukraine? Und welche Rolle spielt Deutschland dabei? Darüber spreche ich mit zwei Außenpolitik-Experten. Meine Gäste sind zum einen Christian Mölling, Politikwissenschaftler am European Policy Center, der sich auf Sicherheits- und Verteidigungspolitik spezialisiert hat. Herzlich willkommen, lieber Herr Mölling.

00:02:54: Christian Mölling: Ja, vielen Dank, dass ich bei Ihnen sein darf.

00:02:56: Florian Harms: Und Herr Mölling ist uns aus den Alpen zugeschaltet. Also falls die Verbindung hin und wieder ein wenig hakt, dann bitten wir das bei den Hörern zu entschuldigen. Und zum zweiten ist da Patrick Diekmann, unser leitender Redakteur für Außenpolitik bei t-online, derzeit unterwegs mit Außenminister Johann Wadephul in, halten Sie sich fest, der indonesischen Hauptstadt Jakarta, von wo er uns zwischen zwei Terminen zugeschalten ist. Hallo, lieber Patrick.

00:03:20: Patrick Diekmann: Hallo, ich freue mich auf die Diskussion.

00:03:23: Florian Harms: Wir freuen uns auch. Und auch bei dir kann es vielleicht mal hakeln mit der Leitung. Aber wir legen jetzt einfach mal los und gucken, was passiert. Herr Mölling, wie viele andere Menschen haben ja auch Sie Donald Trumps Gipfeltreffen mit Putin sowie mit Selenskyj, Merz und Co. beobachtet. Aber im Unterschied zu vielen anderen sind Sie vielleicht etwas schlauer, was das Ganze jetzt wirklich gebracht hat. Wie schätzen Sie das denn ein? War das ein Schritt hin zum ersehnten Frieden in der Ukraine?

00:03:48: Christian Mölling: Nein, das war sicherlich kein Schritt hin zum Frieden der Ukraine. Ich glaube, wenn es einigermaßen gut gegangen ist, dann könnte man den größt-anzunehmenden Unfall vermeiden. Und wie viel Beitrag die Europäer dazu geleistet haben, ist noch mal eine ganz andere Frage. Vielleicht hat Trump es auch selber verhindert dadurch, dass er wieder mal seine Meinung geändert hat. Aber ich glaube, wir sind dem Frieden keinen Schritt nähergekommen. Weil wir hier von einer Person sprechen, die nicht mit dabei gewesen ist in Washington, nämlich von Wladimir Putin, der war in Alaska, und der hat kein Interesse daran, Frieden zu bekommen. Der hat Interesse, daran zu reden, weil ihm das so eine Art Raum gibt, in dem er seine Interessen weiterhin mit Gewalt eigentlich durchziehen kann. Und er war, letzter Satz, sehr erfolgreich, dem amerikanischen Präsidenten eine Flause in den Kopf zu setzen, nämlich, dass man so eine Gesamtlösung braucht. Eine Gesamtlösung ist ja im Grunde genommen das Rezept für gar keine Lösung, weil gesamt, wenn Sie alles zusammenbringen wollen, wissen Sie, entweder es dauert unendlich lange oder es klappt sowieso nicht. Und da muss man ganz ehrlich sagen, das ist ein sehr absehbares Spiel auf Zeit, das hier jetzt gerade aus Moskau kommt. Aber Washington hat es geschluckt.

00:05:03: Florian Harms: Das waren ja sehr bemerkenswerte Bilder, die man da gesehen hat, insbesondere bei dem Treffen von Trump und Putin in Alaska, wie Trump Putin da den roten Teppich ausgerollt hat, wie er ihm applaudiert hat. Warum macht er das so? Wie erklären Sie sich das?

00:05:21: Christian Mölling: Also ich bin nicht in dem Kopf von Trump drin. Ich glaube, also wenn ich jetzt mal eine positive Interpretation geben wollen würde, dann würde ich sagen, er macht das, weil er wirklich versucht, den, den mitzunehmen und den einzuladen und ihm sozusagen auch eine Plattform zu bieten. Das wäre eine positive Art und Weise. Und er kann das vielleicht in diesem Moment. Weil er glaubt, dass Putin halt wirklich so ein starker Typ ist. Weil ansonsten würde Trump ja die Bühne für sich selber beanspruchen. Ich glaube, das ist sozusagen sein Versuch, auch wo er, das mag total schräg klingen, aber wo er sein Licht in gewisser Art und Weise unter den Schäfel stellt und sagt 'Nee, ich will das jetzt hier irgendwie, dass das gut ist und er soll sich wohlfühlen, damit wir aus der ganzen Sache irgendwie was rauskriegen.' Ich glaube das ist das, was er gemacht hat. Und dabei bricht er mit all den Gepflogenheiten, Erwartungen, die die traditionelle Diplomatie auf der einen Seite, aber auch die traditionelle Beobachterschar der Journalistinnen und Journalisten mitbringen und sagen, ja, das kann er doch gar nicht machen, warum macht er das denn? Der muss doch wissen, dass, naja, und da kommt der dritte Faktor hinzu. Er ist halt, egal wie man über ihn denken mag, leider zurzeit der mächtigste Mensch der Welt. Das heißt, er kann sich solche Sachen leisten. Und wenn es positiv ist, kann das sogar Dinge verändern, auch wenn die Art und Weise, wie er es verändert, einem nicht schmecken mag.

00:06:40: Florian Harms: Also er kann es machen, weil er es halt kann. Patrick, du bist zwar gerade in Asien unterwegs, aber beobachtest auch den Krieg in der Ukraine und die diplomatischen Bemühungen zu seiner Beendigung. Was hörst du denn aus dem Umfeld des deutschen Außenministers Johann Wadephul? Gibt es da nun die Einschätzung, dass eine realistische Chance besteht, das Töten in der Ukraine zu beenden?

00:07:01: Patrick Diekmann: Natürlich sagt die Bundesregierung das nicht offiziell, aber man glaubt natürlich anhand der Sachen, die jetzt in Washington und in Alaska passiert sind, nicht, dass dieser Konflikt zeitnah beendet wird. Ich glaube, Deutschland fährt da vor allem gerade die Strategie Trump und die USA im Spiel zu halten. Darum geht es primär. Deswegen, wenn man dann tatsächlich mit einem Prozess, mit Verhandlungen zwischen Trump und Putin da rausgeht, Trump, Putin und Selenskyj rausgeht. Dann hat man gewonnen, also hat man viel gewonnen. Daran glaubt man tatsächlich realistischerweise nicht. Aber wiederum, was kann passieren, wenn diesen Prozess lobt, den Trump angestoßen hat? Also man dämpft da schon so ein bisschen im Hintergrund die Erwartung, aber man stellt sich jetzt nicht vor eine Kamera und sagt Sie glauben nicht an diesen diplomatischen Prozess.

00:07:48: Florian Harms: Jetzt ist ja über manche Aspekte schon gesprochen worden in den vergangenen Tagen. Also über Sicherheitsgarantien, da wurde sogar schon eine Diskussion begonnen, ob man vielleicht europäische oder deutsche Soldaten als Sicherheitsgruppe in die Ukraine schicken könne. Es ging um die Frage eines schnellen Waffenstillstands oder einer Feuerpause oder langwierige Verhandlungen. Es geht um den Austausch von Soldaten und von Kriegsgefangenen und vieles mehr. Patrick, wie schätzt du es ein, auch vor dem Hintergrund dessen, was du so hörst aus dem Kreis des Außenministers? Was sind jetzt die wichtigsten Knackpunkte?

00:08:25: Patrick Diekmann: Also der zentrale Knackpunkt ist, dass Russland im Moment noch nicht ernsthaft verhandeln möchte. Ich glaube, man betont hier immer wieder in Jakarta, in Japan, wo wir vorher waren, dass jetzt nun der Ball in der Hälfte der Russen liegt und dass Putin sich bereit erklären müsste, ernsthafte Verhandlungen auch mit Selenskyj zuzustimmen. Und das ist gerade, also ich würde sagen, der zentrale Knackpunkt. Alles, worüber wir momentan noch diskutieren, Sicherheitsgarantien ist ja momentan zentrales Thema in der deutschen Debatte. Das sind nachgelagerte Diskussionen. Zunächst einmal müsste es eine Waffenruhe geben, sagt zumindest die deutsche Seite. Trump hat das ja teilweise wieder abgeräumt und hat gesagt, wie Herr Mölling das gerade gesagt hat, wollen den ganzen Konflikt lösen, aber das halte ich auch für ein Zeitspiel des russischen Präsidenten, aber zunächst einmal muss er ernsthaft bei Verhandlungen zustimmen. Und das funktioniert, glaube ich, einerseits nur, wenn die Ukraine in der starken Position ist und gleichzeitig Druck auf Russland gemacht wird und beides sehe ich aktuell eigentlich nicht.

00:09:21: Florian Harms: Zu solchen Verhandlungen, dann gehört ja immer dazu, dass es zwischen den Kontrahenten auf beiden Seiten des Tisches ein Mindestmaß an Vertrauen geben muss. Herr Mölling, kann man diesem Putin und seinen Leuten überhaupt vertrauen? Kann man ehrlich mit denen verhandeln?

00:09:39: Christian Mölling: Nee, wahrscheinlich nicht. Und das ist ja genau, sozusagen der zweite, wie soll man sagen, der zweite Dualismus, den wir hier haben. Wenn Sie das Vertrauen nicht haben, dann brauchen Sie eine andere Form von Sicherheit. Deswegen reden wir über diese Sicherheitsgarantien. Darüber reden wir ja nur, weil man Putin nicht vertrauen kann. Jetzt wollte ich gerade sagen Trump. Aber das ist halt das andere Problem, dass man dem auch nicht vertrauen kann. Sie haben Also wenn Sie Spieltheorie entweder in der Politikwissenschaft, in der Mathematik oder in Jura haben, dann kommen Sie genau an dieses Problem. Wenn Sie null Vertrauen haben, können Sie in keiner Art und Weise in die Zukunft planen, weil Sie sich wirklich auf niemanden verlassen können. Oder aber Sie sagen, naja, der wird irgendwann den Vertrag brechen, wenn es zu seinem Vorteil im Grunde genommen ist. Und dazu sind Verträge ja genau da, um diesen Moment, wo jemand seinen eigenen Vorteil sieht, dann auszugleichen zu sagen, naja, wir haben uns aber darauf verständigt, dass, und das wird von Putin keiner erwarten, denn der Beginn des ganzen Konfliktes ist ja der Vertragsbruch oder der mehrfache Vertragsbruch. Und jetzt brauchen wir jemanden, der in der Lage ist. Jenseits von allen von Verträgen, nämlich auf einer machtpolitischen Ebene in der Lage, jemand, der in der Lage ist, zu sagen, lieber Wladi, was auch immer du dir vorstellst, es wird nicht passieren, weil wir werden dich aufhalten. So und das ist quasi die Job Beschreibung, die zurzeit aber niemand eingehen möchte oder kann. Also die Amerikaner wollen nicht und die Europäer können nicht, zumindest nicht ohne die Amerikaner. Das heißt, die Ukrainer stehen als dritte ziemlich..., das sind die einzigen, die müssen, die können auch nicht alleine und die müssen fürchten, dass sie alleine dastehen am Ende.

00:11:22: Florian Harms: Herr Mölling, jetzt führt Putin diesen Krieg seit dreieinhalb Jahren unter fürchterlichen Opfern und das scheint ihm weitgehend kalt zu lassen. Also auch, dass da 100.000 russische Männer getötet werden, verletzt werden. Was wäre denn der Schlüssel, dass Putin in eine Lage versetzt würde, wo er sagt okay, jetzt muss ich verhandeln und jetzt muss sich irgendeine Form von Kompromiss eingehen. Wenn das gegenwärtig noch nicht gegeben ist, was braucht es noch dafür oder wann wäre dieser Punkt gegeben?

00:11:53: Christian Mölling: Ja, ich glaube, es ist total wichtig, immer sozusagen beim Wertesystem des anderen anzufangen. Sie haben es ja gerade angesprochen, die toten Soldaten interessieren Putin wirklich nicht. Das heißt, er hat ein anderes Wertesystem. Wo ist sein Schwachpunkt? Na ja, in der Bedrohung seines eigenen Lebens und seiner Macht und vielleicht auch seines historischen Erbes. Das sind die Dinge, wo man ihn möglicherweise bekommen kann. Und darauf muss man es dann im Grunde genommen anlegen, wenn man ihn an den Verhandlungstisch kriegen will.

00:12:26: Florian Harms: Das heißt, man muss ihn bedrohen in seinem Leben? Also man muss ein Killer-Kommando nach Moskau schicken?

00:12:31: Christian Mölling: Das ist zumindest eine Möglichkeit, die man sich mal überlegen könnte, ob das eine Variante ist. Es geht nicht darum, sozusagen zu sagen, wir haben jetzt ein Killer-Kommando zu Putin geschickt, nein. Es geht darum zu sagen du kannst dir deines Lebens nicht mehr sicher sein. Und die roten Linien, die wir uns gezogen haben, egal mit Blick auf langreichweitige Raketen etc. Das sind ja alles Rückversicherungen für Putin. Sie müssen eine Situation schaffen, in der diese Sicherheit, die wir ihm geben, nicht mehr da ist. Da ist natürlich so ein Killer-Kommando, ist natürlich eine wunderbare Spitze in diese Richtung. Aber ja, das wäre natürlich, wenn Sie es ausformulieren, wäre das natürlich eine Möglichkeit, wo man sagen könnte, das könnte natürlich passieren. Also wir würden es zumindest nicht mehr ausschließen, dass es so etwas geben könnte. Und damit kommen wir aus der Komfortzone heraus.

00:13:20: Florian Harms: Ja, aber Herr Mölling, das würde ja dann auch die, ich sag mal, vorsichtig die Leitplanken dieses Krieges verändern, denn wir sehen ja zum einen wirklich diese fürchterliche Gewalt auf den Schlachtfeldern der Ukraine, wir sehen die bestialischen Angriffe der Russen auf ukrainische Zivilisten und zum anderen hören wir eben auch im Hintergrund, dass es natürlich Absprachen gibt, nicht nur über den Austausch von Gefangenen, sondern auch darüber, wann man wo angreift. Zum Beispiel, dass auch dann die Russen die Amerikaner kurz vorher informieren, bevor sie eine besonders weitreichende Rakete abschießen, damit die Amerikaner nicht denken, das sei jetzt vielleicht eine Atomrakete so. Also es gibt da Gespräche und das macht das Ganze ja noch viel perfider und zynischer. Also wie passt es dann rein, dass man eine Karte spielen könnte, um dem Putin zu signalisieren, pass auf, wir verändern die Regeln des Spieles und als nächster könnt es du dran sein?

00:14:11: Christian Mölling: Nein, wir verändern nicht die Regeln des Spiels, weil es geht ja immer noch um Wahrnehmung. Aber wir verändern unsere Handlungsspielräume. Wir erweitern sie und wir schränken seine Handlungsspielräume oder seine gesicherten Handlung Spielräume, die schränkbar sind im Grunde genommen mit einem klassischen kognitiven Spiel, was sie bei Abschreckung und all den anderen Sachen auch haben. Der Gegenüber darf sich nicht mehr hundertprozentig sicher sein. Was gilt und was nicht gilt. Das darf sie auch nicht völlig unsicher sein. Dann können sie in eine Chaos-Reaktion fallen. Aber was wir zurzeit gemacht haben, ist, wir haben ja eine Komfortzone geschaffen, die ist so cool für Putin. Das ist Wahnsinn. Ja, der kann der kann unsere Schritte alle vorausberechnen. Und das fängt schon dabei an, dass wir, dass er weiß, wie unsere Diskurse laufen. Das heißt, diese Diskurse über, mein Gott, wie viele Menschen hat der geopfert? Das interessiert ihn nicht. Das ist verschwendete Sendezeit auch auf unserer Seite. Die Frage ist, wie kommen wir an den Punkten und man sagt, wo sind die Druckpunkte? Die anderen sind natürlich die Frage, was passiert, wenn die, wenn die Wirtschaft in Russland stärker noch in Mitleidenschaft gezogen wird, nicht weil es die armen Menschen auf der Straße trifft. Aber weil es die Entourage um Putin drum herum trifft, die ihn zurzeit an der Macht hält und die machen das nicht, weil sie ihn so nett finden, sondern weil sie damit ihr Geld verdienen.

00:15:25: Florian Harms: Interessante Beschreibung auch, dass Putin da vielleicht viel kühler oder kälter auf die Gegebenheiten blickt und wir vielleicht in Westeuropa auch das Ausstehen solch blutiger Konflikte gar nicht mehr gewöhnt sind und deshalb eben auch anders handeln. Patrick, das führt mich wiederum zu dir. Du hast ja sicherlich dann, wenn auch aus der Ferne, beobachtet, wie Friedrich Merz, der Bundeskanzler, aufgetreten ist, da in Washington, als die alle an dem langen Tisch saßen, die Europäer bei Trump. Trump hat Merz ausdrücklich gelobt. Nicht nur seine Bräune, seine Urlaubsbräune. Sondern auch, dass er ein starker Anführer sei. Wie schätzt du das ein, auf was du so hörst? Hat Merz wirklich Einfluss auf Trump?

00:16:07: Patrick Diekmann: Ich glaube, da müssen wir ganz vorsichtig sein. Also ich glaube, jeder hat Einfluss auf Trump, wenn Trump gern das Lied hört, was derjenige singt. Also du hast es in deiner Anmoderation eigentlich ganz passend formuliert. Ich meine, man muss sich nur mal daran erinnern. Im Februar haben wir noch darüber gesprochen, dass die Amerikaner oder die US-Regierung uns alle als Schnorrer sehen. Ich glaube, dass diese Mentalität innerlich immer noch herrscht. Nur da wir gerade relativ freundlich zu denen sind in Handelsfragen, in Zollfragen man auch mit Blick auf den Ukraine kriegt. Ist man da, glaube ich, in Washington gerade ein bisschen, ja, wie drücke ich das am besten aus, gütiger gegenüber den europäischen Partnern. Aber ich glaube, man soll sich da keine Illusionen hingeben. Trump macht die Dinge, die vor allem seinem Selbstbild als Präsident entsprechen. Also die und die, die gut für die USA sind und zwar genau in der Reihenfolge. Also dementsprechend fand ich es ganz gut. Das Merz ja schon. Den Präsidenten freundlich dazu aufgefordert hat, Russland ein bisschen mehr unter Druck zu setzen. Ob Trump darauf hört, da können wir nicht in Trumps Kopf gucken. Das weiß nur Donald Trump. Aber im Prinzip müssen wir genau dahin. Also wenn die Bundesregierung sagt, wir müssen den Druck auf Russland erhöhen, muss das genau in diese Richtung gehen und das geht nur mit Hilfe der Amerikaner, weil ohne die Amerikaner können wir das aktuell nicht. Weil im Prinzip sind wir als transatlantisches Bündnis. Und ich rede immer noch gern davon, obwohl das so ein bisschen in der Schwäbe steht. Seit Beginn der Trump-Administration wirtschaftlich und militärisch in der Lage, dass sich Ukraine zumindest noch viel länger Gegenwehr leisten kann gegenüber Russland, sodass der Krieg für Putin immer teurer wird. Und bevor wir, glaube ich, über Killerkommando sprechen, glaube ich, müssen wir, glaub ich, darüber reden, wie wir diese zwei Ziele erreichen können. Entweder die Ukraine weiter stärken oder Russland schwächen, indem man beispielsweise auch die Partner von Russland, die immer noch Rohstoffe aus Russland kaufen, ins Visier nimmt. Und da haben wir, glaube ich, noch viel Luft nach oben.

00:17:58: Florian Harms: Luft nach oben, Patrick. Aber was tut denn die Bundesregierung konkret jetzt in den nächsten Tagen und Wochen dafür? Zumindest ist ja mal bemerkenswert. Es wirkt zumindest so bei diesen Auftritten, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs jetzt noch geschlossener auftreten, auch noch geschlossener gegenüber den Amerikanern auftretend, sich vielleicht auch noch enger abstimmen. Man hat auch den Eindruck, die Chemie stimmt jetzt wieder zwischen Berlin, Paris, London, sogar Rom. Aber was konkret steht denn jetzt in den nächsten Tagen an?

00:18:29: Patrick Diekmann: Ich glaube, wenn man dem Ganzen aktuell was Gutes abgewinnen will und wenn man sich die militärische Anlage in der Ukraine anguckt, da wird Herr Mölling wahrscheinlich zustimmen, sieht es da nicht besonders gut aus aktuell, dann ist es auf jeden Fall, dass Europa momentan erkennt, dass sie mit einer Stimme sprechen muss, weil sie sonst überhaupt kein Gewicht mehr haben. Und das hat in den vergangenen Wochen ganz gut funktioniert und das hat auch auf Initiative der Bundesregierung teilweise funktioniert, weil diese Calls teilweise vom Kanzleramt eingerichtet worden sind. Was einen wundert, weil intern innerhalb der Bundesregierung diese Kommunikation ja manchmal nicht so ganz gut klappt. Aber das ist auf jeden Fall etwas Positives und im Prinzip bleibt Europa gerade aktuell, macht politisch nur eine Position an der Seitenlinie. Und das ist so ein bisschen das Problem. Deswegen kann man versuchen, Trump an Trump zu appellieren, seine Argumente vorzutragen. Man hat das ja quasi an dem Mittwoch vor dem Alaska-Treffen auch noch mal gemacht. Quasi hat man Trump präferiert, was die europäische Position ist und was man überhaupt akzeptieren kann in der Hoffnung. Dass er das quasi mitnimmt in das Gespräch mit Putin. Aber macht politisch sind wir da aktuell natürlich in einer schlechten Lage, weil wir sind darauf angewiesen, dass die Amerikaner uns zuhören und auch zumindest Teile davon umsetzen.

00:19:36: Florian Harms: Herr Mölling, also wenn wir jetzt auf die nächsten Tage und Wochen schauen, ich meine, in den deutschen Medien wird jetzt schon spekuliert über ein mögliches Gipfeltreffen, dann wird Genf genannt. Ich habe Sie vorhin so verstanden, dass Sie da sehr kritisch drauf schauen. Aber was erwarten Sie jetzt auch an konstruktiven möglichen Schritten in den nächsten Tagen und Wochen? Was könnte passieren, damit man mal vorankommt?

00:19:56: Christian Mölling: Ich glaube, wir befinden uns auf einer etwas längeren 360 Grad Kurve, die wir gerade machen oder, wenn Sie so wollen, eine Achterbahn, die wir fahren. Und wir waren in diesem Kreis schon mal. Das letzte Mal war der ein bisschen kleiner. Dieses Mal ist er durch die mediale Aufmerksamkeit für Alaska noch größer geworden. Also das Kribbeln im Bauch ist noch größter und die Erwartung, dass da jetzt was rauskommt, ist interessanterweise auch noch höher geworden. Aber ich glaube, wir kommen jetzt schon bald wieder an den Kipppunkt. Und es geht runter mit erheblicher Beschleunigung. Und wir sind nachher wieder da, dass wir im Grunde genommen nichts in den Händen haben. Das können Sie auch daran sehen, dass wir eben teilweise die gleichen Sachen diskutieren, wie wir sie am Anfang des Jahres genau schon diskutiert haben. Also Sicherheitsgarantien. Wer könnte, wie könnte das sein? Die Bundeswehr dabei? Wir sind keinen Schritt weiter, auch national noch keinen Schritt. Wir sind auch in der Planung keinen Schritt weiter. Wir haben nicht gelernt, dass wir im Grunde genommen, wenn wir diese Sicherheitsgarantien ausbuchstabieren wollen, dann müssen wir uns als erstes mal Gedanken darüber machen, wer denn wie die Ukraine verteidigt. Oder was braucht man dann dafür? Das heißt, ich muss eigentlich einen Verteidigungsplan für die Ukraine haben. Ansonsten ist das fast schon gefährlich, davon zu sprechen, man würde Artikel 5 Like Sicherheitsgarantien für die Ukraine bieten. Denn die basieren ja genau darauf, dass wir in der NATO uns Gedanken darüber gemacht haben, wie würden wir einen Angriff von Russland zurückschlagen? Und was müssen wir dafür gemeinsam tun und beschaffen? Und da wird gerade eine Illusion gestreut in diesem Begriff. Und der, und ich finde, das ist noch mal wichtig, man kann das schon verstehen, dass dieser Begriff so hoch gejazzt wird, weil die Europäer ihn brauchen und gleichzeitig jetzt auch versuchen wollen, das als Erfolg zu verkaufen. Gleichzeitig wissen sie, das hat Herr Diekmann ja eben sehr schön gesagt, die wissen auch, dass das ein unheimlich dünnes Eis ist, auf dem sie da gerade segeln. Das kann schief gehen.

00:21:49: Florian Harms: Aber was heißt das, Herr Mölling, noch mehr Waffenlieferungen an die Ukraine? Andere Waffen, also wie kann man da jetzt noch stärker werden?

00:21:56: Christian Mölling: Also wenn man das mal aus dem einzelnen Waffensystem rausnimmt, dann ist im Grunde genommen das, was sie brauchen, ist eine militärische Schlagkraft, völlig egal auf welchem einzelnen Waffensystem das beruht, mit der sie tatsächlich eine Veränderung herbeiführen können. Das Tröpfelhafte, was wir immer gemacht haben, das gilt leider weiterhin noch: kommt zu wenig und zu spät. Daraus haben wir immer noch nicht die Lektion gezogen, zu sagen, wir müssen die Ukrainer in einer Lage versitzen, in der sie 2026 oder 2027 so weit sind, dass sie ausgebildet, militärisch sehr fortschrittlich in der Lage sind, den Unterschied zu machen. Und das ist eben nicht, dass sie das gestreckt über dreieinhalb Jahre sagen, wie viel Geld sie schon für Waffen ausgegeben haben. Sondern die Fähigkeit einen militärischen Schwerpunkt zu schaffen und so weiter und so fort und damit die russische Art und Weise des Krieges wie sie die ganze Zeit führen zu brechen denn Russland kann zurzeit seine Art des Kriegs führen ohne dass die Ukraine irgendwas dagegen tun aber das wird man tatsächlich ändern.

00:22:56: Florian Harms: Es werden ja schon viele Waffen geliefert und es wird viel getan und ausgegeben und irgendwo sind solche Bestände jetzt ja auch mal endlich, wenn man dann mit Leuten von der Bundeswehr redet, dann sagen sie, wir können jetzt nicht noch ein Patriot-Abwehrsystem liefern, weil dann werden wir irgendwann schutzlos dastehen. Also wo soll man es denn hernehmen?

00:23:14: Christian Mölling: Naja, da muss man glaube ich erst mal sagen, sorry, wir sind jetzt dreieinhalb Jahre hier unterwegs. Viele der Waffensysteme, die wir brauchen, hätten wir in dieser Zeit schon mindestens erst mal anfangen können und zum Teil auch schon liefern können. Anstatt immer sozusagen zu sagen, wer weiß, ob wir das sind und es kommt zu spät.

00:23:30: Florian Harms: Also Sie meinen zum Beispiel den Taurus, dass man den jetzt auch liefern sollte?

00:23:34: Christian Mölling: Taurus wäre ein Beispiel dessen, worauf man eine Verteidigung aufbauen könnte. Also langreichweitige Waffensysteme ist natürlich eine große Hilfe für die Ukrainer. Was man aber braucht ist, und das funktioniert halt jetzt umso schwieriger, je länger es dauert. Die Ukrainer, genauso wie die Russen übrigens, haben in dem Sinne keine organisierten Streitkräfte mehr. Die kämpfen mit sehr kleinen Einheiten. Die Russen schmeißen sinnlos Menschen an die Front, das sind ja keine Soldaten mehr. Also, Militär ist eigentlich organisierte Gewalt, die haben wir hier nicht mehr. Die kämpfen wirklich teilweise als Einzelne. Wenn sie einen militärischen Unterschied machen wollen, dann müssen sie tatsächlich Militär wieder organisieren. Das heißt, sie müssen kampffähige Brigaden und Divisionen haben, mit der sie in der Lage sind, tatsächlich diese sehr dünnen Linien, die sie da haben, tatsächlich zu verschieben, zu verändern. Das ist eine schwierige Sache für die Ukrainer, weil die eben ein Manpower-Problem haben zum jetzigen Zeitpunkt.

00:24:33: Florian Harms: Also sie haben sie zu wenige Soldaten an der Front?

00:24:36: Christian Mölling: Ja, genau, sie haben zu wenig Soldaten. Ansonsten ist die Alternative: Sie füttern aber einen Krieg ohne Ende tatsächlich, weil sie eben in so einem prekären sie lassen die Ukraine in einer prekären Situation, in der sie eigentlich nur verlieren kann. Und dann wird das Verlieren halt über Jahre und Jahre gestreckt.

00:24:54: Florian Harms: Patrick, das führt mich zu dir wiederum, denn in der alten Bundesregierung Ampelkoalition Olaf Scholz ist immer akribisch im Internet aufgelistet worden, mit welchen Waffensystemen man die Ukraine jetzt wieder unterstützt. Man hatte so den Eindruck, das machen die vor allem, um dem öffentlichen Druck und der Kritik der Medien zu begegnen. Friedrich Merz hat das verändert. Er hat gesagt, wir wollen das nicht mehr öffentlich machen, weil wir wollen ja nicht unseren Gegner in Moskau aufschlauen. Und ich sage auch nicht, ob ich den Taurus liefern würde oder nicht. Was hörst du denn so aus dem Umfeld der Bundesregierung? Hat sich da wirklich was verändert, wie man jetzt Waffen liefert und welche und wie viele?

00:25:30: Patrick Diekmann: Nö, also im Prinzip hat sich tatsächlich nicht viel verändert. Also ich halte schon für richtig, dass man, weil Macron hat das ja auch gesagt, das hat Merz nicht exklusiv, dass man strategisch versucht, Putin im Unklaren zu lassen. Das halte ich tatsächlich für sinnvoll, weil Herr Mölling hat am Anfang ja schon gesagt, Putin weiß immer, was wir machen und weiß auch langfristig, was wir machen, und kann sich darauf einstellen. Aber im Prinzip und wenn man da möchte ich noch mal zurück erinnern an die Zeit, wo wir jeden Panzer aufgezählt haben, da haben wir am Anfang erst mal das aus den Arsenalen geholt, was so alt ist, was kaum noch gefahren ist, was man nicht mehr benötigt hat. Und ich glaube, wir stehen vor der entscheidenden Frage, die sich auch Deutschland stellen muss. Gehen wir an unsere eigenen Bestände ran oder liefern wir weiterhin das, was wir übrig haben? Weil kein einzelnes Waffensystem, ob das Taurus ist oder ob das so für bestimmte Panzerart ist, wird hier den Unterschied machen, sondern es geht darum, die Ukraine langfristig zu stärken. Und wir haben da in Europa unterschiedliche Sichtweisen drauf. Wir haben schon die Polen, wir haben schon die Balten, die haben ein eigenes Sicherheitsproblem und erkannt für sich und liefern aus den eigenen Beständen. Deutschland macht das noch nicht. Also das ist eine Frage, die wird man in Zukunft beantworten müssen, weil wir tatsächlich nicht so schnell produzieren wie die Russen im gleich, die auf Kriegswirtschaft gestellt haben, was wir übrigens auch nicht gemacht haben. Also das läuft tatsächlich auch sehr, sehr schleppend. Deswegen geht es, glaube ich, gar nicht darum, welches Waffensystem, um zu deiner Frage zurückzukommen, wir jetzt liefern können, sondern eher darum, wie wir langfristig eine bestimmte Quantität erreichen können, um die Ukraine zumindest in quantitativem Ausgleich, die sie am Personal hat, besser ausgleichen zu können dann am Ende.

00:27:04: Florian Harms: Das sind enorme Mittel, Patrick, die da in die Ukraine fließen. Nicht nur Waffen, sondern auch Geld. Zum Beispiel für die Aufrechterhaltung der Verwaltung. Und was da so ein bisschen in den Hintergrund rückt, ist ja aber, dass die Ukrainer sich nicht nur sehr tapfer wehren gegen die russischen Angreifer, dass sie nicht nur ihre Wirtschaft am Laufen halten, sondern die Ukraine hat halt auch traditionell leider ein gewaltiges Problem mit Korruption. Und darüber wird jetzt nicht groß gesprochen, aber wenn man dann irgendwann mal vielleicht einen Waffenstillstand anbahnt oder gar mehr, ein Friedensschluss, und da weiterhin Milliarden an Unterstützungsland fließen, weil man es ja auch wieder aufbauen muss, wie groß ist denn die Gefahr, dass viel davon in tiefen Taschen verschwindet?

00:27:45: Patrick Diekmann: Du hast richtig angesprochen, dass die Ukraine ein Korruptionsproblem hat. Das verschweigt auch die ukrainische Führung eigentlich nicht. Aber ich würde tatsächlich der ukrainischen Regierung attestieren, dass sie selbst ein Interesse daran hat, dieses Korruptionsproblem zu beseitigen. Weil einerseits schadet das ja der eigenen Verteidigungsfähigkeit, wenn das Geld in, wie du sagst, tiefe Taschen verschwindet. Zweitens erschwert das auch weitere Beitrittsverhandlungen, beispielsweise zur EU, wo das nicht sein darf. Aber ich möchte einfach daran erinnern, das ist ein Land im Krieg aktuell. Da passiert viel, was wahrscheinlich nicht passieren sollte, weil Krieg ist ja auch immer mit einem gewissen Chaos verbunden, gesellschaftlich und politisch auch. Dementsprechend ist das auf jeden Fall ein Problem, was man in Gesprächen mit Selenskyj ansprechen sollte. Aber jetzt vielleicht nicht das Vorwiegende, weil gerade geht es einfach der Ukraine um ihre Existenz. Das noch mal herausgestellt.

00:28:39: Florian Harms: Herr Mölling, bei Ihnen interessiert mich noch eine etwas emotionalere Frage, die mich schon auch umtreibt. Die russische Armee hat ja den Ukrainern unbeschreibliches Leid zugefügt, hat aber auch enorme Opfer gebracht. Auf beiden Seiten, wir haben es vorhin gesagt, wurden hunderttausende Menschen getötet oder verwundet, Putins Krieger haben ganze Familien ausgelöscht, Kinder entführt, gefangene Soldaten gefoltert, Städte in Schutt und Asche gelegt. Wie kann es angesichts dieser Gräueltaten vielleicht auch vor dem Hintergrund von anderen Konflikten gelingen, die beiden Völker, wenn nicht gar schnell zu versöhnen, dann aber vielleicht wenigstens zu einem dauerhaften, kalten Frieden zu bewegen? Also dass die Leute da wirklich bereit sind, sich darauf einzulassen. Was braucht es dafür?

00:29:21: Christian Mölling: Das ist ein sehr guter Gedanke, das bewegt mich schon seit Anfang des Krieges, wie Reconciliation, wie man auf Englisch sagt, eigentlich funktionieren kann, also Versöhnung funktionieren. Ganz wenige Beispiele, in denen das funktioniert hat. Deutschland und Frankreich ist eines der Beispiele. Es ist ein Wunder, muss man sagen, dass diese beiden Länder, die sich solange die Köpfe eingeschlagen haben, mittlerweile in Frieden miteinander leben können. Wir haben andere Beispiele. Wo man sieht, wie fragil das lange, jahrzehntelang noch sein kann. Nehmen Sie Nordirland. Ja, das heißt also Geschichte und Zeit hilft der Mantel der Geschichte, der sich sozusagen wieder über Dinge legt und damit Vergessen möglich macht. Vergessen kann helfen, aber es ist auch immer ein Potenzial, das wieder hochgenommen werden kann, mit dem man agitieren kann. Man kann Geschichte reinterpretieren. Also schnell geht hier gar nichts. Das ist das Wichtigste. Und es wird für lange Zeit eine fragile Situation bleiben. Plus dazu eben das ganz perfide, was Sie genannt haben. Es wird schnell darauf ankommen, sich eine Lösung zu überlegen. Gibt es Rückführungen der Kinder? Da spielt die Zeit wiederum auch eine Rolle. Wie lange sind diese Kinder schon dann russisch sozialisiert? Das sind schwierige Aufgaben. Die also ich habe das noch nicht gehört, wie das in der Vergangenheit erfolgreich gelöst worden ist. Russland hat hier ein riesiges Trauma produziert und damit auch. Kriegspotenzial für die nächsten Jahrzehnte gelegt. Und ich würde behaupten, das ist nicht unbewusst gemacht worden. Das macht Putin sehr bewusst, um Unfrieden zu sehen. Denn darauf beruht sein Geschäftsmodell.

00:30:59: Florian Harms: Die entführten ukrainischen Kinder, die berühren sehr viele Menschen, unter anderem auch die Gattin von US-Präsident Donald Trump, Melania. Sie hat einen Brief geschrieben an Putin und dann hat jetzt im Umkehrschluss die Gattin von Wolodymyr Selenskyj Trump einen Brief geschrieben. Patrick, kann so etwas bewirken, so eine Art Briefdiplomatie der First Ladies oder ist das dann eben doch nur für die Kameras?

00:31:27: Patrick Diekmann: Ich wünschte, das könnte es, aber ich glaube, das ist tatsächlich hauptsächlich Symbolpolitik. Natürlich ist es sehr gut, um das Thema noch mal in die Öffentlichkeit zu stellen, weil ich glaube dass die Thematik mit den entführten Kindern gab es ja schon ganz lang und die ukrainische Führung hat sehr lange da rein erinnert. Aber es war oft im Westen kein Thema, wenn dann quasi eine Galionsfigur wie die First Lady, egal von welchem Staat hingeht und das Thema noch ein bisschen mehr in die Öffentlichkeit bringt, ist das, glaube ich, nichts Schlechtes. Ich würde jetzt aber nicht davon ausgehen, dass Putin, wir haben am Anfang darüber gesprochen, dass er in der Ukraine über Leichen geht und dass ihm das egal ist, wie viele Leute sterben, da jetzt durch einen Brief im Herzen weich wird. Es wäre schön, ich würde es mir wünschen, aber ich glaube tatsächlich nicht dran.

00:32:10: Florian Harms: Dann zum Abschluss an meine beiden Gäste die Frage: Hand aufs Herz, wie groß ist die Chance, dass die Kämpfe in der Ukraine noch in diesem Jahr enden? Vielleicht fängt Herr Mölling an.

00:32:21: Christian Mölling: Ähm, ich wage es mal. Die Tendenz geht gegen Null.

00:32:26: Patrick Diekmann: 0,1. Ich bin heute sehr positiv gestimmt, aber Spaß beiseite. Ich glaube tatsächlich, dass erst mal, damit das Aussicht auf Erfolg haben muss, die Ukraine am Verhandlungstisch in der Position der Stärke sein muss. Vorher geht es leider, glaube ich, nicht, auch wenn ich natürlich was anderes wünschen würde.

00:32:46: Florian Harms: Also ein eher melancholischer Ausklang dieses Gesprächs mit einem winzigen, kleinen Lichtblick oder Hoffnungsschimmer und den wollen wir aber weiter verfolgen. Wir werden das Thema des Angriffskriegs der Russen gegen die Ukraine weiterverfolgen, auch hier online. Wir werden weiter mit Experten sprechen, wir werden Nachrichten veröffentlichen, Analysen. Patrick, du wirst viel schreiben, du widmest dich häufig diesem Thema. Für heute sind wir hier aber erst mal angekommen am Schluss dieses Podcasts. Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen beiden Gästen. Zum einen dem Politikwissenschaftler Christian Mölling!

00:33:16: Christian Mölling: Ich danke Ihnen.

00:33:18: Florian Harms: Und zum Zweiten bei Patrick Diekmann, Außenpolitik-Reporter von t-online.

00:33:22: Patrick Diekmann: Vielen Dank für den netten Austausch.

00:33:24: Florian Harms: Bei Lisa Raphael bedanke ich mich für die Produktion und bei Ihnen allen fürs Zuhören. Wenn Ihnen unser Podcast gefällt, dann abonnieren Sie ihn bei Spotify oder bei Apple. Falls Sie Anmerkungen haben, schreiben Sie uns eine E-Mail an podcasts@t-online.de. Der nächste Tagesanbruch kommt am Montag von Heike Vowinkel. Nun wünsche ich Ihnen ein friedliches Wochenende. Tschüss und bleiben wir uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

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von und mit Florian Harms

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