Tagesanbruch von t-online

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00:00:01: Florian Harms: Hallo und herzlich willkommen zum Tagesanbruch am Wochenende für das Osterwochenende 2025. Ich bin Florian Harms, Chefredakteur von t-online, und spreche passend zum Anlass mit einem besonderen Gast über die Frage, die sich immer mehr Menschen stellen. Wie können wir in Zeiten der Krisen und täglich schlechter Nachrichten die Zuversicht bewahren? Schön, dass Sie zuhören. Liebe Hörerinnen und Hörer! Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen zu Hause abläuft, aber in meiner Familie verläuft das Osterwochenende ungefähr so: Am Karsamstag gibt es nach einem ausgedehnten Frühstück noch eine Menge vorzubereiten die Wohnung putzen, einkaufen und lange an der Kassenschlange anstehen. Weil natürlich alle anderen heute auch einkaufenden Nachbarn einen Gruß bringen und ihre kleinen Gaben entgegennehmen. Vielleicht noch das Auto waschen, damit es nicht so wüst aussieht. Abends eine Menge Eier färben und dann ab auf die Couch, bevor es zum Osternacht Gottesdienst geht. Am nächsten Morgen, dem Sonntag sehr früh aufstehen und in den Garten huschen, um den Osterhasen zu unterstützen, damit er alle Verstecke findet. Dann die jauchzenden Kinder begleiten, die aufgeregt alle Verstecke ausräumen und sich die Taschen mit Schokolade vollmachen. Anschließend ein noch opulentes Frühstück mit vielen, vielen Eiern. Ich muss gestehen, ich schaffe es tatsächlich. Halten Sie sich fest, mir 4 bis 5 gekochte Eier einzuverleiben. Und das nicht nur, weil ich beim Eier Klopf Kampf immer verliere, dann wieder in die Kirche und anschließend einen ausgedehnter Sonntagsspaziergang. Hoffentlich mit viel Sonne und ohne Nachrichten. Stress. So sieht meine Idealvorstellung von Ostern aus. Alles in allem recht harmonisch, finden Sie nicht? Vielleicht halten Sie es ja ähnlich. Vielleicht treffen Sie Verwandte oder Sie fahren in den Urlaub und genießen dort ein paar entspannte Tage. Tja, aber dann schaut man halt doch zwischendurch mal aufs Handy und erspäht dort die neuesten Nachrichten. Trump, Putin, Krieg in der Ukraine und in Gaza, Hunger und Elend im Sudan streitende Politiker und noch viel mehr Negatives, was die Stimmung trübt. Zack, ist die Düsternis zurück. Wie kann man angesichts der vielen Krisen der Welt die Zuversicht bewahren? Wie kann man das Glas halb voll statt halb leer sehen? Und was braucht es, um die Zustände hierzulande und womöglich sogar global ein klein wenig zum Besseren zu wenden? Was kann da jeder und jede dafür tun? Das möchte ich gern wissen. Deshalb habe ich für die Osterfolge des Tagesanbruch Podcasts Bruder Paulus eingeladen. Er stammt aus dem Münsterland, hat Philosophie und katholische Theologie studiert, ist 1985, also vor 40 Jahren, zum Priester geweiht worden, hat verschiedene Klöster geleitet und sich jahrzehntelang in der Seelsorge und in der Bedürftigen Hilfe engagiert, unter anderem in Krankenhäusern, Obdachlosen und Jugendeinrichtungen sowie als Ausbilder für Telefonseelsorge und Hospizhelfer. Heute wirkt er im Münchner Kapuzinerkloster Herzlich willkommen! Bruder Paulus.

00:02:49: Bruder Paulus: Hallo und guten Tag, Herr Harms!

00:02:51: Florian Harms: Zunächst mal zu Ihrer Person. Sie haben sich mit 19 Jahren für das Ordensleben in einem Kapuzinerkloster entschieden. Wie kam es dazu?

00:02:58: Bruder Paulus: Das lag daran, dass ich als katholischer Jugendlicher im Münsterland aufgewachsen, erst mal so eine Grundausbildung im Glauben gehabt habe. Das war aber alles ziemlich äußerlich. Und als ich 16 wurde, habe ich an einem Seminar teilgenommen, in dem mir deutlich wurde, dass das, was Kirche ist, seit dem Konzil von der katholischen Kirche nicht mehr als hierarchische Institution verstanden wird. Wo es oben irgendeinen Chef gibt. Und da unten drunter sind alle die Laien, die Bischöfe, Kardinäle, und dann kommen die Laien ganz unten, sondern dass die Kirche eigentlich ein lebendiger Organismus ist, der nach dem dreifaltigen Gott eingerichtet ist. Das hört sich jetzt wirklich so theologisch an, aber für mich war das sehr praktisch, weil ich als Jugendlicher schon sehr obrigkeit obrigkeitsorientiert aufgewachsen bin. Und dann habe ich plötzlich gemerkt getauft werden, das bedeutet in die Person Jesu Christi aufgenommen werden, ein neues Leben anfangen dürfen und niemand ist mir mein Chef. So wie Luther auch gesagt hat, ich bin eigentlich ein freier Christenmensch. Und als ich dann entdeckt habe, dass das Katholische in seiner Theorie mal zumindest genauso aufgebaut ist, dass die Basis wichtig ist und das unten gelebt wird, wo Jesus eigentlich in dieser Welt gegenwärtig ist und alle das, was wir abbilden können an Rokokokulisse und an tollen Gewändern und an Musik, dass das alles eigentlich nur so Momentaufnahmen sind. Aber die anderen 143 Stunden nach der Stunde Gottesdienst, das ist eigentlich Kirche und da gibt es ja super viele schöne Beispiele, auch. Natürlich gibt es auch andere, aber es gibt wirklich wunderbare Beispiele, wie Menschen einfach sehr aktiv werden, weil sie sagen Diese Auferstehung, die wir jetzt an Ostern feiern, die in von diesem Jesus geglaubt wird, das ist etwas, was man tun kann. Wir sollen uns von Tod, Grab, Schweigen und Leiden nicht kaputt machen lassen. Und dann, ab diesem Zeitpunkt wollte ich unbedingt Christ sein. Nicht mehr ich muss, sondern ich wollte. Heinrich Heine hat ja mal gesagt, die Taufe sei das Entree. Bier zur abendländischen Kultur. Das ist ja schon lange vorbei. Und Gott sei Dank habe ich das ja ich weiß auch nicht warum aufgeschnappt. Und ich wollte dann Christ sein und habe dann ein Jahr später die Kapuziner als Ordensleute kennengelernt und gemerkt Wow, das sind ja ganz freie Männer des Evangeliums. Diese Freiheit will ich auch leben und habe mich dann dieser Gemeinschaft angeschlossen. Ja, da gab es dann auch viele Höhen und Tiefen, wenn man so jung anfängt. Aber wer erlebt das nicht? Man fängt irgendwas an und dann ist doch alles ganz anders. Aber am Ende ist doch diese Urquelle was in mir Gott eine Lebensfreude gestiftet hat, die mir nichts in dieser Welt kaputt machen kann. Ich bin so ein Auferstehungstyp geworden, sozusagen. Es hat mich ein Leben lang begleitet und deswegen wollte ich unbedingt in diesem Orden leben.

00:05:44: Florian Harms: Wir reden gleich über diese Freude und auch über diese Werte. Bevor wir das tun, muss ich aber schon noch einmal nachhaken. Die katholische Kirche macht eher Schlagzeilen mit negativen, also insbesondere mit diesem fürchterlichen Missbrauchsskandal, der die Kirche jetzt seit Jahren beschäftigt, und auch der Frage, wie sie damit umgeht. Was macht das mit ihnen? Wie geht, ja wie gehen Sie damit um?

00:06:02: Bruder Paulus: Na ja, für mich ist das natürlich ganz fürchterlich. Immer. Das ist genauso, wenn wir Fotos sehen. Das aus der Deutschen Bank Büros durchsucht werden, ja dann alle Mitarbeiter denken Sind wir jetzt alle irgendwie Schweine oder was? Ja. Und genauso geht das mir auch. Oder wenn Polizisten Fürchterliches getan haben, So geht es mir natürlich auch in der Kirche. Und für mich war vor allen Dingen die größte Krise, dass ich vor sechs, sieben Jahren wirklich ganz am Boden zerstört war, weil ich plötzlich mir überlegt habe Ist das ganze Fromme, was ich so mache? Ist das eigentlich der Ermöglichungsgrund, dass Leute sich dahinter verstecken, dann Böses tun wollen?

00:06:37: Florian Harms: Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

00:06:39: Bruder Paulus: Ja, ich war dann wirklich ganz kurz davor zu sagen, ich darf so ein System nicht unterstützen und muss eigentlich vielleicht sogar aufhören. Und dann hatte ich so einen Moment auch mit Ostern zu tun hat. Ich bin dann ja vielleicht ist das ein Gnadenmoment oder wie immer man das nennen will. Für mich war es dann so, dass ich dann irgendwie in so eine Art geistlichen Hubschrauber hoch geflogen bin und gesagt habe Ach du Schande! Die ganze Kirchengeschichte ist ja eigentlich von auch Krisen erfüllt, aber auch die ganze Weltgeschichte. Und dann habe ich irgendwie gesehen, dass da drei Frauen vom Grab kommen und diesen verängstigten Jüngern sagen Hey, er ist gar nicht hier, er ist auferstanden. Und diese zarten Stimmen, diese schwachen Stimmen haben sich über 2000 Jahre bis heute nicht tot kriegen lassen. Und es gibt immer wieder Leute, die sie glauben können. Und ich auch. Und ich will mehr glauben, was mir Hoffnung macht, als dem Glauben, was mich kaputt macht. Und wenn man Kirchtürme sieht, überall im Lande, dann sind das für mich Auferstehungs und Hoffnungszeichen, dass trotz allem wir etwas aufbauen können. Notre Dame haben wir gerade die letzten Jahre ja erlebt, ist ja so ein Symbol gewesen, wie schnell Menschen gesagt haben, das muss wieder aufgebaut werden, weil da hoch zu schauen, das ist eine menschliche Grundsehnsucht, dass wir den Kopf hochheben und uns nicht ständig zu Boden sinken lassen.

00:08:07: Florian Harms: Also hochheben, das Glas, wie ich es vorhin gesagt habe, eher halbvoll als halbleer sehen. Sie widmen sich ja der Unterstützung anderer Menschen, die sich häufig in Lebenskrisen befinden. Und damit sind Sie natürlich auch der ideale Experte für unser heutiges Hauptthema, weil einfach und das nehmen wir auch als Journalisten wahr viele Menschen aufgrund der vielen Krisen in Deutschland und der Welt gegenwärtig stark verunsichert sind. Bemerken Sie das auch in Ihrer Arbeit? Hat das was verändert?

00:08:32: Bruder Paulus: Ja, da will ich Sie zunächst einmal unterstützen. Ich habe jetzt die Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie gelesen und die Vorsitzende dazu gehört, die einfach gesagt hat Leute, denkt daran, das, was jetzt an Verunsicherung da ist, dass da ein Kriegstreiber ist in der Welt und dass da jetzt ein Wirtschaftstreiber ist, Das macht Menschen, die psychisch krank sind, noch kranker und die Krankheitsfälle werden weiter zunehmen. Die Verängstigung nimmt einfach zu. Das ist schon schlimm, wenn einem da der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Und wenn man dann auch noch denkt Koalition, ob die jetzt wirklich den neuen Schritt gemacht hat oder da auch wieder in der alten Suppe herum wartet, da kann einem schon Hoffnung nehmen. Und an dieser Stelle muss möchte ich wirklich jedem von Ihnen und mir auch sagen Lasst uns uns daran erinnern, dass wir etwas sind, was uns keine Nachricht kaputt machen kann. Ich nenne das in meinem Buch Stark durch den Wandel, was ich jetzt versucht habe mal so zu schreiben. Das Leute das verstehen was da passiert. Wir sind eine Stiftung. Jeder Mensch ist eine Stiftung, von Gott gestiftet und jeder Mensch hat ein Vermögen. Und diese Ostereiersuche, die Sie eben geschildert haben, ist ja letztlich nichts anderes, als dass wir im Garten unseres Lebens nach den Nagels suchen, dass wir im Garten unseres Lebens danach suchen. Was ist mir geschenkt worden an Möglichkeiten und dass mir diese geschenkt worden sind, Das sind meine Möglichkeiten. Wenn ich mit obdachlosen Menschen zusammen bin. Im Franziskus Treff in Frankfurt war ich das sehr lange und auch hier auf der Straße sehe ich immer wieder Menschen. Dann schaue ich sie an und sie sind vermögende Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ihr Vermögen, das sie selbst nicht mehr sozusagen zu suchen sich trauen, geht nicht mehr im Garten ihres Lebens, weil Sie so oft das auf die Finger gekriegt haben, dass sie sagen Ich suche nicht mehr, bleibe trotzig sitzen. Kennen Sie aus der Erziehung. Sie sagen ein Kind, Wir haben da Ostereier versteckt. Nein, Papa, mach ich nicht, weil du. Ja, und diese Suchbewegung in Gang zu setzen, das ist das, was ich Seelsorge nenne. Menschen zu sagen, In dir gibt es dieses Vermögen, du kannst es bergen. Und dann müssen wir sozusagen in dieser Situation, wo jemand sagt Ich habe aber gar keins, was ich dann bei ihm bin, in der Dunkelheit, das feiern wir heute Abend und Donnerstagabend in der Dunkelheit, in der Not. Bei einem Menschen bleiben, bei einem Menschen bleiben, der sich gekreuzigt gefühlt auf sein Hör auf! Ein ganzes Leben eigentlich ausgestreckt auf eine Lähmung und Lahmheit und kein Geld. Und meine Rente. Und was ist das für eine Welt Und was für ein Deutschland Und was für eine Familie, in der ich bin. Man ist darauf gekreuzigt, was einen am meisten belastet und wird es nicht los. Schweigen. Der Karsamstag ist eine Zeit des Schweigens. Als. Ich habe Telefonseelsorge ja auch ausgebildet und mit ihnen immer wieder geübt, geübt, geübt, Schweigen auszuhalten. Es ist oft viel tröstlicher, mit einem Menschen zu schweigen, um dann ihn daran zu erinnern. Da gab es doch auch mal im Moment in deinem Leben, die schön waren. Ich weiß nicht, warum das Evolution oder Liebe, Gott oder wer auch immer so gemacht hat, dass wir ständig diese schlechten Erinnerungen so erzählen können. Ja, in jedem Kantinengespräch geht es darum, dass man schlechte Nachrichten hat, der gehört, der Kollege, das Auto gesehen, was gesehen? Der rumpelt ja und was weiß ich. Wir reden nicht darüber. Hast du gesehen, wie glücklich er ist? Ist das nicht schön, dass der jetzt eine neue Stelle gekriegt hat und Karriere gemacht hat? Weil er. Nein. Warum hat er es gemacht? Wir sind. Wir sind einfach schlecht Redner.

00:11:12: Florian Harms: Und warum sind wir Schlechtredner?

00:12:01: Bruder Paulus: Ja, das ist ganz einfach. Die erste Seite der Bibel erzählt es ja, weil uns immer irgendeine Schlange ins Ohr flüstert Du bist der liebe Gott. Du bist eigentlich der Allerbeste, Du bist der Allergrößte. Du darfst Menschen beurteilen und alles andere ist dafür da, dass du dich glücklich macht. So, wenn andere glücklicher sind, Nein.

00:12:16: Florian Harms: Aber Bruder Paulus, wie merkt man es auch als Journalisten? Also die schlechten Nachrichten klicken viel besser als die guten Nachrichten. Also die Leute wollen wissen, was da alles Fürchterliches passiert und dann fühlen sie sich aber noch schlechter.

00:12:26: Bruder Paulus: Ja, die meistgelesenen Anzeigen in der Zeitung sind ja die Todesanzeigen. Ich sage dann immer ein bisschen lustig, Die Leute gucken ihre Todesanzeige an, um zu merken, dass sie da noch nicht stehen. Also leben sie noch. Und dann? Und dann sind so schlechte Nachrichten, sind eigentlich Nachrichten, die man liest und denkt Ach, Gott sei Dank, ich nicht. Ich habe keinen Krebs, ich bin nicht überfahren worden. Ich saß nicht in dem Flugzeug. Und wie schlimm, wenn ich da gewesen wäre, wenn man diese die, die die Dinge liest, die unter diesem Hubschrauberabsturz in New York gestanden haben, in den sozialen Medien, dass viele Leute schreiben Ja, wie ging es denen wohl, wie schlecht, wie schlimm an dem Geburtstag und wichtige Empathie kommt. Auch das ist sehr toll. Darum wird geklickt. Wir sind empathische Menschen und gleichzeitig ist es dann doch auch so, dass wir dann plötzlich glauben, die ganze Welt sei nur noch schlecht und merken gar nicht, dass uns die schlechten Nachrichten vor Augen geführt werden, weil wir die so klicken. Die guten Nachrichten ist im Kleinen mache. Ich weiß gerne, die Bildzeitung hat ja an Weihnachten mal so Aktionen. Gab eine ganze Bildzeitung voller guter Nachrichten. Ja, na ja.

00:13:28: Florian Harms: Na ja, die wird sich nicht so verkauft haben. Wir bemühen uns natürlich auch, das ganze Bild der Nachrichten abzubilden und dazu gehört immer auch das Positive. Aber wir merken einfach sehr stark Konflikte sind natürlich das, was die Menschen interessieren. Gehen wir ein bisschen höher auf eine andere Ebenen der Gesellschaft, aber jetzt ja über das Persönliche gesprochen haben. Was kann man aus Ihrer Sicht tun, um in der Gesellschaft der Spaltung entgegenzuwirken und Werte wie Respekt, Anstand, Rücksichtnahme zu fördern, also auch in einem größeren kollektiven Rahmen zu fördern?

00:13:59: Bruder Paulus: Also ich glaube, wir werden wohl nicht umhinkommen, uns noch einmal mit dem Grundgesetz beschäftigen zu müssen und zu fragen Was für eine Atmosphäre sollte dort eigentlich bewahrt werden? Und es ist erstens die Atmosphäre, dass jeder Mensch diese Stiftung ist. Würde nennt sich das im Grundgesetz. Wir schauen uns einander an und sagen nicht du bist ein etwas weniger Mensch und noch weniger Mensch. Und darum dürfen sie etwas tun, was uns sozusagen erhebt über dich. Das zweite, was sehr, sehr wichtig ist Wir müssen uns daran erinnern, dass es immer Veränderung gibt, dass also, wenn sich etwas verändert, dass das nicht schlimm ist, sondern wir gucken Sie Bäume an, alle Leute freuen sich über die Blumen. Ja, die konnten ja nur werden, weil sie weil sich eine Wurzel verändert hat und weil sich eine Blumenwiese verändert hat. Die werden auch wieder eingehen. Also das Leben besteht aus Veränderungen. Das sind schon so Dinge, die vielleicht leicht vergessen werden in unserem gesagt Renovierungs und Restaurierungswahn, ja alles aufrechterhalten zu wollen. Veränderung gehört zum Leben. Und das dritte ist jetzt gehört auch Schmerz zum Leben. Ich lebe in einer Ordensgemeinschaft. Ich lebe ja nicht im Himmel auf Erden, sondern mit Männern zusammen, die die gleiche Berufung haben. Aber wir bleiben ja Menschen und jeder hat seine Erziehung und seine Gewohnheiten. Und da reibt man sich automatisch. Es gehört dazu, dass man mit der Nachbarschaft Stress hat und das ist nicht schlimm. Und es gehört dazu, dass einer eine andere Ansicht hat, die ich nicht gut vertreten kann. Also wir Menschen sind einfach zum Dialog sozusagen geboren.

00:15:27: Florian Harms: Aber wie kann man diesen Dialog stärken? Also dass man nicht sagt ja, AfD Wähler spinnen alle, mit denen rede ich gar nicht mehr, sondern dass man sich mit denen einen Tisch setzt, redet und vielleicht zu dem Schluss kommt We agree to disagree. Also wir haben unterschiedliche Meinungen, aber wir bleiben im Gespräch.

00:15:43: Bruder Paulus: Das kann ich dann, wenn ich diese Grundhaltungen habe. Du bist auch wertvoll, du hast deine Sichtweise. Und das dritte ist ich glaube, das wird viel zu wenig in Gesprächen angesprochen. Du hast auch Angst. Wir reden viel zu wenig über die Sorgen. Welche Sorge hast du eigentlich? Und die Menschen haben ja eine Sorge und deswegen haben sie ja Lösungen, um dieser Sorge entgegenzutreten, dass ihre Lösungen nicht meine Lösungen sind. Das müssen wir miteinander besprechen. Und richtiger Dialog wäre ja, dass wir so reden, dass im Dialog eine Lösung gefunden wird, auf die beide vorher nicht gekommen sind, dass wir also eben nicht diesen Bettel haben. Und wir haben viel zu viele Diskussionen. Das in Schlagabtausch wird sich schon furchtbar an, in der jemand siegen will. Nein. Aha, du siehst es so habe ich ja noch gar nicht gesehen. Und der andere? Hoffentlich hat auch diese Demut eine Tugend, die auch sehr vergessen ist. Diese Demut zu sagen Ach so siehst du das? Ja, da müsste ich ja meine Meinung ändern. Also wir werden miteinander in den Dialog kommen, wenn wir wieder Freude daran haben, auch selbst zu erkennen Ich bin nicht Gott, ich bin nicht allwissend, ich kann nicht alles. Ich brauche dich, damit ich mehr sehe. Ich brauche dich, damit ich weiter sehe. Gestern Abend habe ich zusammengesessen mit einem Arzt, der im Krankenkassenwesen da ist, und wir sprachen über die vielen Krankenkassen in Deutschland. Er sagte Ja, Bruder Paulus, können Sie ruhig alles diskutieren, Aber ich will Ihnen mal was sagen In allen Krankenkassen sind nur 5 % der Kosten Verwaltungskosten und 95 % fließen ins Gesundheitswesen. Das glauben Sie ja wohl selbst. Ich. Da musste ich selber schon bei mir denken. Na, der tut aber jetzt. Ob das wohl stimmt? Ich habe doch immer anderes gelesen, wie schlimm die Verwaltungskosten sind. Und er hat mir das auseinander gelegt. Sie können alle Bilanzen der Krankenkassen jeder Krankenkasse lesen. Maximal 5 % geht in die Verwaltung. Und da merkte ich schon selber es gar nicht so einfach, seine vorgefasste Meinungen aufzugeben. Vor allen Dingen auch, weil ich dann in anderen Diskussionen zusammenhängend zugeben muss, dass ich mich geirrt habe. Diese Demut, dass ich mich irren kann.

00:17:46: Florian Harms: Demut im Gespräch, Dialog das leuchtet mir sehr ein. Auf Ihrer Website steht der Satz Ich starke Menschen in Verantwortung. Bringt mich zu der Frage: Sehen Sie bestimmte Gruppen in der Gesellschaft, von denen Sie sich mehr Verantwortungsbewusstsein wünschen?

00:18:01: Bruder Paulus: Ich sage zunächst mal, dass ich sehr erstaunt bin und immer wieder froh bin, wie viele Menschen hoch verantwortlich an ihren Positionen Entscheidungen treffen. Und das sieht man ja daran, dass wir Menschen auch haben, die unbeliebte Entscheidungen treffen. Denn man kann ja auch über Merz denken, was man alles will. Aber dass der eine seinen Weg gegangen ist und eine Entschiedenheit in bestimmten Situationen an den Tag gelegt hat, wo er gesagt hat Ich weiß, das wird alles sehr diskutiert werden, aber ich kann nicht anders. Weil man Scholz konnte man das genauso sehen. Das sind, wenn wir an andere Persönlichkeiten der Politik, aber auch in der Wirtschaft, das ist nicht einfach, wenn ein Manager vor seine Mannschaft tritt und sagt Die Maschinen, die ihr bis gestern bedient habt, die dienen zu nichts mehr, Ich muss neue Maschinen anschaffen und nur wenn ihr neue Schulungen macht, könnt ihr bei mir bleiben. Das ist nicht einfach, aber ich möchte mehr Menschen in Verantwortung dazu stärken, ihnen zu sagen, Konflikte hervorzurufen und in Krisen zu sagen, was man sieht und lernbereit zu sein. Da habt ihr schon richtig drauf. Darum macht bitte das Maul auf und macht nicht Schönwetterpolitik, sondern sagt, was ihr seht und tragt dazu bei, dass wir in unserer Gesellschaft in Diskussionen geraten. Und das sage ich auch ganz ehrlich kritisch an meine Kirche Leute und diese Christen sind wir haben auch das Christentum ein bisschen zu einer Weichwasch-Religion gemacht.

00:19:20: Florian Harms: Was meinen Sie konkret damit?

00:19:24: Bruder Paulus: So dass im Gottesdienst oder im Gottesdienst, den Stuhlkreis. Mit meiner Beerdigung tun wir dann viele Kerzen aufstellen und bunte Tücher und auch Steine, damit niemand merkt, wie weh der Tod tut. Und ab und an zum Karfreitag gehen wir nicht zum Gottesdienst. Wir wollen nur Ostern Halleluja hören. Wir picken uns die Rosinen raus. Nein, das Christentum ist auch streitbar. Und Jesus ist am Ende ja gekreuzigt worden, weil er der herrschenden Meinung ins Gesicht widerstanden hat, der herrschenden religiösen Meinung und der herrschenden politischen Meinung. Und er ist von denen ans Kreuz gebracht worden, die glaubten, Gott damit noch einen heiligen Dienst tun zu können. Und das ist für mich doch jedes Jahr eine neue Einladung nachzudenken. Kick ich eigentlich auch religiös, richtig? Sind meine Überzeugungen wirklich die richtigen Überzeugungen?

00:20:06: Florian Harms: Aber aber wer entscheidet denn das die richtig sind? Das kann ich doch nur selber entscheiden. Oder muss das die Kirche entscheiden, was richtig und falsch ist?

00:20:12: Bruder Paulus: Die Kirche, die ist ja auch nur so eine Versammlung von Leuten, die im Glauben vielleicht bestimmte Wahrheiten sagen können. Aber was wir konkret zu tun haben, das muss im gemeinsam neuen Diskurs herausgefunden werden. Darum ist Papst Franziskus hier so ein toller Papst, weil er das Thema Synodalität auf die Tagesordnung holt und sagt Kirche muss nicht so sehr im Lehren eine Meisterin sein, sondern im Zuhören, auch wenn sie etwas dann hört, was sie selber nicht gerne hört. Ja, er hat mal den Kardinälen gesagt Bitte sag mir nicht das, was er glaubt, was ich hören will, das bringt mich nicht weiter. Sagt mir das, was ich nicht hören will und womit ihr vielleicht eure Karriere beschädigt oder wer so denkt. Da komme ich nicht weiter, wenn ich die Wahrheit sage, er mir solchen Duckmäusertum bringt unsere Gesellschaft, die Kirche und bringen wir niemanden weiter.

00:20:53: Florian Harms: Das möchte ich noch mal aufgreifen, weil Sie gesagt haben, die Kirche macht sich vielleicht zu leicht, indem sie nur auf die schönen Aspekte eingeht. Wenn wir da so eine Art hedonistische Gesellschaft, die eigentlich nur noch von Höhepunkt zu Höhepunkt hüpft, statt auch mal die Tiefen auszuloten und daraus neue Kraft zu schöpfen.

00:21:10: Bruder Paulus: Ja, ich glaube schon, dass Menschen im schönen Denken, da sei das Leben. Also wenn ich jetzt hier durch die Biergärten gehe und sie die Leute da sitzen, dann weiß ich natürlich, unter jedem Dach ist ein Ach ja, jeder kann sofort, wenn ich mich zu denen setze und sage Erzählband von Mama, erzähl mal von der geschiedenen Frau, erzähl mir von deinen Kindern. Dann kommen nach fünf Minuten Erfolgsgeschichten mindestens 20 Minuten Krisengeschichten. Ja, das ist ja bei jedem Menschen so! Machen wir uns nichts vor. Und wenn wir fähig werden, fähig werden zu sagen, wir genießen das Leben auch da, wo es langsamer geht, weil wir traurig sind, weil wir gerade nicht weiterwissen, wo die Stille kommt. Das ist auch Leben. Aber leider haben viele Menschen zu sehr gelernt, in solchen Situationen zu sagen Das ist ja kein Leben und pfeifen sich ein Medikament rein und noch ein Alkohol dazu und auch eine Droge dazu und noch irgendwie tolle, tolle irgendwas Nachrichten, dass man auf jeden Fall weiß, die anderen sind schlechter, schlimmer. Dann geht es mir gleich wieder besser. Das kommt. Wir kommen nur weiter mit der Wahrheit, auch füreinander.

00:22:13: Florian Harms: Also habe ich richtig verstanden, Wenn ich wirklich sehr schlecht drauf bin, weil ich beispielsweise Trauer um einen verlorenen Menschen, dann kann ich aber auch in dieser Stimmung, wie Sie es vorhin ausgedrückt haben, die Nuggets suchen. Und trotzdem, nachdem ich das durchgestanden habe, auch wieder die Lichtblicke erkennen. Leichter, als wenn ich einfach drüber hinweg gehe.

00:22:32: Bruder Paulus: Ja, ich möchte sogar noch weitergehen im Durchstehen. Ich meine, ich habe viele sterbende Menschen begleitet und trauernde Menschen. Im Durchstehen leuchtet das Leben auf. Sie glauben ja nicht, was für eine fröhliche Atmosphäre sein kann in einem Zimmer mit einem sterbenden Menschen. Warum Fröhlich? Weil man miteinander lachen kann über das Leben, das gelungen ist. Dass man miteinander gelebt hat. Und im Abschiednehmen wird einem ja der Wert noch viel deutlicher. Also wenn einem jemand fehlt, erst dann weiß man ja, was man an ihm gehabt hat. Dann, wenn Sie so wollen, ersteht der im Herzen ganz neu auf. Ja, Also, wenn Sie ihn mal kriegen. Das sind Studienkamerad. Von Ihnen Verstorben ist das, steht der ihn plötzlich ganz lebendig vor Augen. Sie haben zehn Jahre gar nicht an ihn gedacht. Und plötzlich merken Sie Wow, Ja, stimmt ja, der Heinrich, der war ja so und so oder wer auch immer, der wird plötzlich lebendig. Darum sag ich in der Krise, wo du schreien musst, wo du keine Antwort findest, wo du klagst, wo du hin greifst, und du weißt nicht, was soll eigentlich alles passieren in dieser Krise? Glaube daran, da bist du ganz lebendig, denn da bist du wirklich Mensch. Und gehen Sie in große Ausstellungen in Ich bin ja in München in der Pinakothek, da. Die großen Meister haben ja gerade diese Lebenssituation auf die Leinwand gebracht, um die Kreuzweg Stationen, die Kreuze, die, die überall stehen haben, die erzählen doch das Leid, das du zu tragen hast, trägt in sich den Keim von Auferstehung. Ja, darum trage es. Du bist nicht weggelaufen und nicht weg, kiffen und sonst was, sondern trage es und vertraue den Menschen, die an deiner Seite sind und die mit dir unterwegs sind. Tränen sind eigentlich das Freudenwasser, sind Tränen, sind das Geburtswasser der Seele zu einer Lebensfreude, die tief gründet und die lange trägt.

00:24:23: Florian Harms: Das klingt sehr schön, fast poetisch. Sie haben gerade erwähnt Kunst, Kunstwerke beispielsweise. Ist das etwas, was in solchen Krisen eben ein Anker sein kann, an dem man sich wieder hochzieht, oder was gibt es da noch?

00:24:36: Bruder Paulus: Ich glaube erstens, dass Kunstwerke das sind, Musik sich anzuhören, die einen zum Weinen bringen, die einem zum Tanzen und in Bewegung bringt. Es ist das Blättern durchs Fotoalbum, sich zu erinnern an Menschen, die einen ja einfach auch mögen, wenn man nicht hübsch ist. Auch wenn es gerade nicht so toll läuft. Ja, das ist ja auch die Erfahrung derer, die den Job verloren haben, dass sie sagen Da erst habe ich erkannt, wer meine wirklichen Freunde sind. Ja, diejenigen, mit denen ich immer dann zum Golfclub gefahren bin. Und ich konnte nicht mehr, weil es mir nicht leisten kann, dass dann einer trotzdem angerufen hat und sich mit mir dann woanders getroffen hat. Also dass jemand sich in meinem Freundeskreis befindet, der einfach zu mir steht, egal wie es mir geht. Es gibt diese Menschen. Die Frage ist nur Und wäre Ostern nicht ein schönes Fest, den Mann anzurufen und sozusagen den verlorenen Freund einfach mal wieder im Garten seines Lebens zu entdecken und zu sagen Du, ich wollte dir mal sagen, es gibt mich noch und sollen wir uns nicht mal treffen? Ich komme mal zu dir. Dass man auch diese komische, vorbeifahrende Philosophie beendet. Ich besuche ich, wenn ich an dir vorbeifahre, zu einem wichtigeren Termin, Denn du bist mir nicht so wichtig, dass ich wegen dir mich in den Zug setze. Also solche Sachen. Wir. Wir haben diese Möglichkeiten, als Mensch österlich zu leben und eher von der Auferstehung zu leben, die wir im Leben erfahren haben und diesen Erfahrungen als ständig dieses Gerede darüber, das Leben sei schlecht. Nein. Also im 99 98 % der Fälle ist das Leben erst einmal ein Leben, wie es mir gegeben ist und es ist meine Aufgabe und ich kann immer neu wieder justieren. Gestalte ich es so, wie es meinem Vermögen entspricht, das in meinem Herzen ist. Und da kann das Gespräch mit einem guten Freund auch mal dazu helfen, dass der einem sagt Hey, du für dich gerade, geh mal lieber in eine andere Richtung.

00:26:30: Florian Harms: Bruder Paulus, wenn ich das so höre, dann geht es mir so richtig gut und das ist ein toller Abschluss von unserem Podcast, an dessen Ende wir jetzt angekommen sind für dieses Osterwochenende. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen für alles, was Sie erzählt haben,

00:26:43: Bruder Paulus: Sehr gerne und Ihnen ein gesegnetes Osterfest in all Ihren Zuhörern.

00:26:47: Florian Harms: Herzlichen Dank! Das wünschen wir Ihnen auch. Bei Michaela Fischer bedanke ich mich für die Vorbereitung und bei Arno Wölk für die Produktion dieses Podcasts. Wenn Ihnen unser Gespräch gefallen hat, liebe Hörerinnen und Hörer, dann abonnieren Sie diesen Tagesanbruch Podcast gern zum Beispiel auf Spotify oder eine Apple App. Es gibt es an vielen Stellen. Wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben, schreiben Sie uns eine Email an Podcast t-online.de. Ich hoffe, dass wir mit diesem Gespräch ein wenig Leichtigkeit in Ihre Feiertage bringen konnten. Und nun wünsche auch ich Ihnen ein frohes Osterfest. Ich bedanke mich herzlich fürs Zuhören und werde jetzt wohl noch mal in den Garten gehen, um nachzusehen, ob die Kinder irgendein Versteck übersehen haben, dessen Schatz ich mir dann selbst einverleiben kann. In diesem Sinne Tschüss und bleiben Sie uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: podcasts@t-online.de

Den Tagesanbruch gibt es auch zum Nachlesen unter https://www.t-online.de/tagesanbruch

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von und mit Florian Harms

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