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00:00:02: Jean-Claude Juncker: So muss man mit Trump umgehen. Er braucht Widerspruch, wenn er etwas sagt, was nicht stimmt. Mir ist aufgefallen in meinen Gesprächen und Verhandlungen mit Trump, dass auch seine eigene Delegation ihm sehr oft widerspricht. Das habe ich so noch nie erlebt.
00:00:21: Lisa Raphael: Hallo zu einer neuen Folge von Tagesanbruch Die Diskussion dem wöchentlichen Podcast von t-online, diesmal für das Wochenende vom 1. März 2025. Ich bin Lisa. Raphael führe durch das Gespräch und wir sprechen heute mit dem ehemaligen Kommissionspräsidenten der EU, Jean Claude Juncker. Er kennt die großen Machtspiele der Weltpolitik und hat selbst mit Donald Trump verhandelt. Wie überzeugt man den US-Präsidenten von einem Deal? Und wo steht Europa jetzt? Nach Emmanuel Macrons Besuch in Washington? Ist der französische Präsident derjenige, der Trump in Schach halten kann?
00:01:01: Lisa Raphael: Und für die Diskussion begrüße ich Jean Claude Juncker. Er war von 2014 bis 2018 Kommissionspräsident der Europäischen Union. Davor fast 20 Jahre Premierminister in Luxemburg und ist uns jetzt aus Brüssel zugeschaltet. Hallo Herr Juncker, und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen.
00:01:17: Jean-Claude Juncker: Hallo!
00:01:18: Lisa Raphael: Und außerdem begrüße ich den Chefredakteur von t-online, Florian Harms.
00:01:22: Florian Harms: Hallo, ich freue mich auf die Diskussion.
00:01:24: Lisa Raphael: Ja, der französische Präsident Emmanuel Macron war diese Woche bei Donald Trump in Washington, um weitere Schritte in Richtung Frieden in der Ukraine zu besprechen. Da gab es eine Szene, wo es um die finanziellen Hilfen für die Ukraine aus Europa ging. Und da ist Macron Trump ins Wort gefallen, hat seine Falschaussage vor laufender Kamera korrigiert. Herr Juncker, ist das der richtige Umgang? Muss man so mit Donald Trump umgehen?
00:01:50: Jean-Claude Juncker: Ich habe die Szene, auf die Sie aufmerksam machen, nicht gesehen. Ich weiß nicht, was die beiden sich da gegenseitig an den Kopf geworfen haben. Aber so muss man mit Trump umgehen. Er braucht Widerspruch, wenn er etwas sagt, was nicht stimmt. Das heißt, man muss ihm oft widersprechen, aber man muss ihm mit Respekt begegnen. Er ist der gewählte Präsident der Amerikaner. Die Amerikaner haben nicht einen amerikanischen Präsidenten gewählt, der den Europäern besonders gut gefiel, sondern ihren eigenen Präsidenten. Und das nicht mit europäischen Augen auf den gewählten Präsidenten der USA blicken. Man muss ihm mit offenem Visier entgegentreten und sich nicht ducken. Man muss zeigen, dass man eigene Überzeugungen hat, eigenes Wissen hat, das man auch anbringen muss. Falls er von dem allgemeinen Wissen abrutscht und das vorträgt, was ihm ins Konzept passt. Also so, wie Macron es gemacht hat, ist das richtig.
00:02:52: Lisa Raphael: Ja, genau. Macron hat genau eine Falschaussage Aussage korrigiert. Es ging darum, dass Herr Trump wieder angebracht hat, dass die USA ja so viel Geld in die Ukraine schickt und es nur deswegen eigentlich durchhält im Krieg. Und die Europäer würden ja das komplette Geld, das sie in die Ukraine investieren, zurückbekommen. Und da hat Macron halt gesagt na ja, die 60 % an Hilfen, die haben wir komplett übernommen. Also das eine Zahlung, das kriegen wir ja nicht zurück.
00:03:19: Jean-Claude Juncker: So ist es.
00:03:20: Lisa Raphael: Genau. Also würden Sie sagen, man muss ihm auch schon widersprechen? Trump hat aber auch manchmal so Stimmungsschwankungen. Kann man die irgendwie ausnutzen, um bessere Verhandlungen mit ihm zu erzielen?
00:03:32: Jean-Claude Juncker: Ja, man muss sie auffangen oder sie sich selbst weiterentwickeln lassen. Er verträgt im Übrigen auch Widerspruch. Mir ist aufgefallen in meinen Gesprächen und Verhandeln mit Trump, dass auch seine eigene Delegation ihm sehr oft widerspricht. Das habe ich so noch nie erlebt. Der erste amerikanische Präsident, mit dem ich zu tun hatte, war Bill Clinton. 1995 dann Bush, dann Obama. Da hat niemand aus der Delegation es gewagt, dem Präsidenten offen zu widersprechen. Bei Trump war das möglich, und das zeigt ja, dass er Widerspruch erträgt. Und man muss auch Widerspruch anbringen, wenn es notwendig ist.
00:04:14: Lisa Raphael: Erzählen Sie doch mal damals, als Sie den Deal mit Trump gemacht haben. Das war 2018, in der ersten Amtszeit von Donald Trump. Und er hat der EU mit Strafzöllen gedroht. Wie haben Sie da geschafft, dass er diese Drohung erlässt?
00:04:30: Jean-Claude Juncker: Ja, ich habe ihm vor Augen geführt, dass er manchmal auf der Basis falsch über These argumentiert. Wahr ist, sofern der Warenaustausch betroffen ist, dass die Europäer eine positive Handelsbilanz vorzeigen können. Rechnet man aber zu dem gesamten Austauschvolumen Finanzdienstleistungen hinzu. Tun sie das, Bildet anders aus, dann ist Amerika eigentlich the winning Partner. Bei Trump muss man wissen, dass es wenig Sinn macht, sich mit ihm in den Irrungen und Wirrungen der Verträge und der getroffenen Abmachungen, die er kaum kennt, zu bewegen. Er ist ein Geschäftsmann an viel mehr. Er redet auch nie von Agreement, das man mit ihm haben könnte, sondern er redet immer vom Deal. Dann muss man sich also auch wie der andere Dealmaker benehmen und dann auch tough in der Sache argumentieren und die Karten, die man hat, nicht im Ärmel verstecken, sondern auf den Tisch knalle. Und das geht gut, wenn man das richtig macht. Und so habe ich das auch gemacht. Und er hat mir immer gesagt, schon in Vorgesprächen nicht mit ihm hatte. Deine Zahlen sind falsch. Und als ich dann in Washington war, habe ich dasselbe Zahlenwerk noch einmal vorgetragen und habe ihm dann gesagt meine Zahlen müssen richtig sind, weil das sind ja deine Zahlen. Das sind die Zahlen des Statistischen Amtes der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich lüge ja nicht, wenn ich amerikanisches Zahlenmaterial vortrage.
00:06:04: Lisa Raphael: Ja, also darf man auch nicht Angst haben, ihm da zu widersprechen. Und man muss gut vorbereitet sein.
00:06:12: Jean-Claude Juncker: Man muss vorbereitet sein, man muss sich Millimeter genau auskennen in amerikanischen Belangen. Und man muss wissen, wie die innenpolitische Diskussion in den Staaten verläuft. Man muss wissen, wie unterschiedlich die Positionen der verschiedenen Staaten der Vereinigten Staaten von Amerika sind. Das wusste ich, als ich da auftrat, und wusste das schon vorher, weil, als er Handelstarife gegen Europa verhängt hat, haben wir reagiert, in dem wir auch in der in der Gegenbewegung auch Tarife auf amerikanischen Produkten verhängt und mitgeteilt haben. Ich wusste sehr genau, in welchen republikanisch geführten Staaten Produkte zu finden sind, die, falls man sie mit Tarifen belegt, den Amerikanern wehtun und in der innenpolitischen Debatte relevant sind. Und deshalb Tarife auf Blue Jeans, auf Whisky, auf Harley Davidson. Und das tut ihm weh, weil er dann Krach kriegte mit den republikanischen Gouverneuren dieser Staaten. Und so muss man also immer Punkt für Punkt Antworten parat haben, die so sind, falls man sie durchsetzt. Dass sie seine innenpolitische Problematik verstärken. Deshalb habe ich ihm beispielsweise auch angeboten, dass wir in verstärktem Maße Sojabohnen aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Europa importieren würden. Ich habe nicht gesagt, dass wir Cowboy Scheuer wollen in Europa produzieren, und es ist deshalb sehr leicht damit tun, zusätzliche Importe zu veranlassen. Dabei kann die Kommission überhaupt den Marktteilnehmern nicht vorschreiben, welche Sojabohnen sie nach Europa importieren. Aber er hat das gemacht, weil er Probleme mit den Farmern in den Staaten gekriegt hatte, weil die Chinesen zeitgleich die Sojaimporte aus den USA stark eingeschränkt haben. Er brauchte also Dealmaker, etwas, was er den Farmern als Erfolg verkaufen konnte. Das hat er dann auch inbrünstig getan.
00:08:26: Lisa Raphael: Spannend. Florian, wie fandest du denn Macrons Auftreten diese Woche? Meinst du, er ist der einzige europäische Machthaber, der Trump so in Schach halten kann? Hat er das gut gemacht?
00:08:38: Florian Harms: Also mir hat das imponiert, wie er dort aufgetreten ist. Auch, dass er Trump widersprochen hat. Ich glaube gleichwohl, dass er nicht der Einzige ist, der das kann. Frau Meloni hat ja auch den Anspruch, dass sie bei Trump landen kann und dass sie ihm auch etwas abringen kann. Auch von Friedrich Merz wird sicherlich einiges zu erwarten sein. Es ist ja nicht so, dass wir uns in Europa verstecken müssten. Wir können schon mit einem gewissen Selbstbewusstsein auch diesem neuen, häufig erratisch wirkenden Präsidenten entgegentreten. Und ich denke, das, was Jean Claude Juncker gerade beschrieben hat, ist der richtige Angang. Dass man nämlich nicht Trump dämonisiert, weil dann macht man ihn größer als er ist, sondern dass man versucht, pragmatisch mit ihm umzugehen, seine Stärken zu kennen, aber auch seine Schwächen zu kennen und dann das Beste für sich selbst herauszuholen. Darauf wird es ankommen, auch für die europäischen Staaten in den nächsten Monaten und Jahren.
00:09:30: Lisa Raphael: Herr Juncker, wie schätzen Sie das ein? Ist Macron der einzige in Europa, der mit Trump umgehen kann, oder gibt es da auch andere?
00:09:36: Jean-Claude Juncker: Also die Franzosen geben gerne den Eindruck, als ob sie die einzigen wären, die wüssten wie man international auftritt und ihnen das in der Ferne. Die anderen europäischen Regierungschefs sind ja keine Zwerge und Macron ist auch kein Riese. Insofern hat mich das nicht gewundert. Und andere tun das auch.
00:09:57: Lisa Raphael: Und es ist jetzt auch ein Unterschied von Trump, denn bei seiner ersten Amtszeit war er ja nicht so gut vorbereitet. Jetzt ist das anders. Was macht es denn dafür einen Unterschied jetzt in seinem Auftreten?
00:10:10: Jean-Claude Juncker: Ich habe ja nicht mit ihm geredet. In letzter Zeit jedenfalls nicht, seit er wieder im Weißen Haus eingezogen ist. Er scheint besser vorbereitet zu sein, weil bei seinem ersten Amtsantritt war er null vorbereitet, wusste nicht richtig, was Europa ist, wie die europäischen Institutionen funktionieren, was Kommission ist, was Rat ist. Präsident Tusk, Präsident des Europäischen Rates, hat nach seiner Wahl 2016 mit ihm telefoniert. Und er hat gedacht, er hätte mich am Apparat. Das hat mich nicht gestört. Tusk auch nicht. Der hat so getan, als ob das okay wäre. Das heißt, ihm zu erklären, dass es in Europa zwei Präsidenten gibt und nicht nur einen wie in den USA, ist mühselig. Ich habe ihm das dann in geduldigen Schritten nahegelegt, beigebracht, wenn ich mich so ausdrücken darf in den Jahren danach. Und jetzt scheint er besser vorbereitet zu sein, was gut ist, was aber auch schlecht ist, weil wenn man sieht, was er seit wieder Amtsantritt alles von der Leine gelassen hat, scheint er mir manchmal zu gut vorbereitet zu sein, aber die falschen Schlussfolgerungen aus seinem erworbenen Wissen gezogen zu haben.
00:11:28: Florian Harms: Ja, den Eindruck teile ich. Und man hat ja den Eindruck, das ist jetzt eine regelrechte Agenda, also das, was dort vorbereitet worden ist, das entspricht in Teilen sogar einer Ideologie, so muss man es wohl nennen, die diese MAGA-Bewegung Make America great again vor sich her trägt, die auch gespeist wird durch strategische Papiere aus Think Tanks. Dieser, darüber haben wir hier im Podcast auch schon gesprochen mit anderen Gästen. Und das macht es, glaube ich auch so riskant und so gefährlich. Also wenn ich das mal beschreiben mag, was bei uns im Newsroom gegenwärtig los ist bei uns Journalisten. Wenn wir morgens aufwachen, dann ist jeden Morgen vor uns eine neue Newslage da. Man guckt als erstes auf das Smartphone. Was hat er wieder gesagt, während man ein paar Stunden geschlafen hat? Und dann ist es eben wieder so, dass eine oder zwei oder drei von Donald Trumps Entscheidungen oder auch einfach nur Bekundungen die Welt erschüttert haben. Und überall wird dann darauf reagiert und man fragt sich Was bedeutet das jetzt? Meint er das wirklich so ernst? Was könnte daraus folgen? Wer ist davon betroffen? Und alle laufen aufgeregt umeinander und tanzen quasi nach seiner Pfeife. Ich glaube, dass das auch ein Stück weit seine Strategie ist. Und deshalb wird es umso mehr darauf ankommen, dass man sich eben nicht verrückt machen lässt. Dass man natürlich das ernst nimmt, was er sagt. Man kann das nicht einfach abtun. Aber dass man auch immer schaut, was ist genau der Grund dahinter? Warum sagt er das jetzt? Was will er damit bezwecken? Welche anderen Interessen sind damit möglicherweise auch noch abgedeckt? Wer ist damit noch verbunden und wer in seiner Administration, in seinem Team ist möglicherweise auch zugänglich, dass man mit denen reden kann, um dann eben, wie es Jean Claude Juncker gerade gesagt hat, einen Deal zu machen, für den am Ende dann Trump sich brüsten kann.
00:13:14: Jean-Claude Juncker: Ja, der Vorteil von Trump ist, dass er weiß, dass wenn er redet, wir schlafen. Insofern haben wir immer einen Rückstand von vier, fünf Stunden, um zu reagieren. Ich bin prinzipiell der Meinung, dass man auch nicht auf alles reagieren sollte, was Trump sagt, wenn wir alles Kommentieren würden, was die politischen Führer der Welt sagen, dann wären wir voll umfänglich tagesfüllend beschäftigt. Also sollte man nicht auf jeden Punkt springen, den Trump vorträgt. Im Übrigen ändert er seine Meinung ja auch öfters und auch wenn man ihm sagt das ist nicht so, wie du das sagst, das beeindruckt ihn nicht massiv im Gespräch, wo man ihm sagt, das ist nicht so, wiederholt er wieder das, was er gesagt hat, was man ihm aber mit Argumenten und mit Zahlen widerlegt. Insofern ist er eher ein Gesprächspartner, der einen Handel machen wollte und will als jemand, dem es auf Präzision ankäme. Er ist nie sehr präzise, sondern immer ein bisschen verschwurbelt. Wenn man das weiß, dann kommt man damit klar. Dann ist man unaufgeregt, wenn man ihnen gegenübersitzt.
00:14:36: Lisa Raphael: Also einen kühlen Kopf bewahren.
00:14:37: Jean-Claude Juncker: Außerdem hat er auch Humor und macht Einwürfe, von denen man nicht versteht, wieso er sie macht. Zum Beispiel. Ich erinnere mich jetzt daran, als ich bei ihm im Oval Office saß. 2018, im Juli, glaube ich, war das habe ich gesagt, Ich muss jetzt weg. Wir müssen uns jetzt beeilen. Wir müssen zum Punkt kommen. Dann sagt er Ja, dein Flugzeug kann ja warten. Ja, ich hab aber kein Flugzeug. Ich fliege wieder nach Linienmaschine. Das wollte er mir nicht glauben, weil er dachte, das wäre ein Trick, den ich da anwenden würde. Er dachte, der Präsident der Kommission hat auch eine Air Force One. Und dann bringt er Elemente auch in seinen Wahlkampf ein, die für Eingeweihte nicht sehr neu sind. Dieser Spruch Make America great again war die Hauptwahlaussage von Ronald Reagan, als er zum Ersten Mal für das Präsidentenamt kandidiert. Es gibt lange Linien in der amerikanischen Politik. Man muss sie kennen.
00:15:42: Lisa Raphael: Sehr spannende Geschichten. Man muss auf jeden Fall bei Trumps Aussagen ein bisschen abwägen, sich nicht zu heiß machen, ein bisschen kühlen Kopf bewahren. Andererseits, das, was du Florian, geschildert hast, zeigt ja auch, dass das Interesse, wenn Trump etwas entscheidet, wieder groß ist. Also das politische Interesse auch.
00:15:59: Florian Harms: Ja er ist der mächtigste Mann der Welt. Sein Wort kann Kriege entscheiden.
00:16:03: Lisa Raphael: Ja, und da kommen wir zum nächsten Punkt, auf den ich noch eingehen wollte. Apropos Kriege, Ukrainekrieg. Da passiert ja aktuell sehr viel in Richtung eines möglichen Friedens Deals zwischen Putin und Silence, wo Trump sehr hart daran arbeitet. Und er hat ja auch Europa gewarnt. Na ja, wenn es denn dazu kommt. Und wenn es einen Waffenstillstand gäbe, dann wärt ihr Europäer selbst dafür verantwortlich, diesen abzusichern. Herr Juncker, hat denn diese Eigenverantwortung, die Trump jetzt den Europäern abverlangt, auch etwas Gutes. Müssen wir nicht Abschied nehmen von diesem naiven Denken, die Amerikaner würden uns schon helfen?
00:16:39: Jean-Claude Juncker: Ich glaube, dass wir schon mehrere Jahre nicht mehr daran geglaubt haben, dass die Amerikaner in allen Fällen einspringen würden, wo Europas Sicherheit bedroht wäre. Aber jetzt hat sich die Tonlage geändert. Trump trägt jetzt offen vor, was frühere amerikanische Präsidenten auch einem zugeflüstert haben, wenn man mit ihnen über transatlantische Verhältnisse redet. Aber wahr ist, dass die Europäer ihre Verteidigungsanstrengungen nach oben korrigieren müssen. Das müssen wir nicht nur tun, um Trump zu gefallen. Das müssen wir auch aus Eigeninteresse heraus so angehen. Und die europäischen Verteidigungshaushalte sind zu mickrig, um als ernsthafter Faktor in der Welt ernst genommen zu werden. Die europäischen Verteidigungsanstrengungen sind dabei, auch nach oben erweitert zu werden. Da braucht es nicht diesen Dauer Zuruf aus Vorstellung, dass wir dies tun sollten. Wir tun das in früheren Jahren. Vor Jahrzehnten wurden die Amerikaner immer nervös, wenn wir davon redeten, dass der europäische Pfeiler der NATO verstärkt werden müsste, weil sie es doch damals mochten, dass sie die alleinigen Entscheider in der NATO wären. Jetzt fordern sie, dass die Europäer ihre Verteidigungsanstrengungen verstärken. Und das müssen wir auch tun. Das haben wir in den letzten Jahren unterlassen. Haben wir das unterlassen? Nein, wir haben es nicht gemacht, weil hätten wir unsere Verteidigungsanstrengungen 2006, 2007, 2008 massiv angehoben, dann wären wir doch mit den Hunden von den Plätzen verjagt worden, weil die europäischen Bürger die öffentliche Meinung in Europa, die waren immer noch wie ich auch in der Atmosphäre der Friedensdividende. Ich habe wirklich gedacht, ab Anfang der 90er Jahre, dass eine bessere Zukunft auch für Europa hereingebrochen wäre, weil wir das Verhältnis zu Moskau fast freundschaftlich organisiert hatten. Hätten wir 2007, 2008, Frau Merkel, ich, andere gesagt, wir trauen den Russen jetzt nicht mehr. Wir müssen davon ausgehen, dass die Russen Nachbarländer angreifen, und deshalb müssen wir die Verteidigungsanstrengungen verstärken. Das hat überhaupt keine Zustimmung in den öffentlichen Verwaltungen Europas gefunden. Es ist wohl fein, jetzt, nachdem in der Ukraine passiert ist, was passiert ist, zu sagen, wir wären naiv gewesen, Aber wären wir damals zu harsch im Umgang mit Moskau aufgetreten, Dann wären wir massiv kritisiert worden. Dann hätten wir genau die Massendemonstrationen wieder gehabt, die wir schon während der Zeit des Nato-Doppelbeschlusses überall in Europa beobachten konnten.
00:19:40: Lisa Raphael: Ja, aber nicht 2008 hätten wir diesen Schritt wagen sollen, sondern 2014, als Putin ja schon mal ein Völkerrecht gesprochen hat...
00:19:50: Jean-Claude Juncker: Ja, das ist wahr. Wir haben ja auch, das weiß niemand mehr, Sanktionen gegen Russland erlassen nach der Eingliederung, Besetzung der Krim. Und es ist nicht so, dass wir das reaktionslos und stillschweigend hingenommen hätten. Das ist nicht wahr.
00:20:06: Lisa Raphael: Aber in Bezug auf die Verteidigungsfähigkeit Europas wurde wahrscheinlich nicht genug gemacht.
00:20:11: Jean-Claude Juncker: Das wurde nicht genug gemacht, aber es wurde mehr gemacht als vorher. Nach dem Krimüberfall wurden überall in Europa die Verteidigungsanstrengungen verstärkt. Nicht in dem Maße, das nur zögerlich gewesen wäre, um Putin von seinem Angriff auf die Ukraine abzuhalten. Aber überall würden, nachdem sie jahrelang reduziert worden waren, die Verteidigungsausgaben verstärkt nach 2014.
00:20:38: Florian Harms: Ich finde, Jean Claude Juncker spricht ja einen wichtigen Punkt an, denn viele, auch in der deutschen Bevölkerung und erst recht wir Journalisten neigen häufig dazu, politisch Handelnde hart zu kritisieren und ihnen vorzuwerfen, sie hätten alles Mögliche versäumt. Also sie haben versäumt, rechtzeitig das Land auf die Klimakrise einzustellen. Und wir haben es eben auch versäumt. Oder sie haben es versäumt, rechtzeitig die Bundeswehr wieder so instand zu setzen, dass sie in der Lage ist, das Land zu verteidigen. Das ist sicher richtig. Aber was man dabei häufig nicht sagt und leider auch vergisst, dass natürlich Politiker nicht in einem luftleeren Raum handeln, sondern sie müssen ihr Handeln immer ableiten aus gesellschaftlichen Stimmungen und gesellschaftlicher Zustimmung. Denn sie sind ja legitimiert durch Wahlen. Sie müssen sich in regelmäßigen Abständen diesen Wahlen stellen. Und wenn die Mehrheit der Bevölkerung ganz anders unterwegs ist und eben, wie gerade gehört, noch von einer Friedensdividende ausgeht. Und ich erinnere mich ja, wie sicherlich auch viele Hörerinnen und Hörer an diese Stimmung in Deutschland noch vor zehn Jahren. Das war ganz anders. Da ging man davon aus, dass selbstverständlich jetzt auf Jahrzehnte hinaus in Europa weitgehend Frieden herrsche und uns in Deutschland in unserem Wohlstands Biotop nichts wirklich erschüttern könne. Der erste große Schock war dann die Pandemie. Der zweite war Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, wo wirklich alle Gewissheiten hinweggefegt wurden. Und jetzt sind wir immer noch dabei, uns darauf einzustellen. Und natürlich muss die Politik viel mehr machen. Aber wir als Gesellschaft müssen eben auch anerkennen, wir müssen diese Entscheidungen mittragen. Und wenn die neue Bundesregierung jetzt sehr viel mehr Geld bereitstellen Stellen muss. Weil es nicht anders geht für die Bundeswehr. Deren Rede stehen gegenwärtig noch mal 200 Milliarden Euro, vielleicht sogar dann noch mal was drauf. Dann müssen wir das als Gesellschaft wollen und mittragen, sonst ist das dauerhaft nicht möglich.
00:22:33: Lisa Raphael: Demgegenüber steht aber auch eine harte Wirtschaftskrise in Deutschland und viele Menschen bangen hier eben auch um ihre Jobs und die Schulen. Die Kitas sind nicht saniert, es nicht, gibt genug Fachkräfte.
00:22:46: Florian Harms: Es ist eine Frage der Abwägung. Das stimmt schon. Das muss man abwägen. Und das macht es so bitter, weil das dann natürlich auch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unterschiedlich betrifft. Aber ich sage es gerne mal deutlich ohne Sicherheit um Leib und Leben ist alles andere nichts.
00:23:01: Jean-Claude Juncker: Dem kann ich nur zustimmen. Wenn jemand weise Worte spricht, bin ich immer dabei, um ihn nachzuahmen. Das tue ich gerne. Nun, man muss wissen, was Deutschland anbelangt. Dass wir es mit mehrfachen multiplen Polykrisen zu tun haben. Das deutsche Wirtschaftsmodell wird erschöpft. Es gab billige Energie aus Russland. Es gab eine Hin und Zuwanderung zu China, um deutsche Spitzenprodukte nach China zu exportieren. Die beiden Wohlstands erklärenden Faktoren, die gibt es nicht mehr. Und dann kommt der Krieg in der Ukraine hinzu und es kommt auch eine sehr orthodoxe deutsche Finanzpolitik, die ich begrüße. Erschwerend dazu, wenn es um die Aufzählung der Schwierigkeiten machenden Faktoren kommt Die deutsche Infrastruktur ist ja, um es freundlich auszudrücken, unterentwickelt. Was sehr erstaunlich ist eigentlich, wenn man von außen auf Deutschland blickt. Mir war das immer schon klar, also nicht immer schon, aber seit einigen Jahren klar. Weil ich die infrastrukturellen Mängel in Deutschland sehr gut verorten konnte. Und das hatte mit einer sehr restriktiven Haushaltspolitik zu tun, die ich im Prinzip begrüße. Wenn Deutschland sich auch in die zu lange Reihe der europäischen Schuldenländer einreihen würde. Dann stünde es um den Euro weniger gut, als es um den Euro zurzeit steht. Der Euro ist ja, auch wenn ich das als früher Eurogruppen-Oberbufti hier anfügen darf, auch ein Stabilitätsfaktor. Stellen Sie sich mal eine Sekunde lang vor, es gäbe noch 27 nationale Währungen, 27 nationale Zentralbanken. In diesem Moment des geschichtlichen Wachses sind Werdens in Europa. Wir wären doch total zerstritten. Die Deutsche Mark würde sich abheben von den anderen europäischen Währungen, jetzt weniger nach Russland und nach denn den Chinaexperimenten als früher. Das heißt, wir hatten eine währungspolitische Tutti Frutti in Europa. Das wir Gott sei Dank nichts haben, weil als die disziplinierende Wirkung des Euros gibt, weil die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht mehr nach Gutdünken auf und abwerten können, sondern sie an eine gemeinsame Regel halten müssen, weil die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank von allen strikt oder mehr oder weniger respektiert wird. Auch wenn sie sie nicht respektieren, können sie sie nicht zum Einbruch bringen. Also manchmal denke ich mir ja, wir hätten in Europa vieles falsch gemacht, aber was wir richtig gemacht haben, ist, dass wir eine europäische Einheitswährung in die Welt gesetzt haben. Der Euro ist Friedenspolitik, innereuropäische Friedenspolitik mit anderen Mitteln. Und das haben die Amerikaner uns ja nicht abgekauft, außer uns auf den Weg machen. Ich habe als junger Finanzminister 1991 die Regierungskonferenz zur Einführung der Währungsunion, das heißt das Maastrichter Vertrages, anbelangt, dann bin ich 95 zu Clinton gereist. Und dann hat er mich gefragt Was gibt es denn so in Europa aus Europa zu berichten? Und habe ich dann stolz wie Oskar davon berichtet, wie wir uns auf die einheitliche Währung vorbereiten würden? Das ist doch nicht das europäische Problem, das passiert. Das wird nie passieren. Ich wollte wissen, wie es in Europa in Sachen Türkei Beitritt zur Europäischen Union steht. Das hat damals die Amerikaner interessiert umgetrieben. Und den Euro als politisches Ziel. Haben Sie eigentlich in den Bereich romantischer Sehnsüchte eingereiht? Ich kann mich erinnern, dass ich ein Gespräch mit dem damaligen amerikanischen Finanzminister - Rubin hieß der gute Mann – hatte. Und der hat auch mit mir über Europa geredet hat. Da habe ich wieder meine Euro-Oper mit heller Stimme vorgetragen hat. Nein, nein, nein. Das interessiert mich nicht. Das wird nie passieren. Zwei Jahre später war ich wieder in Washington. Und dann kriegte ich einen Telefonanruf im Hotel des amerikanischen Finanzministeriums. Der Finanzminister möchte Sie morgen früh um 9:00 sehen, um über den Euro zu reden. Habe ich stolz geantwortet: Ich habe aber morgen früh um 9:00 keine Zeit. Dann habe ich ihn abends um 11:00 gesehen. Ich kam mir als Luxemburger noch fast nie so groß vor wie in dem Moment, wo ich den Termin mit dem amerikanischen Finanzminister, nicht dem Terminwünschen nicht nachgekommen bin. Also. Auch damals schon hatten die Amerikaner, das waren demokratische Regierungen auf Europa, einen Blick, der nicht zutraf, sondern geblieben in ihrem alten Modell. Die Europäer sind zu schwach, um Großes bewerkstelligen zu können. Und wenn ich mit den Amerikanern erzähle, ist diese Anekdote immer wieder.
00:28:15: Lisa Raphael: Sehr spannende Anekdoten. Sie haben da auch gerade die orthodoxe Finanzpolitik Deutschlands angesprochen. Aktuell wird auch wieder diskutiert, die Schuldenbremse zu lockern, die ja in unserem Grundgesetz verankert ist. Oder auch ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr von bis zu 200 Milliarden Euro ist im Gespräch. Herr Juncker, wie stehen Sie dazu? Wie viel Geld bräuchte es denn für Deutschland, für eine bessere Verteidigung?
00:28:41: Jean-Claude Juncker: Also ich mische mich in diese kontroverse innerdeutsche Debatte nicht ein. Wer bin ich? Wer wäre ich denn, dass ich jetzt von außen her der deutschen Politik durch gute Ratschläge auf die Nerven gehen könnte? Ich habe diese Woche mit Friedrich Merz telefoniert, und ich habe auch das Thema Schuldenbremse ausgespart, weil ich ja weiß, wie kontrovers diese Frage in Deutschland. Debattiert wird Aber dass die Bundeswehr mehr Geld braucht wie andere Armeen in Europa auch, steht außer Frage. Und da wäre ich schon der Meinung, dass man das nicht im deutschen Schulterlang regeln sollte, sondern das man Europäische online aufnehmen müsste, um der finanziellen Herausforderung gerecht werden zu können. Aber das ist doch ein langer Weg. Und die deutsche Politik war nie sehr begeistert von der Idee, dass man Eurobonds einführen soll, sich das 2009 vorgeschlagen habe in der Times einen Artikel gemeinsam mit dem italienischen Finanzminister Tremonti publiziert, wo wir für Eurobonds uns aussprachen. Das hat jedes Mal, wenn ich nach Deutschland reise, zu Massenprügeleien geführt, weil in Deutschland niemand etwas davon hören wollte. Frau Merkel hat dann auch nie etwas davon hören, wollte aber zugestimmt, dass Bonn in der Folge der Krise europäische Anleihen aufnahm. Auch die Deutschen ändern manchmal.
00:30:12: Florian Harms: Manchmal ändern die Deutschen ihre Meinung. Aber es braucht.
00:30:15: Jean-Claude Juncker: Manchmal immer, manchmal, immer öfter.
00:30:16: Florian Harms: Immer öfter. Es braucht große Erschütterungen dafür, wie zum Beispiel diese Pandemie. Und jetzt ist ja die Erschütterung nicht nur durch den Krieg in der Ukraine, sondern auch durch die Erkenntnis, dass man sich möglicherweise nicht mehr hundertprozentig auf den amerikanischen militärischen Schutzschild verlassen kann, so tief, dass man auch hierzulande jetzt zu unorthodoxen Methoden eher vielleicht bereit ist. Zumindest ist es das, was ich höre. Lisa, wenn man sich jetzt umhört im politischen Berlin, auch rund um die Regierungsbildung, die ja jetzt angebahnt wird zwischen CDU, CSU und SPD, das ist noch nichts, wo man sagen kann So kommt es. Aber es gibt unterschiedlich große Bereitschaft, größere als bislang wirklich neue Wege zu gehen und eben nicht Nationale Wege allein also nicht nur zu sagen, die Bundeswehr braucht jetzt 200 Milliarden € mehr aus dem deutschen Haushalt oder durch ein einmaliges neues Schuldvermögen, sondern man braucht auch stärkere europäische Strukturen bei der Verteidigung, zumindest mal im Beschaffungswesen, dass man eben nicht fünf unterschiedliche Panzer bestellt und sechs unterschiedliche Geschütze, sondern dass man das einheitlich macht. Noch gibt es große Skepsis dagegen, eine gemeinsame europäische Armee aufzustellen. Aber wer weiß. Die Erschütterung ist jetzt so tief, dass, glaube ich, auch über so etwas gesprochen wird. Und insofern kann man eigentlich sagen haben so schlimme Krisen, wie wir sie gegenwärtig erleben, dann doch ein kleines bisschen was Gutes, weil man bereit ist, neu Wege zu gehen.
00:31:48: Jean-Claude Juncker: Dem ist so. Ich habe 2015 in meinem jugendlichen Leichtsinn das war aber kein Leichtsinn dafür plädiert, dass wir eine europäische Armee auf die Beine stellen. Das hat nicht ungeteilten Zuspruch gefunden. Im Übrigen ein, dass es im deutschen Wahlkampf eine Partei gab, die strikt gegen die Erhöhung der Verteidigungsausgaben in Deutschland oder überhaupt in Europa war wird. Die Partei hat 4,97 % der Stimmen erreicht (BSW). Bleibt also dem neuen Bundestag erspart, dass diese Stimmen sich auch parlamentarisch Luft verschaffen. Und weil sie vom Beschaffungswesen reden. Das ist wohl wahr. Die wenigsten Europäer wissen, dass es in Europa 174 verschiedene Waffengattungen gibt, während in den Staaten in den Vereinigten Staaten genau 34 gibt. Es gibt in Europa über zehn Panzertypen, In den Vereinigten Staaten gibt es einen. Das Beschaffungswesen in Europa gewönne an Leichtigkeit und an Vernunft, wenn das Beschaffungswesen in europäische Hände oder wenigstens mit in europäische Hände gelegt wird. Wenn wir das Beschaffungswesen in Europa etwas vernünftiger gestalten würden, also weniger Waffentypen, weniger Panzertypen, weniger Hubschraubertypen. Dann könnten wir 100 Milliarden Euro pro Jahr einsparen, auch Gesamteuropa bezogen. Also man kann auch im militärischen Bereich Geld einsparen, wenn man das Richtige und Vernünftige tut. Und auf den Bundeswehrhaushalt zurückkommend, scheint es mir so zu sein, dass man aus dem Bundeshaushalt keine 200 Milliarden herausbrechen kann. Das wird nicht gehen. Es sei denn, man hänge alle anderen, auch wichtigen Politiker nach unten und man verzichte darauf, Infrastrukturverbesserungen in Deutschland, die dringend geboten sind, vorzunehmen. Also muss man das Geld auf anderen Wegen. Organisieren und ich gehe davon aus, dass dem auch so sein wird.
00:34:07: Lisa Raphael: Und diese europäischen Anleihen, die sie angesprochen hat. Was spricht denn da dagegen?
00:34:12: Florian Harms: Na ja. Jean Claude Juncker hat es beschrieben. Ich erinnere mich. Ich war damals in einer anderen Redaktion und das war hoch und runter, das Thema Eurobonds, also dass quasi alle Staaten gemeinsam dafür haften. Und natürlich, weil Deutschland so stark ist und so eine große Bonität hat, gab es dann die Angst, nicht nur bei Frau Merkel, auch bei anderen Politikern hierzulande, dass man eben für zu große Schulden in anderen Staaten einstehen müsse, die man nicht kontrollieren kann. Dass dann zum Beispiel Italiener, Spanier, vielleicht auch Franzosen zu große Schulden machen und am Ende die Last bei uns bleibt. Gleichwohl wir haben ja gehört, durch die Pandemie ist es so gekommen und es hat funktioniert. Und jetzt ist die Bedrohung, eben die militärische Bedrohung, so groß, dass wir auch über solche Punkte wieder sprechen müssen.
00:34:53: Jean-Claude Juncker: Also als die Idee Eurobonds in die Welt gesetzt wurde von Und mehr hat man in Deutschland gedacht. Nicht zu Unrecht. Diese Bonds könnten missbraucht werden, um Schulden anderer Länder abzutragen. Was ich jetzt vorschlage und was in Zusammenhang mit der Pandemie gemacht wurde, das sind zweckgebundene europäische Anleihen, was eine völlig andere Denke ist als einfach so im luftleeren Raum. So nach dem Motto Freibier für alle Bonds in die Welt zu setzen, die missbraucht werden könnten. Insofern ist die Debattenlage eine völlig andere, als es sie als sie erst vor. Vor 20 Jahren war, glaube ich, diese Idee, dass man europäische Anleihen aufnehmen könnte, um die Folgen der Wiederaufrüstung - ich mag das Wort überhaupt nicht - finanzieren zu können, gewinnt an Zustimmung.
00:35:49: Lisa Raphael: Und in Bezug auf die europäische Armee haben Sie ja gesagt. Es liegt also nicht nur an den politischen Gegensätzlichen Interessen der europäischen Länder, sondern auch an solchen Dingen wie dem Beschaffungswesen, also dass das Zentrale organisiert werden müsste.
00:36:03: Jean-Claude Juncker: Das stößt sich natürlich an den nationalen Erbhöfe, die man nicht gerne aufgibt. Die Deutschen werden nie darauf verzichten, ihre eigenen Panzer zu bauen, sei es auch nur, weil es der beste Panzer ist, den man in der NATO zur Verfügung hat. Und andere Länder verzichten auch nicht auf ihre eigene Waffenproduktion. Aber man muss in geduldigen und beharrlichen Werben dafür Verständnis erwecken, dass man, wenn man über europäische Verteidigung spricht, mehr gemeinsam tun muss, als man dies zurzeit tut.
00:36:37: Florian Harms: Vielleicht muss man ja auch nicht alles gleichzeitig machen, aber man kann mit einzelnen Waffengattungen beginnen. Und wenn wir jetzt mal das Beispiel des Panzers haben, wenn man zu dem Schluss kommt, das deutsche Modell ist das Beste, na ja, dann muss vielleicht das deutsche Modell gebaut werden, aber dann eben für alle. Und dann sagt man Aber. Ein Marschflugkörper ist zum Beispiel aus Frankreich besser als das, was Deutschland herstellt. Da nimmt man diesen. Und ich denke, man darf dabei die Briten nicht außen vorlassen. Man kann das nicht nur in der EU organisieren, sondern die Briten müssen mit ins Boot.
00:37:08: Jean-Claude Juncker: Ich bin der Meinung, dass wir im Verteidigungsbereich eine enge Kooperation mit Großbritannien brauchen. Die sind in ein nicht historisches Verhalten abgerutscht, dadurch, dass sie dem Brexit zugestimmt haben. Das ist eine historische Entscheidung des britischen Volkes gewesen. Aber dort, wo wir mit den Briten zusammenarbeiten müssen, das ist deutlich geworden, auch nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Es gibt eigentlich nur zwei Armeen in Europa, die wirklich einsatzbereit und zwar sofort sind. Das ist die britische und die französische Armee. Die können das. Ich glaube, die Bundeswehr braucht lange Vorlaufzeit, bevor sie überhaupt in Aufstellung gehen kann und dass einzelne lange auf bestimmte Waffenproduktion verzichten müssen, um dem Europäischen mehr Gewicht beizubringen, steht außer Frage. Nicht alle sind so vernünftig wie die Luxemburger, die Armen bewusst auf eigene Produktion verzichtet.
00:38:06: Florian Harms: Also nehmen wir uns mehr Beispiel an den Luxemburgern. Ich finde das ein schönes Schlusswort.
00:38:10: Lisa Raphael: Absolut! Sehr spannend und auch ein konkreter Lösungsvorschlag von Ihnen, Herrn Juncker. Also da kann man sich mal wirklich was vorstellen in Richtung Verteidigungsfähigkeit Europas stärken. Genau. Wir kommen damit zum Ende. Wir bleiben natürlich bei t-online auch immer informiert. Nächste Woche kommen auch die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammen, um über die neue Ukraine Politik von Trump zu beraten. Herr Juncker, ich bedanke mich damit ganz herzlich bei Ihnen. Sie haben uns sehr viel mit Ihrer langjährigen Expertise erklärt, viele Anekdoten geteilt und ja, sehr klare Ansagen in Richtung der europäischen Verteidigungsfähigkeit gemacht. Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Sicht auf die Dinge.
00:38:48: Jean-Claude Juncker: Ich bedanke mich. War sehr angenehm, vielen Dank.
00:38:51: Lisa Raphael: Und auch bei Dir, Florian, bedanke ich mich und auch bei Ihnen da draußen, die uns zugehört haben. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, lassen Sie uns doch gerne ein Abo da oder eine Bewertung. Das geht zum Beispiel über Spotify oder Apple Podcasts und hilft uns dabei, dass noch mehr Menschen auf unseren Podcast aufmerksam werden. Außerdem können Sie auf den Podcast Plattform unsere Folgen auch ganz einfach herunterladen und unterwegs hören. Das geht auch ganz ohne Internetverbindung, also offline. Wenn Sie noch eine Frage haben oder Anmerkung zum Thema Schreiben Sie uns gerne oder schicken Sie uns am besten eine Sprachnachricht, dann können wir Ihre Meinung oder Frage in der nächsten Folge einspielen. Und das geht an die E-Mail-Adresse Podcasts@t-online.de. Damit bedanke ich mich bei Ihnen. Bis zum nächsten Mal und tschau.
00:39:39: Jean-Claude Juncker: Ciao, ciao, tschüss.
00:39:40: Florian Harms: Ja, tschüss Und bleiben Sie uns alle gewogen.
00:39:41: Jean-Claude Juncker: Bye bye, wie die Luxemburger sagen.
00:39:43: Florian Harms: Bye bye