Tagesanbruch von t-online

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00:00:02: Michel Friedman: Denn die AfD hat eine Methodik wie alle irrationalen Parteien, denen es ja nicht um Inhalte geht. Sie werden immer eins draufsetzen, immer noch mehr wollen. Die Dynamik muss gebrochen werden.

00:00:19: Florian Harms: Hallo und herzlich willkommen zu diesem Tagesanbruch! Wahlspezial am 24. Februar 2025. Ich bin Florian Harms, Chefredakteur von t-online und spreche in dieser Folge mit dem Publizisten Michel Friedman. Deutschland hat gewählt und das Ergebnis ist brisant. Der nächste Bundestag wird sehr anders aussehen als der bisherige. Wie können CDU, CSU und SPD die nächste Bundesregierung bilden? Was folgt aus dem starken Zugewinn für die AfD und wie wird sich die deutsche Politik verändern? Was macht das mit dem Land?

00:00:50: Florian Harms: Liebe Hörerinnen und Hörer, das Ergebnis der Bundestagswahl ist ein tiefer politischer Einschnitt, so muss man das wohl sagen. CDU und CSU gewinnen zwar die meisten Stimmen, verfehlen jedoch deutlich ihr Ziel, 30 % zu erringen. Nur 28,5 % sind es am Ende. Nun will die Union Sondierungsgespräche mit der SPD zur Bildung einer Koalition führen. Die Sozialdemokraten wurden allerdings hart abgestraft. 16,4 % sind das schlechteste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte. Den größten Erfolg verzeichnet die AfD. Sie kann ihren Stimmenanteil verdoppeln und erringt 20,8 %. Dieses Wahlergebnis sendet zwei klare Signale Erstens will die Mehrheit der Bevölkerung einen Politikwechsel. Ein Weiter so wird abgelehnt. Die Parteien der Ampelkoalition werden allesamt abgestraft. Neben der SPD verlieren auch die Grünen. Die FDP fliegt sogar aus dem Bundestag. Zweitens rückt Deutschland nach rechts. Nach Merkels Mittekurs und dem Experiment der linksliberalen Ampel will Friedrich Merz als Kanzler eine konservative Politik durchsetzen. Noch brisanter ist aber Mehr als 1/5 der abgegebenen Stimmen entfallen auf die rechtsextremistisch geprägte AfD. Das ist ein Triumph für die Partei von Alice Weidel und Tino Kopala. Nicht alle AfD Wähler sind Extremisten. Natürlich nicht. Aber viele haben offensichtlich die Nase voll von den Parteien der Demokratischen Mitte und wollten diesen einen Denkzettel verpassen. Im Osten wurde die AfD überall stärkste Kraft, auch in Thüringen, Sachsen und Sachsen Anhalt, wo die AfD Landesverbände vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft werden. Der Rechtsruck wird die Parlamentsarbeit verändern und womöglich auch die politischen Prioritäten im Land. Die demokratischen Parteien der Mitte sind so stark unter Druck wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik. Viele Kommentatoren meinen. Gelingt der nächsten Bundesregierung nicht ein echter Politikwechsel, dann wird die AfD in spätestens vier Jahren die nächste Bundestagswahl gewinnen und könnte sogar in die Regierung einziehen. Was also folgt nun konkret aus dem Wahlergebnis des 23. Februar 2025? Wie verändern sich nun der Bundestag, die Politik und die politischen Debatten im Land? Wie sollten die anderen Parteien mit der erstarkten AfD umgehen? Und welche Gefahren birgt der Erfolg extremer Kräfte in einer Zeit zunehmender Krisen?

00:03:17: Florian Harms: Darüber spreche ich heute mit Michel Friedman. Er ist deutsch französischer Publizist und Talkmaster, jüdischen Glaubens. Nach der gemeinsamen Abstimmung von CDU und CSU mit der AfD zur Verschärfung der Asylpolitik im Bundestag trat er aus der CDU aus und nannte das Manöver der Union einen unentschuldbaren Tabubruch. Hallo Herr Friedman, schön, dass Sie heute mitdiskutieren.

00:03:39: Michel Friedman: Freue mich sehr. Und bei der Gelegenheit, Herr Harms, darf ich fragen, welche Religion Sie haben? Weil Sie mich als jüdischen Menschen vorgestellt haben

00:03:47: Florian Harms: Ja, meine Religion ist das Christentum. Wobei ich sagen würde, ich rechne mich jetzt nicht so sehr der Kirche zu, aber ich bin christlich erzogen worden.

00:03:56: Michel Friedman: Wieso glauben Sie eigentlich, dass Sie mich als Juden bei so einem Thema vorgestellt haben? Hätten Sie einen katholischen oder jüdischen Kollegen von mir auch religiös vorgestellt?

00:04:08: Florian Harms: Wahrscheinlich nicht. Da haben Sie recht. Ich bin darauf gekommen, weil das natürlich im Kontext der deutschen Geschichte schon etwas Besonderes ist, dass sie jüdischen Glaubens eine klare Sicht haben auf das, was gegenwärtig in unserem Land passiert.

00:04:23: Michel Friedman: Aber möglicherweise nicht interessant, lieber Herr Harms. Weil ich dachte eigentlich, seit ich hier lebe, dass entweder die Menschen, die hier leben, also auch die Söhne und Töchter und damit meine ich jetzt nicht die persönliche Familie von ihnen, die nichtjüdische deutsche Großeltern Urgroßeltern hatten, genauso eigentlich diese Bundesrepublik Deutschland aus der Idee der Menschenrechte, der Demokratie beobachten, gestalten, wie auch, wenn man ein jüdischer Mensch ist. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden ist. Ich weiß, Ich komme aus einer Familie, die den Holocaust überlebt hat. Ich weiß nicht. Und das würde ich mir jetzt auch gar nicht anmaßen, sie zu fragen, ob sie wissen, was in ihrer Familie los ist. Aber da wir ja über die Bundesrepublik sprechen, zwei Analytiker, die reflektieren über die gesamtpolitische Atmosphäre, habe ich mir nur erlaubt, das ein bisschen auch offen zu legen, was eben passiert ist, weil ich den Informationswert jedenfalls noch nicht erkannt habe. Aber ich bin sicher, während des Gespräches werde ich merken, dass Sie recht hatten.

00:05:31: Florian Harms: Na, wollen wir mal sehen. Vielleicht haben Sie ja auch recht, dann korrigiere ich mich gerne. Kommen wir mal direkt in das Gespräch hinein und vielleicht kommen wir ja später auf die Frage zurück, gern auch mit Biografischem. Ich interessiere mich sehr für Familiengeschichte. Herr Friedman, mal die erste Frage Wie bewerten Sie das starke Wahlergebnis der AfD bei dieser Bundestagswahl?

00:05:51: Michel Friedman: Alle haben verloren, auch die CDU, die zwei die Gewinnerin ist, ist deutlich unter 30 % geblieben und damit auch eines der schlechtesten Ergebnisse, die man sich für eine Volkspartei in Anführungsstrichen vorstellen kann. Wir wissen alle, das Ziel war deutlich 30 plus. Übrigens Auch die CSU hat nicht ihren großen Coup in Bayern geschafft, den Herr Söder erwartet hat. Die anderen Parteien haben sie schon genannt. Die SPD ist dramatisch gefallen. Sie ist eigentlich heute nach ihrer Zahl keine Volkspartei mehr. Die Grünen haben eine weitere tiefe Zurückweisung erfahren, die FDP zum Zweiten Mal aus dem deutschen Parlament nach der Nachkriegszeit rausgeschmissen. Umso tragischer, weil ja Christian Lindner derjenige war, der sie, nachdem sie draußen war, wieder in den Bundestag begleitet hat. Und jetzt der Begleiter war für diesen Todeskampf der FDP. Zweitens Verlierer. Wenn ein Land 20 % antidemokratisch wählt und die AfD ist eine antidemokratische Partei. Das fängt schon alleine damit an, dass unsere Bundesrepublik auf der Grundlage Artikel eins die Menschenrechte fundiert, und zwar konstitutionell, nämlich die Würde des Menschen ist unantastbar. Währenddessen die AfD sagt Die Würde einiger Menschen ist unantastbar und wir uns eigentlich alle versprochen haben nach dem Naziregime, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. So ist die UN übrigens gebaut worden. Die Menschenrechtscharta ist so entwickelt worden, die Europäische Menschenrechtscharta. Nie mehr soll ein Mensch beurteilen können, ob ein anderer Mensch ein Mensch ist. Da die AfD dagegen verstößt und ich will das jetzt auch politikwissenschaftlich analysieren, die rechtliche Ebene ist eine andere. Die Verfassungsschutzebene hat auch schon klare Worte. Haben wir also 20 % eine antidemokratische Partei, die von allen Parteien 100 % gewonnen hat und damit in Prozenten jedenfalls die erfolgreichste Partei aller war? Ein Apercu. Die Linke hat mit einem freakigen und modernen und völlig überzogen emotionalen Wahlkampf es geschafft, neben der interessanten Idee die Oldies noch einmal nach vorne zu tragen. Mit einer Parteivorsitzenden, die außer Rand und Band in ihrer Darstellung und in ihrer Radikalität mit ihrem Kovorsitzenden eigentlich den sozialistischen Staat Deutschland wieder aufbauen wollte, einen bemerkenswerten Sprint durchzusetzen. Auch hier muss aber festgestellt werden, dass sie, also die Linke, genauso übrigens wie die AfD, letztendlich Endlich Gewinnerin der Social Media geworden sind. Und nun will ich doch gerne nur eine Bemerkung zu Ihrer Bemerkung der Wähler und Wählerinnen machen. Ich bin nicht mehr bereit, wie Sie es getan haben. Ich würde es übrigens nie getan haben, Wähler und Wählerinnen der AfD zu unterstellen, sie wüssten nicht, was sie wählen. Erstens ist das eine Beleidigung der Wähler an sich, denn wir gehen davon aus, dass jeder Wähler, jeder Wählerin ein mündiger Bürger ist. Und wenn wir das bei der SPD akzeptieren, bei der CDU, bei der FDP, also, dass wir den Leuten unterstellen, sie wüssten, welche Programme und Inhalte sie wählen, dann können wir uns nicht entlasten und sagen Aber bei der AfD ist alles andere erst recht nicht, weil es nicht die erste Wahl ist. Erst recht nicht, weil ja alles gesagt wurde. Herr Höcke soll Minister werden, der als Faschist genannt werden darf. Das ist gerichtlich sogar bestätigt. Die Vorsitzende hat, als sie auf den Nationalsozialismus hingewiesen wurde, gesagt, sie mag den Schuldkult nicht mehr hören. Und die Remigration ist ja das Wahlprogramm genommen worden. Das heißt, wenn man und das ist allerhöchste Zeit, wenn man fragt mich ja sehr oft, was soll man denn tun, wenn man die Wähler und Wählerinnen nicht ernst nimmt? Wenn man ihnen also nicht sagt Ihr habt an diesen Tag eine Stimme und damit ein Punkt mehr Macht einer Partei gegeben, die diese Bundesrepublik an sich zerstören will, dann kommen wir auch nicht in den Diskurs, diese Wähler und Wählerinnen permanent zu schonen, zu exkulpieren und sie permanent psychotherapeutisch zu erklären, führt ja dazu, dass wir uns mit entlasten. Nein, in diesen vier Jahren wird es höchste Zeit, dass wir die Auseinandersetzung mit den Menschen, die so was wählen, führen und sie nicht beschimpften oder sie stigmatisieren, sondern dass wir eine Anwerbung für das Demokratische wieder versuchen. Denn das ist das Grundsätzliche Wie kann ich vor allem junge Menschen wieder motivieren, das Demokratische mit leuchtenden Augen zu sehen? Jetzt eine letzte Bemerkung Wir haben gesehen, Junge Menschen haben viel und vor allen Dingen eben AfD und die Linke gewählt. Und das zeigt Es gibt in unserer Zeit wieder eine Attraktivität für das Radikale und das Extreme.

00:11:19: Florian Harms: Eine Attraktivität für das Radikale. Die AfD hat sicherlich nicht nur wegen ihrer Erfolge bei Ticktack oder in allen anderen sozialen Medien so gut abgeschnitten. Sie ist regelrecht verankert, auch schon beispielsweise in der ostdeutschen Gesellschaft, auch an vielen Stellen, wo es eben keine echte Abdeckung mehr durch die demokratischen Parteien der Mitte gibt. Jetzt haben sie gesagt Man muss die Wähler ernst nehmen. Machen wir das doch mal konkret. Ich habe eine Hörerstimme mitgebracht. Hörer Konrad hat uns geschrieben, ich zitiere ihn "Ich bin immer ein Anhänger der CDU gewesen, habe durch die Brandmauer aber eine völlig andere Einstellung bekommen. Ich kann das Ausschließen der AfD überhaupt nicht verstehen. Auch wenn es Unterschiede zwischen den Wahlprogrammen der CDU und der AfD gibt, gibt es doch zwischen beiden Parteien auch die meisten Gemeinsamkeiten. Warum geht man nicht mit den Blauen zusammen? Dann ist die Mehrheit stark und hat die Chance, neue Politik, die von der Mehrheit der Bürger gewünscht wird, auch durchzusetzen. Ich kann außerdem bei der AfD keine narzisstische Linie erkennen. Im Gegenteil, es werde immer wieder betont, dass man sich am Grundgesetz orientieren wolle." Was sagen Sie zu so einer Stimme, Herr Friedman?

00:12:22: Michel Friedman: Also 0.1 Ich müsste mich mit dieser Person streiten, wenn sie nicht erkennt, dass die AfD rassistisch ist. Dafür könnte man in jedem Faktencheck genug Hinweise bringen. Die zweite Antwort ist die CDU und auch nachdem sie den Sündenfall begangen hat, ist trotzdem eine tief demokratische Partei. Gilt übrigens auch für den nächsten Kanzler Merz. Und es sollte jetzt auch aufhören, was Herr Scholz über Tage und Wochen propagiert hat, nämlich dass Herr Scholz und die CDU in irgendeiner Form als Regierungspartei sich vorstellen könnte, in den nächsten vier Jahren mit der AfD in welcher Art und Weise Mehrheiten zu schaffen. Das würde das Land zerreißen. Und ich prognostiziere, das würde auch die Union zerreißen. Der dritte Punkt ist aber ein sehr interessanter inhaltlicher. Auf den will ich auch tiefer eingehen. Es mag sein, dass es diese Schnittstellen gibt. Ja, es gibt diese Schnittstellen. Aber was bedeutet das? Wenn es einen klugen politischen Gedanken gibt, der von einer autoritären Gruppe oder von einer Gruppe, die sich nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes befindet, dann ist die tollste Idee mit dem Absender der Idee vergiftet. Und es ist eine weitere Vergiftungsgefahr. Wenn jetzt eine demokratische Partei. Nur weil das Inhaltliche mit ihr übereinstimmen kann in Allianzen mit der vergifteten Partei, in dem Fall mit der antidemokratischen zusammen ginge. Denn damit würde der Eindruck endgültig entstehen, dass das Antidemokratische, was ich behaupte es ist ja von keinem Bundesverfassungsgericht bisher erklärt worden. Das will ich journalistisch hinzufügen. Aber damit würde das Antidemokratische noch mehr sich Koshern auflösen und die Menschen würden immer mehr den Eindruck bekommen It's a player in the game. Antidemokratische Parteien sind im demokratischen Alltag keine Player. So, das würde ich unseren Hörern erklären und dann würden wir wahrscheinlich anfangen zu diskutieren. Und jetzt wird die Sache dann auch sind.

00:14:37: Florian Harms: Dann frage ich mal nach vorne raus: Was bedeutet das jetzt für den neuen Bundestag, wo eben über 20 % der Stimmen bei der AfD liegen? Wie sollten die anderen Parteien mit dieser erstarkten rechtsextremen Kraft umgehen, denn es sind wirklich ja auch viele der dortigen Abgeordneten extremistisch unterwegs.

00:14:54: Michel Friedman: Es ist eine sehr wichtige Frage. Ich würde gerne einen Schritt zurückgehen. Die einzige Koalition, die demokratisch momentan möglich ist, ist SPD mit der CDU. Erstens Ich würde uns alle bitten, alle Kollegen und Kolleginnen nicht mehr von einer Großen Koalition zu sprechen. Denn der Begriff ist für diejenigen, die glauben, dass Deutschland sowieso und das sind AfD Menschen sowieso ein System. Parteipolitische Misthaufen ist in Anführungsstrichen ja, wenn man sagt, die Große Koalition genährt. Diese Koalition, wenn sie zustande kommt, hat nicht einmal 50 % der Wähler echte. Das muss man sich mal geben. Sie sind beide zusammen nicht 50 % der Stimmen.

00:15:45: Florian Harms: Sondern stattdessen Schwarz-rote Koalition.

00:15:49: Michel Friedman: Schwarz-Rot, ja. Zweiter Punkt. Herr Merz hat heute wieder gesagt, was er in den letzten Tagen, wie ich finde, teilweise auch sehr problematisch, was engagierte Menschen angeht, formuliert hat. Deutschland ist nicht mehr links. Und alle die, die auf die Straße gehen, auch demonstrieren gegen Rechts, seien alle jetzt manipuliert oder Material einer linken Gesellschaft gewesen. Und mit dieser Wahl seien wir jetzt in Deutschland wieder eine konservative Gesellschaft. Jedenfalls das Parlament und auch er stehen nur noch für Konservative und nicht mehr für linke Politik. Punkt. Aus. Heute morgen und in den nächsten Tagen wird aber mit der linken Partei sprechen. Man kann ja zur SPD stehen wie man will, aber sie ist eine linke Partei. Wir also seinen Bürgern, Bürgerinnen und Wählerinnen erklären will und das will er hoffentlich nicht mehr, weil das empfinde ich schon als eine hochgefährliche Argumentation in unserem Land leben, nicht nur Linke und Rechte. Und das ist jetzt das Demokratische. Ich rechne die Rechtsextremen nicht zu den Rechten in Deutschland. Ich hoffe, Herr Merz auch nicht. Und dann bleibt es, dass wir eine hochdifferenzierte Gesellschaft geworden sind und dass auch Menschen, die konservativ denken, sich für Emanzipationsprojekte einsetzen oder nicht zulassen wollen, dass Rassismus Alltag wird. Umgekehrt kenne ich sehr konservative Menschen, die sich links nennen. Also das ist erst mal festzuhalten Es wird, wenn eine Regierung geben aus einem konservativen Teil CDU. Und die CDU ist leider durch Herrn Merz außerordentlich konservativ geworden. Das Emanzipatorische ist zurückgedrängt und einige emanzipatorische Inhalte werden ja auch schon wieder in Frage gestellt.

00:17:41: Florian Harms: Und das hätten Sie sich anders gewünscht.

00:17:43: Michel Friedman: Ich halte die CDU und ich kommen jetzt wirklich nicht mit dem Spruch der Volkspartei. Die CDU ist eine konservative Partei und als konservative Partei denke ich, bist du gut beraten, wenn du liberal konservativ wärst oder wenigstens konservativ liberal nur konservativ ist? Gestern ist verstaubt, das ist erhalten wollen. Gerade als konservativer Mensch muss ich dort, wo ich sehe, dass gesellschaftspolitische Prozesse reformierbar sind, als erster damit anfangen, weil ich auf dem Boden des Bestehenden das, was noch gut ist, dafür nutze, um eine Reform, eine auch emanzipatorische Reform gesellschaftspolitisch nach vorne zu bringen. Da sind mir auch die Frauenbilder, die Herr Merz formuliert hat, aber auch so ganz andere Fragen wie er. Und am Ende ist es ja Sprache. Wir haben ja auch beide die Sprache, wie er über ganz bestimmte Themen redet. Und wir reden jetzt bitte auch über die geostrategischen und globalen Fragen, wo wir ja alle konfrontiert sind momentan von einer barbarischen Lügensprache. Also was ich damit nur sagen wollte ist diese Anmutung ist auch nach der Wahl gestorben und die einzige Anmutung, die sich bestätigt, ist, dass die AfD noch einmal 100 % Verdoppelung 10 % bei der letzten Wahl mit 20 % keine konkrete magische Able mehr und wer die BSW reingekommen sogar mit Sperrminorität bedient. Dass die AfD alle Beteiligten in dieser Regierung treiben wird. Denn die AfD hat eine Methodik wie alle irrationalen Parteien, denen es ja nicht um Inhalte geht. Sie werden immer eins draufsetzen, immer noch mehr wollen. Und da ist ein jetzt sehr beachtlicher Punkt. Die Dynamik muss gebrochen werden. Eine Regierung darf sich nicht erschrecken, strategisch sich darauf einstellen. Was sagt die AfD? Das war die letzten Jahre so, vor allen Dingen auch für die Union. Sondern ich glaube, dass eine Regierung mit Selbstbewusstsein sich ihre Arbeit mit ihrer Mehrheit vier Jahre lang von Reden zum Handeln bringen muss. Und wenn die AfD auf Bäume steigt, dann ist das ihr Problem. Aber es darf keine reaktive Politik, sondern auch eine aktive geben, weil 29 wird die gefährlichste Wahl für die Demokratie in Deutschland stattfinden.

00:20:20: Florian Harms: Bis dahin ist zum Glück noch ein bisschen Zeit. Und wenn wir jetzt sagen Im Bundestag.

00:20:24: Michel Friedman: Vier Jahre! Herr Harms!

00:20:27: Florian Harms: Ja vier Jahre. Als Demokrat kann man das trotzdem ja nutzen, diese Zeit. Ich mache mir nicht nur Gedanken über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und die Art und Weise, wie man dort miteinander umgeht, sondern auch um das Land. Wenn man sich die Karte Deutschlands ansieht, die Wahlkreisergebnisse, dann ist der gesamte Osten blau. Wie kann man als gestandener Demokrat aus einer demokratischen Partei heraus wie beispielsweise der CDU oder der SPD versuchen, die Wähler der AfD wieder für die demokratischen Kräfte zu gewinnen? Wie würden Sie da vorgehen?

00:20:59: Michel Friedman: Also ich bin sehr dankbar für diese Frage und ich möchte deutlich jetzt sagen, dass es für mich jetzt nicht eine Frage von Ostbashing, das hätte ja auch so eine Karte entstehen können, wo auch immer.

00:21:09: Florian Harms: Auch in Gelsenkirchen ist die AfD stärkste Kraft geworden und in Kaiserslautern.

00:21:13: Michel Friedman: Dort ist sie aber entstanden. Und ich muss leider sagen, ich bin nicht verwundert. Ich erinnere mich an Hoyerswerda und Rostock. Ich erinnere mich, wie ich mit Ignatz Bubis damals hingefahren bin und Herr Biedenkopf als Ministerpräsident uns nicht mehr begleiten wollte. Ich erinnere mich, wie CDU Ministerpräsident, Herr Vogel, aber auch Herr Biedenkopf bis zum Ende. Herr Biedenkopf war schon fast todkrank und hat noch bei Maischberger dann gesagt Es gibt keinen Rechtsextremismus in Sachsen. Dasselbe wurde auch in Thüringen erzählt. Überall wurde das verdrängt. Übrigens, wie auch in der Bundesrepublik Deutschland immer gesagt wurde Es gibt keinen Rechtsterrorismus, es gibt keine Nazis mehr, und wenn, dann sind das Vereinzelte. Aber wenn man weiß, dass das die ersten 30 Jahren der Demokratie waren und die Gegengewichte, das wäre bei uns 48 bis Ende der 70er Jahre noch nicht stattgefunden haben, die jungen Menschen noch nicht in die Demokratisierungsprozesse so involviert waren. Wenn man dann aber auch berücksichtigen muss, wie unmittelbar die Lebenssbiografien dort gestört waren, während dessen alle anderen Deutsch aus der Bundesrepublik sich schon in dritter Generation Wohlstand erarbeitet haben, dann weiß man, dass es dazu auch noch eine sehr spezifische Haltung gibt. Und jetzt kommt etwas sehr Spannendes dazu. Die Menschen, die in der ehemaligen DDR gelebt haben, denen hat man ja eingeredet, sie seien das antifaschistische Deutschland. Also nach dem Motto Bei uns gab es keine Nazis. Keiner hat sich deswegen kollektiv, politisch oder individuell die Frage stellen müssen Wie viel Schmutz haben wir eigentlich in der Familie zu bewältigen? Und dazu kann man ja ein Bild nehmen. Also in Westberlin, da brannten die Synagogen, aber in Ostberlin, da brannten sie nicht. Und ich möchte all das hinzufügen, weil letztendlich wir dort in der Tat mit einer strukturellen mittlerweile auch Normalität zu tun haben, dass Leute, ob jetzt im Anzug oder im T Shirt, gegen Menschen hetzen, dass sie Phantasien haben, die voller Gewalt sind, übrigens auch die Straftaten dort extrem gewalttätig sind, aber dass dort auch richtige Nazistrukturen entstanden sind, also neben der AfD. Hier kann man nur sagen die Gesellschaft, der Staat, die Polizei, die Sahen Botschaften, gucken lange hin. Reagieren viel zu spät. Und neben dem gesellschaftspolitischen. Müssen wir endlich. Ob der Typ Achmed heißt oder Heinz heißt oder ein Winkeheinz ist? Und zwar Wir reden jetzt von Extremismus. Muss eingeschritten werden. Es gibt kein rechtsfreien Raum für politischen Extremismus, der die Demokratie einerseits ablehnt und andererseits Menschen mit Gewalt unterdrückt.

00:24:09: Florian Harms: Das heißt, Sie plädieren für mehr Law and Order?

00:24:12: Michel Friedman: Nein. Ich plädiere für eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung, und zwar eine harte. Wenn ich mit einem Neonazi sitze, dann muss ich akzeptieren, dass wir uns streiten müssen. Wenn wir bei einem gepflegten Abendessen übrigens das kann von Saarbrücken bis München sein in einem Italiener, ob jetzt Pizza essend oder irgendwie Spaghetti mit Scampi hören, dass jemand sagt Die und die, die sind so und so und müssen deswegen so und so behandelt werden. Dann müssen wir streiten. Wir müssen anerkennen, dass jeder Fünfte, mit dem wir sitzen, solche menschenfeindliche Ressentiments hat. Und übrigens, Sie haben doch alle Vorurteile. Ich habe ja auch Vorurteile. Das, was ich nur nicht akzeptiere, ist Menschen könnten nicht lernen. Ich kann auch lernen, habe aus Vorurteile Urteile werden lassen. Zivilisation ist nichts anderes als die Erzählungen, die man vorher bekommen hat. Und wir kriegen ja schon als Kinder solche Erzählungen übernehmen. Sie konstruieren die Welt, in der wir sind, dass wir uns immer wieder in den Lernprozeß geben können wir und wollen wir es nicht von innen, dann müssen wir gesellschaftskonform diesen Konflikt lauter, deutlicher miteinander führen, ohne uns aber zu beleidigen oder laut zu werden oder uns unsere Anerkennung abzuerkennen. Punkt. Absatz. Daneben hat der Staat, und zwar so ist es in der Verfassung auch geregelt, bei politischen Delikten ein wehrhafter zu sein. Und da ist die Wehrhaftigkeit nicht deutlich genug. Wir erkennen doch erst seit 20, 22. Man muss sich das mal vorstellen, sagt die erste Bundesregierung Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die Demokratie. War sie es nicht schon 2002? 1992? Seit drei Jahren reden wir darüber. Strukturen sind nicht da. Es wird höchste Zeit. Und wissen Sie, was das mit dem Recht sagen? Bei der letzten Generation habe ich meinen Staat zum Ersten Mal wieder ernst genommen. Innerhalb von drei Monaten wurden die Demonstranten rechtskräftig und rechtsstaatlich von der Polizei aufgenommen. Staatsanwaltschaften haben Anklagen formuliert. Aber siehe da, nach drei Monaten gibt es ein Urteil. Bei den meisten rechtsextremistischen Taten dauert es Jahre und die meisten werden eingestellt.

00:26:34: Florian Harms: Also ein Gegensatz zwischen dem Umgang mit den Klimaschutz Aktivisten und mit den Rechtsextremisten.

00:26:39: Michel Friedman: Ich darf das nur sagen, Damit wir das nicht falsch verstehen. Für mich als Jude, aber nicht nur als Jude, sondern als Deutsche gilt dasselbe mittlerweile für die Straßen Brutalität der islamistischen und der radikalen islamischen Jugendlichen. Tod den Juden in Deutschland! Aus welcher Motivation in dem Fall des Nahen Ostens ist ein Verstoß gegen meine Menschenwürde und gehört bestraft.

00:27:06: Florian Harms: Also Sie plädieren dafür, dass die demokratische Mitte lauter werden soll, dass man sich auseinandersetzt, dass man den Mund aufmacht, dass man streitet, respektvoll streitet, aber eben sich nicht versteckt. Mich würde jetzt trotzdem noch mal, da komme ich auch, weil Sie es gerade noch mal sagen, an uns, an den Beginn unseres Gesprächs zurück. Was macht das mit Ihren Freunden und mit Ihnen in der jüdischen Gemeinschaft? Das, was gegenwärtig im Land passiert. Sie haben es gerade beschrieben Immer mehr Anfeindungen. Die Synagogen müssen alle beschützt werden. Zum Teil hat man den Eindruck, dass es fast schon eine Sonderzone vor den einzelnen Einrichtungen. Was macht das mit Ihnen und Ihren Bekannten?

00:27:47: Michel Friedman: Vor allen Dingen macht es was mit den Kindern. Seit 30 Jahren, also drei Generationen. Was gehen in die Schule? Eltern, Großeltern bringen ihre Kinder in die Schule. Davor steht zu Recht Polizei mit Maschinenpistolen. Und die Kinder begrüßen die Polizisten mit einer Selbstverständlichkeit. Aber alle Kinder wissen doch, dass die Polizei da ist, weil jemand sie umbringen will. Und wenn sie sich vorstellen, was sie als Vater, Mutter oder Großeltern sich vorstellen und fühlen, dass ihr Kind, ihr Enkelkind im Hintergrund seines Gehirns, aber immer wieder jetzt durch die Aktualisierung von antisemitischen Straftaten sich daran erinnert, es solle getötet werden. Dann sehen Sie doch schon alleine darin, wie furchtbar jüdisches Leben in der Basis von Kindern, wenn sie dann erwachsen werden. Das sind heute 40-jährige 30-jährige 20-jährige. Wie furchtbar dieses Leben belastet ist Zweitens in einem Land zu leben. Und ich sage das ganz offen, indem ein Teil der AfD sogar eine Nazipartei ist. Weil, wenn der Vorsitzende, der Ehrenvorsitzende der Partei, sagt Hitler war ein Vogelschiss. Wenn die Vorsitzende Frau Weidel auf Vorhaltungen, man müsse doch auch über den Holocaust Erinnerungsarbeit leisten, antwortet Das ist alles Schuldkult, Nazislang. Wenn Herr Höcke, der als eindeutig rechtsextremistisch eingeordnet ist und von einem Gericht Faschist genannt werden kann, von der Vorsitzenden als anständiger Minister vorgeschlagen wird. Dann erkennen wir doch, dass wir ein strukturelles Problem haben, das mich und ich betone das nicht, weil ich jüdisch bin, sondern weil ich ein Mensch und Bürger in diesem Land bin. Zutiefst erschreckt mich aber als Jude mit meiner Familiengeschichte. Bei mir sind 50 Menschen von solchen furchtbaren Menschen wie damals, die geistige Brandstiftung mitmachten, die die Anfänge nicht nur nicht gewehrt haben, sondern immer weiter gegangen sind und am Ende in Auschwitz eine Idee hatten. 50 Menschen meiner Familie sind deswegen tot. Und wenn ich mir vorstelle, dass ich im Jahre 2025 eine Partei habe, die natürlich nicht vergleichbar ist mit der NSDAP, aber mit vielen ihrer rassistischen, antisemitischen, herrischen Überlegungen und auch dort wiederum Spuren dann doch zu erkennen sind, die sehr stark das Nostalgie für diese alte Zeit haben. Dann ist das auch ein Angriff auf meine Biographie. 50 Jahre lebe ich hier, engagiere mich für Freiheit und Demokratie in meinem Mikrokosmos des Judentums, davon über 30. Aber schon damals habe ich gesagt Es gibt kein glücklicher Mikrokosmos, es gibt kein gutes jüdisches Leben, wenn der Makrokosmos nicht funktioniert. Und meine Bilanz ist, dass ich heute, Montag, mit Ihnen darüber diskutieren muss, dass diese Partei 20 % hat. Furchtbar. Und ich bin aber zusätzlich konfrontiert seit ein paar Jahren mit einem wachsenden, radikalisierten Islam auch in Deutschland. Ein Teil, den ich gar nicht quantifizieren möchte von diesen, auch aus der arabischen Welt gekommenen Flüchtlinge, die in Deutschland nicht schreien Tod den Israelis, was schon schlimm genug wäre. Nein, sie schreien Tod den Juden! Und sie tun es deswegen, weil auch die Hamas schreit Tod den Juden! Die Vernichtung des Staates Israel wird vom Iran und von der Hamas und Hisbollah formuliert. Alle Juden sollen tot sein. Und schon früher hieß es Alle Juden ins Meer, also ins Mittelmeer. Und während diese Parolen hier und das ist für mich eindeutig eine Aufforderung zur Gewalttat skandiert werden, ist die Reaktion darauf fast null. Sehen Sie, die letzte Woche war zwar belegt durch die Reaktionen, die die Beobachtung der Wahl, aber letzte Woche haben wir doch etwas menschlich so Furchtbares erlebt. Die Hamas übergibt Geisel zwei tote Kinder. Die Mutter wird verwechselt in Anführungsstrichen. Die ganzen Zeremonien werden durchgeführt wie in der schlimmsten barbarischen, schlechten Theaterinszenierung. Warum gibt es nicht eine große, eine Demonstration, die zwei Slogans hat Solidarität mit den palästinensischen Menschen. Ablehnung der Hamas befreit die Palästinenser von der Terrorgruppe Hamas. Keine einzige. Das sind dann Allein und Einsamkeit Gefühle, die weit über das Persönliche gehen. Sondern wenn das die politischen Analysen sind in meinem Land, dann ist das für mich genauso gefährlich, weil da wiederum noch zusätzlich Linksextremisten dazukommen. Deutsche Linksextremisten. Mit anderen Worten ob linksextremistisch, rechtsextremistisch oder islamistisch, der Angriff ist immer gefährlich und zeigt mir, wie viel Raum sie bekommen. Aber bei Rechtsextremismus muss zu sagen sein Sie sind in den demokratischen Strukturen angekommen. Sie sind den Gang durch die Institutionen gegangen und so wie sie es gesagt haben. Nächstes Jahr wählt Sachsen Anhalt. Was machen wir, wenn wir dann wieder diskutieren feststellen müssen? Sie werden den Ministerpräsidenten stellen. Dann sind Sie in der Bundespolitik.

00:33:51: Florian Harms: Berührende und sehr klare Worte. Michel Friedmann Herzlichen Dank und wir werden bestimmt noch mal sprechen. Das war wirklich fabelhaft, diese Erläuterungen. Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit.

00:34:02: Michel Friedman: Ich danke Ihnen.

00:34:04: Florian Harms: Und vielen Dank auch an Lisa Raphael, die diesen Podcast produziert hat. Wenn Ihnen unser Gespräch gefallen hat, abonnieren Sie diesen Podcast gern auf Spotify oder Apple Podcasts. Auch weiterempfehlen dürfen Sie ihn natürlich. Falls Sie Fragen haben, schicken Sie uns eine Sprachnachricht oder Email an podcasts@t-online.de. Ihnen allen herzlichen Dank fürs Zuhören. Tschüss und bleiben Sie uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: podcasts@t-online.de

Den Tagesanbruch gibt es auch zum Nachlesen unter https://www.t-online.de/tagesanbruch

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von und mit Florian Harms

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