Tagesanbruch von t-online

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00:00:02: Andreas Rödder: Hier steht die Verlässlichkeit politischen Handelns auf dem Spiel.

00:00:08: Florian Harms: Eine turbulente politische Woche liegt hinter uns. Im Bundestag hat CDU Chef Friedrich Merz seinen Antrag zu einer verschärften Migrationspolitik durchgesetzt und dabei die Zustimmung der rechtsextremistisch geprägten AfD in Kauf genommen. Empörte Reaktionen kamen nicht nur aus dem linken Lager, sondern auch aus den Kirchen, von jüdischen Bürgern und von Teilen der CDU. Altkanzlerin Angela Merkel rüffelte Merz öffentlich. Nun diskutiert das Land stärker über den Umgang mit der AfD als über sinnvolle Regeln für die Asylpolitik. Rückt das Land nach rechts? Ist die Brandmauer zwischen CDU, CSU und AfD gefallen. Bekommen Rechtsextremisten gefährlichen Einfluss? Sollte Deutschland seine Grenzen dichtmachen und seine Asylpolitik im Alleingang verschärfen oder weiter auf europäische Lösungen setzen? Was bedeutet das alles für den Bundestagswahlkampf und für die nächste Bundesregierung?

00:01:04: Florian Harms: Liebe Hörerinnen, liebe Hörer, selten war die Politik so aufgewühlt wie in diesen Tagen nach dem Doppelmord eines ausreisepflichtigen, psychisch labilen Asylbewerbers in Aschaffenburg. Dominiert die Migrationspolitik den Bundestagswahlkampf? Friedrich Merz, Kanzlerkandidat von CDU und CSU, hat einen Fünf Punkte Plan vorgelegt, der mit der EU-Politik bricht. Deutschland soll seine Grenzen abriegeln und alle Menschen ohne Einreisegenehmigung abweisen, auch Asylbewerber. Bei der Abstimmung über seinen Antrag im Bundestag nahm Merz die Zustimmung der AfD Fraktion in Kauf und kam damit durch. Der Antrag hat zwar keine verbindlichen Folgen, aber enorme politische Wirkung. Es folgte nämlich ein Aufschrei. Tabubruch. Dammbruch, Historisches Versagen. Altkanzlerin Angela Merkel hat Merz Manöver gerügt. Der jüdische Publizist Michel Friedmann ist aus der CDU ausgetreten. In der Partei rumort es. Merz wirkt nicht unumstritten. Am Freitag gipfelte die Aufregung dann in einer heftigen Bundestagsdebatte. Die Abstimmung über das Zustrombegrenzungsgesetz der Union geriet zum Kräftemessen der Parteien. Wieder setzte Friedrich Merz alles auf eine Karte. Doch diesmal verlor er das Parlament, lehnte das Gesetz mehrheitlich ab. Gegenstimmen kamen nicht nur von SPD, Grünen und Linkspartei, sondern offenkundig auch aus der CDU und der FDP. Eine Schlappe für den Herausforderer von Olaf Scholz. Damit hat diese Woche zentrale politische Streitpunkte offengelegt. Es geht zum einen um neue Regeln Soll man den Zuzug von Migranten noch stärker begrenzen, obwohl die Bundesregierung die Asylpolitik bereits verschärft hat? Zum Zweiten geht es um den Umgang mit der in Teilen rechtsextremistischen AfD. Und drittens geht es natürlich auch um die Wahlkämpfe und die Frage, ob sie für hohe Staatsämter geeignet sind. Hat Kanzlerkandidat Merz einen schweren Fehler begangen, weil er Rechtsextremisten im Bundestag hoffähig machte? Oder war seine Initiative vielmehr richtig, weil Deutschland eine restriktivere Migrationspolitik braucht und der Bundestagswahlkampf der passende Moment ist, um darüber zu diskutieren? Darüber spreche ich heute mit zwei Politikexperten. Zum einen Andreas Rödder. Er ist Professor für Neueste Geschichte an der Universität Mainz und Vorsitzender der liberal konservativen Denkfabrik Republik 21. Bis vor anderthalb Jahren hat er die CDU-Grundwertekommission geleitet. Hallo, lieber Herr Rödder. Schön, dass Sie dabei sind.

00:03:26: Andreas Rödder: Hallo Herr Harms! Ich freue mich.

00:03:29: Florian Harms: Und zum Zweiten Christoph Schwennicke, Politikchef von der Online, der schon vor Jahren Angela Merkels Flüchtlingspolitik kritisiert hat, als die meisten Kommentatoren sie noch gut hießen. Hallo lieber Christoph, hallo lieber Herr Rödder. Hallo Florian! Hallo Deutschland! Und ich bin Florian Harms, Chefredakteur von t-online und Herr Rödder, die erste Frage geht an Sie. Hat Friedrich Merz im Bundestag die Brandmauer zur AfD eingerissen?

00:03:55: Andreas Rödder: Im Bundestag ist eine Diskussion geführt worden, die längst überfällig war. Und Sie haben es vorhin in Ihrer Anmoderation schon angedeutet, dass, glaube ich, unglaublich wichtig ist, dass wir die Dinge sortieren und dass wir das auch in diesem Podcast tun. Wir müssen reden über die Frage der Migrationspolitik und die Frage des Verhältnisses zur AfD. Also was ist passiert? Die CDU hat einen Entschließungsantrag am Mittwoch und eine Gesetzesvorlage am Freitag eingebracht und die AfD hat dieser Vorlage zugestimmt. Die CDU hat zur selben Zeit sehr deutlich kommuniziert, dass sie mit der AfD nicht zusammenarbeiten werde. Insofern kann man der CDU genau genommen nicht mal vorwerfen, dass sie die Brandmauer eingerissen habe, weil sie diese Unterschiede und das Kooperationsverbot nach wie vor sehr deutlich kommuniziert hat. Gleichwohl hat sie einen Antrag eingebracht, von dem sie wusste, dass die AfD ihm zustimmen würde. Das sind schon zwei unterschiedliche Dinge. Aber auch vom Grundsatz her würde ich sagen Allein diese Frage Brandmauer ja oder nein deutet auf ein Problem, das wir in diesem Land haben, hin, weil diese ganze Brandmauer Diskussion mittlerweile zu einer geradezu hysterischen Ja Nein Frage geworden ist, wo ich immer sagen würde Lasst uns doch rote Linien ziehen und über die Sache sprechen, statt so pauschal zu sagen Brandmauer ja oder nein, noch höher oder Loch darin. Ich glaube, diese Art von dichotomischer Kommunikation hilft uns gar nicht weiter. Und es ist unsere Chance hier, dass wir diese ganzen Dinge ein bisschen sortieren.

00:05:32: Florian Harms: Das wollen wir gerne tun. Aber vorhin noch einmal nachgehakt Es steht doch aber fest, dass Friedrich Merz sein Wort gebrochen hat. Im November hat er nämlich angekündigt, er wolle nur solche Anträge in den Bundestag einbringen. Das Zitat Weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen hier im Haus in der Sache auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da zustande kommt. Und bei denen, da zeigt er auf die AfD Abgeordneten. Jetzt hat er aber genau das gemacht. Er hat in Kauf genommen, dass sein Antrag nur mithilfe der AfD verabschiedet wurde. Heißt das, dass jetzt die Grenze zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus doch verschwimmt?

00:06:09: Andreas Rödder: Jetzt werde ich gleich da wieder etwas vorsichtiger. Auch die Dinge würde ich auseinander sortieren. Friedrich Merz hat das, was Sie gerade gesagt haben, ja in der Tat gesagt und als Vorschlag an SPD und Grüne formuliert. Worüber dann aber gar keine Einigung erzielt worden ist. Insofern hat er auch gegen keine getroffene Einigung verstoßen. Gleichwohl gibt es natürlich einen Widerspruch zwischen diesen beiden Aussagen. Den schafft auch der Tatbestand des in der Zwischenzeit eingetretenen Mordes oder Doppelmordes von Aschaffenburg nicht aus der Welt. Es zeigt aber, dass solche Festlegungen nicht unbedingt hilfreich sind, weil auf die Art und Weise wie jetzt schon wieder darüber diskutieren, ob Merz heute dem widersprochen hat, was er im November gesagt hat und gar nicht dazu kommt oder noch gar nicht dabei sind, über das zu diskutieren, was in dieser Woche im Bundestag gewesen ist und was dann in der Tat in der Sache zu diskutieren ist.

00:07:07: Florian Harms: Wir reden gleich über die Sache, aber bevor wir das tun, möchte ich schon noch mal diese Dimension ausleuchten und Christoph dich fragen. Du beobachtest ja die deutsche Politik seit vielen Jahren. Was erleben wir da gerade? Ist das nur ein Streit um ein Sachthema wie jetzt die Migrationspolitik und den taktischen Umgang mit der AfD? Oder geht es da nicht noch um viel Grundsätzlicheres, nämlich die Frage, ob die Politik überhaupt noch in der Lage ist, den Wählerwillen umzusetzen, wenn sie jetzt um solche großen Fragen redet?

00:07:33: Christoph Schwennicke: Ja, ich glaube, darum ging es auch Friedrich Merz bei seinem Manöver, von dem er von Anfang an wissen musste und bestimmt auch gewusst hat, dass es Risiken birgt. Etwa die Vorhalte, die du ja aufgeführt hast und zu denen Herr Schröder auch Stellung genommen hat. Und es war ja bis hierher so, dass einer klaren Mehrheit in der Bevölkerung, die sich eine restriktivere Migrationspolitik wünscht, keine Mehrheit im Bundestag gegenüberstand oder sich diese dort nicht abgebildet hat, weil eben Teile dieser Mehrheit von der AfD vertreten werden. Er hat sich dann in Güterabwägung sozusagen über diesen Punkt hinweggesetzt, nachdem darauf hat Herr Rödder gerade schon hingewiesen, nachdem wirklich viele, viele, viele Versuche Migrationspakt Deutschland Pakt Ich kann die Namen schon gar nicht mehr alle aufzählen, die das die die jeweiligen Verhandlungsrunden hatten, gescheitert waren. Und ja, er ist glaube ich jemand, der auch impulsiv ist. Und Aschaffenburg hat da einen Impuls ausgelöst, der auch mit einem Risiko verbunden war. Aber ich rede jetzt mal und er hat dafür ja auch all diese Kritik bekommen. Du hast sie zitiert, mit denen er rechnen musste. Nur wenn ich mir am Freitag die Debatte angeschaut habe, dann muss ich sagen Das war vielleicht gar nicht so verkehrt, dass diese Debatte so stattgefunden hat. Denn das war Politik am offenen Herzen, das war ich. Ich gucke wirklich jetzt seit 30 Jahren auf. Parlamentarismus, Politik, politischen Betrieb in Berlin. So was habe ich noch nicht erlebt. Es waren Parlamentarier am Rande des Nervenzusammenbruchs, aber es lag alles offen auf dem Tisch, sodass jeder und jede, der oder die sich das angeschaut hat, gerade von den Unentschlossenen, sich da ein sehr, sehr genaues Bild machen konnten und viel rausziehen konnten für die Wahlentscheidung, die am drei und 20. Februar ansteht. Ich habe drei Blöcke gesehen. Ich habe die AfD gesehen. Ich habe schwarz gelb gesehen und ich habe rot grün gesehen. Das waren die drei hauptsächlichen Blöcke. Das hat man im Klatschverhalten festmachen können, in der Mimik, in der Gestik. Das war sehr eindeutig. Und natürlich sind da Schuldzuweisungen noch und nöcher passiert, in die eine und in eine andere Richtung. Aber jenseits dessen konnte man sich als politisch interessierter Mensch hier ein sehr klares Bild machen Wer steht wofür?

00:09:43: Andreas Rödder: Darf ich da gerade ergänzen? Das, was Sie gerade sagen, diese Blöcke sichtbar zu machen, halte ich auch für einen enormen Fortschritt. Wird dies, was die Sichtbarkeit und Zurechenbarkeit unseres politischen Systems angeht. Denn vorher sind wir uns ja in irgendwelchen Koalitionsfragen ergangen. Und die Frage war Wer unterscheidet sich eigentlich von wem noch wie? Und ich glaube, das ist in der Tat deutlicher geworden. Und da kann man sagen Freunde, das ist Demokratie.

00:10:10: Florian Harms: Also wäre das wirklich dann ja, in dem Sinne ja vielleicht nicht eine Sternstunde, aber schon eine ganz besonderer Tag im Bundestag gewesen. Die Debatte zog sich auch den ganzen Tag hin. Man wartete immer darauf ankommt es denn nun zur Abstimmung? Genau wie Sie und wie du, Christoph, habe ich da auch die ganze Zeit versucht dranzubleiben. Wenn man jetzt aber mal schaut. Ja, da ist plastisch geworden, worüber man in diesem Land dringend reden sollte, nämlich die Frage, wie man künftig mit der Asyl- und Migrationspolitik umgeht und dass man das eben nicht nur in irgendwelchen Gremien in Brüssel macht, wo dann ein Konstrukt wie Gas herauskommt, also die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik. Was, glaube ich, vielen Bürgern dann gar nicht so richtig ein Begriff ist, sondern hier hat man wirklich mal gesehen, hier streiten die im Bundestag. Und trotzdem habe ich so ein bisschen das Gefühl, na ja, da hat es in dieser Debatte jetzt ganz schön viele Verlierer gegeben, nämlich durchaus die aufseiten der SPD und der Grünen, die eher über die moralische Frage gesprochen haben Da kann man oder darf man mit der AfD in irgendeiner Form sich abstimmen oder nicht? Und dann auf der anderen Seite Friedrich Merz, dessen Gesetzentwurf für das sogenannte Zustrom Begrenzungsgesetz am Ende abgelehnt worden ist. Und die einzigen Gewinner waren doch die AfD. Die saßen da feixend und hatten so das Gefühl Na ja, als müssen alle über das reden, was uns das wichtigste Thema ist seit Monaten. Schadet das nicht der demokratischen Kultur im Land? Christoph vielleicht als erster.

00:11:31: Christoph Schwennicke: Also du beschreibst sie richtig. Sie haben. Sie haben heute wieder das sehr genossen, haben ja auch immer gesagt na ja, natürlich sind wir dafür, ist ja alles bei uns abgeschrieben usw. Ich stelle nur mal die Gegenfrage Wenn man zu dem Ergebnis kommt, wie es die Unionsfraktion, wie die Unionsparteien gekommen sind, dass diese Dinge notwendig sind, soll man sie dann nicht machen oder zur Abstimmung stellen, nur weil die Falschen dafür auch sind? Jetzt höre ich mich schon an wie Friedrich Merz, aber der Punkt ist glaube ich valide, der ist valide und es heißt ja noch lange nicht, dass sie das die Union deswegen AfD affin ist. Da gibt es so viele Punkte, diese Russland liebschaft, die die AfD hegt und pflegt, Austritt aus der NATO, also da kann man so viel aufzählen, wo klar ist no way at all, dass man da irgendwie zusammenkäme. Aber an diesem Punkt gibt es eben Übereinstimmung, die sich in diesem Entschließungsantrag und auch in dem Gesetzentwurf wiederfinden. Und die Frage aber, die du stellst, die wird erst in den nächsten Tagen, glaube ich, zu beantworten sein, wenn wir auf die, auf die Meinungsumfragen gucken, ja, die Gefahr besteht, dass auch Wasser auf die Mühlen der AfD noch mal fließen. Aber es ist nicht ganz ausgemacht, dass das unbedingt so sein muss, sondern dass vielleicht es auch Leute gibt. Es wäre jedenfalls meine Hoffnung als Staatsbürger, dass es Leute gibt, die sagen okay, ich nehm dem jetzt das jetzt ab diesem März, dass er in diesem Thema diese Position vertritt. Und dann muss ich vielleicht nicht unbedingt meine Stimme der AfD geben.

00:13:01: Florian Harms: Herr Rödder, bei aller Aufregung muss man ja auch sagen Viele Menschen halten die Einbindung der AfD zwar für hochgefährlich, viele andere Menschen im Land sind jedoch froh, dass es im Bundestag endlich eine Mehrheit gibt, die nach den Gewalttaten von Migranten in Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen, Mannheim härter gegen die ungeregelte Einwanderung vorgehen will. Ich habe dazu mal zwei Hörerstimmen mitgebracht. Eine Hörerin sagt:

00:13:23: Ton befragte Frau: Ich denke, dass jeder das Recht hat, in einem sicheren Land zu leben und keiner was dafür kann, wo er geboren wurde. Das kann sich ja keiner aussuchen. Stellen wir uns mal vor, wir hätten jetzt Krieg. Wir würden ja auch wollen, dass uns jemand aufnimmt, ohne uns an der Grenze abzuweisen.

00:13:37: Florian Harms: Anders sieht es diese Hörerin.

00:13:39: Ton befragte Frau: Ich finde, das nimmt jetzt hier alles überhand in Deutschen, nicht nur in Deutschland. Ich finde es sind zu viele Menschen Flüchtlinge hier, die uns ja auch nichts bringen, Wie wir sagen immer wieder. Wir brauchen Leute, die was weiß ich hier. In allen Bereichen aber, die zu uns gekommen sind, das sind leider die Falschen.

00:14:01: Florian Harms: Das führt mich zur vielleicht wichtigsten Frage in dieser Debatte. Wie kann denn die Politik die berechtigten Sicherheitsbedenken in der Bevölkerung ernst nehmen, ohne populistischen Strömungen nachzugeben?

00:14:12: Andreas Rödder: Also darf ich zunächst noch mal ganz kurz auf das Thema von vorher zurückkommen, bevor ich anschließend daran Ihre Frage beantworte, wie das Ganze, was da am Freitag passiert ist, jetzt eigentlich ausgeht. Das ist noch gar nicht ganz ausgemacht. Sie haben, Herr Harms, zu Recht darauf hingewiesen, wer möglicherweise alles verloren hat. Dieselben, die etwas verloren haben, können aber auch Dinge gewonnen haben. Rot Grün hat, und das sehen Sie ja jetzt auch an den öffentlichen Protesten mobilisiert. Die haben für ihre Sache, die Öffentlichkeit, diese Proteste auf den Straßen und auch ihre Wählerschaft deutlich mobilisiert. Bei Friedrich Merz ist die Frage, ob nicht möglicherweise sein Kalkül insbesondere durch die Abstimmungsniederlage am Freitag aufgegangen ist. Denn er kann ja jetzt sagen Wenn jemand will oder Wenn ihr wollt, dass sich etwas verändert, dann wird das nur mit der CDU sein. Und wir haben deutlich gesagt Mit der AfD zusammen werden wir es nicht machen. Die CDU steht nach dem Freitag möglicherweise deutlicher denn je als die Alternative da. Die AfD hat vor der Hand in der Tat, wie Sie sagen, gewonnen. Steht jetzt auch da und sagt Wir haben es doch schon immer gesagt, ist aber zugleich politisch auch isoliert. Also wie das Ganze ausgeht am drei und 20. Februar und danach, das ist noch überhaupt nicht ausgemacht. Aber zugleich ist eine enorme Dynamik in diesem Wahlkampf nun hineingekommen, der übrigens auch für die FDP gilt, die jetzt auf einmal wieder als der große Koalitionspartner an der Seite der CDU steht, was bis vor wenigen Tagen noch kaum der Fall war, als alle darüber spekuliert haben, einschließlich der CDU selbst, ob die CDU eigentlich mit der SPD oder mit den Grünen koalieren würde. Und damit waren die Optionen aber auch schon erschöpft. Also die Situation ist sehr viel offener. Und um jetzt auf Ihre Frage zurückzukommen, Herr Harms, ich finde, wir müssen wirklich zwei Dinge unterscheiden Was das eine ist die Frage der Migration, und das andere ist die Frage des Umgangs mit der AfD. Und was die Migration angeht. Lasst uns bitte über die Sache reden und was wir da feststellen müssen, das hat Herr Schwennicke ja gerade auch schon gesagt, ist ein Befund, der eigentlich zehn Jahre alt ist. Schon 2015 haben wir festgestellt, dass europäisches Migrationssystem in der Verbindung des Schengenabkommens mit den Dublinverordnungen nicht funktioniert, dass die Zustände, die wir haben, von denen wir auch sagen, dass wir sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof usw gar nicht mehr bewegen können. Dass das alles nicht funktioniert. Wir haben eine Dysfunktionalität zwischen diesen unterschiedlichen Ebenen, die auf der in der Migrationspolitik eine Rolle spielen. Das hat zu der Blockade geführt, die wir jetzt zehn Jahre lang erlebt haben. Und man wird nicht umhinkommen zu sagen Wenn ein System nicht funktioniert, dann muss man den gordischen Knoten irgendwann durchschlagen. Und das ist es, was jetzt passiert. Und ich würde über diese Migrationsfrage von der Zielbestimmung her was wollen wir eigentlich umsetzen, gerne in der Sache sprechen können, ohne dass man das sofort immer so moralisierend auflädt. Und das gilt übrigens genauso für den Umgang mit der AfD. Und wissen Sie, ich habe immer die Verächtlichkeit im Tonfall der AfD abgelehnt, in dem die AfD über die Systemparteien, wie sie das dann nennt, spricht. Aber der Tonfall gegenüber der AfD ist ja nicht weniger verächtlich und ich würde mir einfach wünschen einfach mal verbal abrüsten. Rote Linien, die Themen betreffen, markieren statt Brandmauern zu bauen und eigene sachliche Profile gegeneinander stellen. In der Sache argumentieren. Und wer hindert einen denn daran, auch mit der AfD hart in der Sache zu argumentieren, statt ständig nur gegenseitig Ungerechtigkeiten auszutauschen?

00:18:05: Florian Harms: Gut, dann vielen wir das jetzt ein bisschen auseinander. Und dann würde ich vorschlagen, bevor wir gleich noch mal auf die AfD und ihre innere Radikalisierung eingehen, reden wir jetzt einmal dezidierter über die Asyl und Migrationspolitik. Und da ist es ja so Sie haben es gerade geschildert, dass der Umgang mit Migration jahrelang in Deutschland lax gewesen ist. Wir erinnern uns alle an das Jahr 2015 als unter der Merkelregierung über 1 Million syrische Flüchtlinge ins Land kamen und danach eben auch noch viele andere aus Nordafrika und anderen Ländern. Und dann hat sich aber was getan. Und gerade jetzt, in den vergangenen anderthalb, zwei Jahren, ist die Migrationspolitik und insbesondere die Asylpolitik drastisch verschärft worden. Die europäischen Staaten haben sich zusammengerauft, haben die sogenannte gemeinsame europäische Sicherheitspolitik geschaffen. Dass es so, dass ab 2026, wenn das alles umgesetzt wird in nationales Recht, dann die EU-Außengrenzen hart geschützt werden sollen. Da sollen sogar dann Asylzentren eingerichtet werden, wo die Ankommenden dann überprüft werden. Das heißt sie kommen gar nicht mehr erst in die Länder hinein, sondern es wird direkt an den Grenzen geprüft. Und wenn ihr Gesuch abgelehnt wird, dann werden sie zurückgeschickt. Das heißt, das gibt es alles. Es muss nur in nationales Recht umgesetzt werden und es gibt viele weitere Verschärfungen. Trotzdem habe ich den Eindruck, reden wir in der Debatte gerade so und tun auch viele Leute so, als gäbe es das alles gar nicht. Als stünden wir immer noch an dem Stand von 2015 folgende, wo eben ungehemmt Migranten nach Deutschland rein strömen. Ist das so, dass sich da was verschiebt oder dass da auch die Aufrichtigkeit in der Debatte fehlt? Christoph, wie schaust du drauf?

00:19:44: Christoph Schwennicke: Ja, da bringst du mich jetzt in ein gewisses Dilemma, weil ich jetzt meinem eigenen Chefredakteur ein Stück weit widersprechen muss. Das darfst du. Also du hast ja die Eckdaten genannt 2026, Juno 2026 muss GEAS umgesetzt sein, jeweils in nationales Recht. Es ist noch nirgends passiert, ich wiederhole noch nirgends passiert. Und auch hier zeichnet sich In Deutschland zeichnet sich nicht viel ab. Am Freitag hat die FDP versucht, eine Verbindung herzustellen zwischen Geras Abstimmung und dem Antrag der CDU CSU. Auch das hat nicht geklappt. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin nicht so sicher, ob das wirklich kommt. Bin ich wirklich nicht sicher. Und ich glaube, es ist einen Versuch wert, den eigentlichen Magneten und das ist Deutschland, den eigentlichen Magneten etwas weniger magnetisch zu machen, als er ist. Und wenn dieser Magnet nicht mehr so magnetisch ist, wie er wir war und wie er letzten Endes ist, tut mir sehr leid. Ich muss den Namen nennen von Angela Merkel auch magnetisch gemacht wurde. Dann werden auch die anderen Länder sehen, dass es nachlässt. Deswegen bringt mich jetzt auch nicht so wahnsinnig aus der Ruhe, dass der österreichische Bundeskanzler gesagt hat Das können wir gar nicht machen. Das, was der Merz da vorhat, weil auch für diese Länder das to be seen. Ihr könnt mich dann kritisieren und tadeln, dass ich da falsch gelegen habe, aber dass auch für diese Länder der Druck nachlässt. In dem Moment, wo der Sog Deutschlands nicht mehr so stark ist, wir eben über die letzten zehn Jahre war und ist.

00:21:14: Andreas Rödder: Und dann muss man jetzt noch eins dazusagen Wir reden von GEAS, davon, dass in 16 Monaten etwas auf den Weg kommen soll, was seit zehn Jahren ein Problem ist. Ich meine, dass das jetzt nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme in einer Bevölkerung ist, die zunehmend mit solchen Gewalttaten konfrontiert ist und den Eindruck hat, dass Asylrecht zu einem Instrument für irreguläre Migration geworden ist. Ich meine, das darf einen ja nicht wundern. Und es kommt noch eines dazu. Ich meine, wenn wir realistisch sind und auf europäische Politik schauen, dann hat die Europäische Union sich seit 30 Jahren immer wieder durch eine charakteristische Mischung von über Ambition und Untererfüllung ausgezeichnet. Und das sind alles Probleme. Wissen Sie, hier steht die Verlässlichkeit politischen Handelns auf dem Spiel. Und das ist schon der Kernbereich der Legitimität einer Demokratie bzw der Europäischen Union. Und Legitimität hat etwas zu tun mit der Akzeptanz in der Wählerschaft. Und wenn die angefressen wird, dann frisst man sozusagen am Fundament oder an den tragenden Balken eines solchen Systems. Insofern sind das keine Trivialitäten, über die wir hier reden, sondern wir reden über das systemische Vertrauen in die Demokratie. Und wenn da immer nur angekündigt wird, aber nicht geliefert wird, dann kann so etwas und wird zu etwas, zum System Problem.

00:22:43: Florian Harms: Und kann es nicht aber auch sein, dass einfach die gesamte Materie, der Umgang mit möglicherweise Gefährdern oder auch Migranten, die sich hier noch aufhalten und das eigentlich gar nicht mehr sollten, so kompliziert ist, dass man eben die von Ihnen, Herr Rödder, benannte Verlässlichkeit des politischen Handelns nur schwerlich herstellen kann. Ich gebe nur mal ein Beispiel Im Fall des Täters von Aschaffenburg ist es ja so gewesen, der war ausreisepflichtig und das hat aber nicht geklappt. Da gab es Abstimmungsschwierigkeiten zwischen dem Bundesamt für Migration und den Behörden in Bayern, und das ging wochenlang hin und her. Und es kam eben nicht dazu, dass er rechtzeitig ausgewiesen werden konnte. Dabei muss man, glaube ich, auch noch bedenken, dass die Länder, die solche Personen dann aufnehmen sollen, in dem Fall wäre es Bulgarien gewesen, häufig auch noch große Steine in den Weg legen, weil man dann von denen hört Na ja, ihr könnt uns die Person übergeben, aber nur in einem bestimmten Zeitraum an bestimmten Wochentagen zu bestimmten Uhrzeiten. Das heißt, das gehört alles noch mit zu dieser Komplexität dazu und ich habe schon den Eindruck, dass das nicht adäquat wiedergegeben worden ist in dieser doch zum Teil recht pauschal geführten Debatte im Bundestag jetzt diese Woche. Wie haben Sie das gesehen, Herr Rödder?

00:23:53: Andreas Rödder: Ja, das kann schon. Seien. Aber was sie dir gerade skizzieren, Herr Harms, ist ja die Gegenüberstellung eines ganz komplexen Rechtssystems, von dem sie ja gerade zurecht sagt Das ist so komplex, dass in der Konsequenz es nicht funktioniert. Und die Konsequenz daraus sind dann nicht nur wir nehmen das natürlich jetzt besonders herausgehoben wahr. Aber sind eben solche Gewalttaten, wie sie in Aschaffenburg und in Magdeburg und in Solingen und in Mannheim und und und passiert sind. So, und wenn Sie eine solche Diskrepanz, Herr Harms haben zwischen einem nicht funktionierenden, komplexen System und der Realität solcher Gewalttaten, dann ist die Frage Was ist denn die Konsequenz? Und ich kann Ihnen sagen, was die Konsequenz ist. Schauen Sie mal in die USA. Wir bauen eine Mauer nach Mexiko, and the mexican will pay for it. Wir machen die Grenze dicht und da wird überhaupt nicht mehr gefackelt. Das ist die Antwort von Donald Trump. Und wissen Sie, wie die Antwort der AfD heißt Und. Und Alice Weidel hat es hier jetzt ganz deutlich explizit so gesagt. Sie hat gesagt und wenn es Remigration heißt, dann heißt es Remigration und dann sind wir auf der Ebene der Debatte. Und ich will jetzt etwas anders, etwas allgemeiner formulieren. Wir erleben im Moment auf allen Ebenen in westlichen Gesellschaften, von Österreich über Italien bis in die USA und in Deutschland einen massiven Pendelschlag nach rechts. Die Zeit der grünen Hegemonie ist vorbei. In den USA heißt es dann die Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Und die entscheidende Frage im Moment ist die Gelingt es der gemäßigten demokratischen rechten Mitte, diesen Pendelschlag abzufangen, oder rauscht das Pendel durch hin zur extremen Rechten, Das heißt in deutscher Parteipolitik gelingt es der CDU, diesen Pendelschlag abzufangen? Das ist es, was Friedrich Merz diese Woche versucht hat. Oder rauscht das Pendel durch zur AfD und wir erleben österreichische Verhältnisse? Sie haben vorhin gesagt Kann es nicht sein, das. Ja, das kann alles sein. Und ich glaube, an diesem ganz entscheidenden Punkt steht die deutsche Demokratie. Steht das deutsche politische System jetzt in diesen Wochen im Zulauf auf die Bundestagswahl. Und insofern bin ich immer skeptisch, wenn man von Schicksalswahl spricht. Aber in dem Fall muss man sagen, hier entscheidet sich wirklich was.

00:26:15: Christoph Schwennicke: Ich würde eines noch gerne ergänzen, Florian. Zu dem, was du ausgeführt hast, über den Fall von Aschaffenburg, aber auch strukturell darüber hinaus. Ich glaube, dass es einfach so ist und das ist auch richtig. So ist das in einem Rechtsstaat, der wir sind Gott sei Dank in einem gut funktionierenden Rechtsstaat. Die Sache mit dem raus sage ich jetzt mal sich schwierig gestaltet, übrigens auch durch Überlastung der zuständigen Behörden. Das hat der Fall ja auch erwiesen, dass das BAMF da nicht hinterher kam. Also wenn ich das richtig gelesen habe. Und deswegen setzen die Vorschläge von von Merz auch in erster Linie an dem an dem Rhein an, um es jetzt mal in ganz schlichten Worten in ganz einfachem Deutsch zu sagen. Und das halte ich für richtig, weil natürlich ist Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Nase gefallen mit seinem Satz Wir schieben jetzt in ganz großem Stil ab. Das geht so nicht in einem Rechtsstaat. Es geht schlicht so nicht. Und deswegen muss an der anderen Seite angesetzt werden. Und um dieses Vertrauen, von dem der Herr Rödder gesprochen hat, in das politische System wiederherzustellen Es ist wirklich stark beschädigt. Und vielleicht ist es tatsächlich so, dass wir noch eine Chance haben, eine Legislatur haben, dass das sich sozusagen Gemäßigten in der demokratischen Mitte, dass die demokratische Mitte das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung zurückgewinnt.

00:27:35: Florian Harms: Möglicherweise haben wir noch genau diese Zeit. Dann müssen wir aber jetzt schon auch noch mal auf die AfD schauen. Wir haben kürzlich eine Rede gehört von Parteichefin Alice Weidel auf dem Parteitag in Riesa. Christoph, Du hast diese Rede in einem Kommentar totalitär faschistoid genannt. Ja, du bist sehr scharf mit ihr ins Gericht gegangen. Hat die Radikalisierung der AfD, von der man ja in Verfassungsschutzberichten lesen kann, von der man in den sozialen Medien erfährt, mittlerweile die Parteispitze erreicht?

00:28:03: Christoph Schwennicke: Ja, und zwar. Also mir ist wirklich, als ich die Riesa rede gehört habe, diesen diesen Passus Wenn wir am Ruder sind, dann reißen wir die Windmühlen ein und dann schmeißen wir die Genderprofessur, ihre Kolleginnen und Kollegen heraus aus den Lehrstühlen usw. Entschuldigung, das war ein Ton, der unselig an an andere Zeiten erinnert hat, um es mal ganz vorsichtig zu sagen. Fürchterlich, Wirklich fürchterlich. Und dazu noch ein Gesichtsausdruck, wo man dachte das ist ja schiere Raserei, was? Was da gerade passiert und ihr passiert genau das, Frau Weidel passiert genau das, was all ihren Vorgängerinnen und Vorgängern auch passiert ist. Sie ist angetreten, die Radikalen einzudämmen bei der AfD und hat irgendwann einen Pakt mit ihnen geschlossen und ist von ihnen quasi gefressen worden und nimmt jetzt ihre Tonalität an und das Ergebnis wird sein, dass sie irgendwann auch über die Wupper geht. Genauso wie Herr Meuthen, genauso wie Frau Petry. Genauso wie alle. Dies versucht haben, diese dieses Monstrum, was sie selber ein Stück weit gezüchtet haben, in den Griff zu bekommen. So und aber mit dieser Rede von Risa auch mit der Begrifflichkeit, auf die Herr Rödder vorhin hinwies Remigration, das ist ein zutiefst zynischer Begriff, weil das eine Die Migration ist ein aktiver Akt, wo ich ein besseres Leben suche. Aktiv ja, das, wofür man Verständnis haben muss, wofür ich auch Verständnis habe. Das andere ist ein erlittener Akt. Ich werde sozusagen deportiert. Das heißt es so, und ich finde, da steckt so viel Zynismus drin, dass keiner mehr sagen kann Ich habe es nicht gewusst, wofür diese Partei steht.

00:29:33: Florian Harms: Das heißt, die AfD ist sehr stark nach rechts gerückt, sie ist radikalisiert. Noch mal man kann das in vielen Verfassungsschutzberichten auch nachlesen. Trotzdem mal die Gegenfrage an Sie, Herr Röder. Das sind ja jetzt ist ein relativ großes Wählerpotenzial. Ich habe es vorhin gesagt über 20 % in den Umfragen. Sehen Sie denn irgendwo eine Chance, dass sich die AfD irgendwann ent radikalisiert, vielleicht normalisiert und eine Art rechtslastige, aber eben vollständig verfassungstreue stehende Partei wieder wird?

00:30:03: Andreas Rödder: Jedenfalls nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher. Denn genau das haben wir doch in den letzten zwölf Jahren erlebt. Eine von beiden Seiten ständig angetriebene Eskalationsspirale, die ja Herr Schwennicke gerade auch beschrieben hat. Das hat ja schon angefangen, als dieser weiß Gott harmlose Bernd Lucke eine Professorenpartei von Eurorettungskritikern, meinethalben auch Eurokritikern gegründet hat. Selbst die hat man ja im Grunde schon als rechtsextrem ausgegrenzt. Dadurch haben die sich dann radikalisiert. Natürlich hat sich die AfD von sich aus radikalisiert. Da gab es auch von vornherein, ohne dass man das antreiben musste, diesen völkisch nationalistischen Flügel. Zugleich hat man die AfD weiter marginalisiert. Dann hat sie sich natürlich weiter radikalisiert und so ist diese Spirale immer weiter angetrieben worden. Und weil man und das Instrument dafür ist, die Brandmauer, weil man diese Radikalisierung in Deutschland von beiden Seiten immer weiter betrieben hat, hat sich diese Entwicklung eh nur in eine Richtung gedreht. Und in Deutschland ist eine Entwicklung ausgeblieben. Man hat die AfD auch der Überlegung enthoben, die ja die interessanteste Entwicklung in Europa ist, nämlich die Mäßigung rechter Parteien, allen voran Italien, aber in gewisser Weise auch in Frankreich, auch in den Niederlanden, auch in Skandinavien. Aber man hat der AfD ja gar nicht, die hat sie ja jeden Anlasses enthoben, darüber nachzudenken. Wollen wir uns eigentlich mäßigen und in Richtung Regierungsverantwortung gehen als eine rechtskonservative, aber verfassungskonforme Partei? Oder wollen wir uns, wie das? Die Theoretiker der Neuen Rechten wollen, weiter radikalisieren? Und deswegen ist genau das eingetreten, was Christoph Schwennicke sagt. Petry, Meuthen, Weidel haben immer den Pakt mit den völkischen oder nationalistischen Rechten gesucht und sind davon aufgefressen worden. Aber sie hatten auch nie die Option, dieser Partei eine Alternative zu bieten. Ich meine, Koalitionen oder Kooperationen sind im Moment weit weg, so wie sich diese Situation entwickelt hat. Aber mein Vorschlag wäre dringend, dass wir in der öffentlichen Diskussion abrüsten. Und ich sag noch mal diese Verächtlichkeit, die Christoph Schwennicke gerade in der Rhetorik der AfD genannt hat, die finden wir aber auch aufseiten der anderen Parteien, die über die AfD reden. Über die wird ja auch immer nur mit diesem Tonfall der Verächtlichkeit und nicht in einem Tonfall der Kritik geredet. Und ich würde dringend empfehlen, diese abzurüsten und diese Spirale zu durchbrechen. Wissen Sie, ich habe eine lange Liste an sehr klaren Gegenargumenten Gegenposition gegenüber der AfD. Ich würde aber auch da immer unterscheiden Was ist eigentlich verfassungsmäßig zulässig und nicht zulässig? Das ist die eine Trennlinie. Die andere ist in Was ist politisch zustimmungsfähig und was nicht. Das sind übrigens zwei unterschiedliche Dinge und die muss ich unterschiedlich adressieren. Und im einen Fall muss man dem verfassungsrechtlich begegnen, im anderen Fall politisch. Und in dem Fall, wo es um die politische Begegnung geht, würde ich immer sagen selbstbewusst, hart in der Sache, aber in einem vernünftigen Tonfall mit der AfD diskutieren. Und noch mal also wir haben gerade jetzt mit unserer Denkfabrik einen Workshop gemacht über die Neue Rechte im 20. Jahrhundert. Was ich politisch sehr deutlich feststellen kann, ist erstens ein durchgängig ethnisch kollektivistisches Denken. Das kann übrigens verfassungswidrig sein, muss es aber nicht. Adressiere ich aber vor allen Dingen politisch, weil ich als liberaler Konservativer vom Individuum nicht und nicht vom Kollektiv ausgehe. Das zweite ist diese durchgängig antiliberale und antiwestliche Haltung. Die ist auch nicht zwingend verfassungswidrig, würde ich aber politisch ganz hart adressieren. Und es gibt übrigens bei der AfD oder bei den Neuen Rechten immer schon eine charakteristische Uneindeutigkeit und Widersprüchlichkeit im Reden, so dass es auch immer zu einfach ist, immer nur zu sagen die sind antidemokratisch. Die Situation ist komplexer und ich würde vor allen Dingen von Seiten der bürgerlichen Mitte sagen selbstbewusst, hart in der Sache, aber in der Sache argumentieren und nicht immer ad personam. Ich glaube, das wäre der Weg. Konditionierte Gesprächsbereitschaft mit harter Kritik und Kontroverse in der Sache. Das, glaube ich, ist der richtige Weg, um mit der AfD umzugehen.

00:34:31: Florian Harms: Wobei er zur Wahrheit schon auch gehört und das kann man eben noch mal in vielen Verfassungsschutzberichten nachlesen, dass große Teile der AfD sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten und das auch öffentlich sagen. Also zum Teil auf Parteiveranstaltungen, zum Teil aber auch öffentlich, zum Teil in den sozialen Medien. Das muss man doch klar benennen dürfen.

00:34:49: Andreas Rödder: Ich sagte ja, das ist diese typische Widersprüchlichkeit. In den programmatischen Dokumenten der AfD werden Sie das nicht finden. In einzelnen Äußerungen finden sie es immer wieder. Und es wäre so wohl falsch, einfach immer nur zu sagen So! Draufzuhauen. Die sind antidemokratisch. Wäre genauso falsch wie zu sagen wieso. Das steht doch in dem Programm gar nicht. Sie sind doch gar nicht antidemokratisch. Nein, diese Widersprüchlichkeit, die ist Kommt sie zu tief für die AfD. Und die muss man auch benennen. Und die muss man auch klar kritisieren. Aber lasst uns doch mit dem klaren, sachlichen Argument an die Dinge herangehen und nicht immer mit diesem Vorschlaghammer. AfD und völkisch und sonst irgendwas. Denn wissen Sie, auch wenn wir immer sagen, es gehört ja mittlerweile zum Parteinamen dazu, in teilweise teilweise gesichert, rechtsextrem oder so, jedenfalls in der Fremdbezeichnung. Auch da würde ich ein bisschen genauer hingucken. Also das, was die AfD da zum Beispiel im Hinblick auf Volk und ethnische Herkunft sagt. Solche Dinge können verfassungswidrig sein, sind es aber gar nicht unbedingt. Und auch da muss man differenzieren. Die da ist ja, es sind die Verfassungsschutzberichte auch nicht ganz fair, also jedenfalls nicht unstrittig in den Dingen. Und ich würde deswegen genau sagen Lasst es uns in der Sache klar benennen. Was ist verfassungswidrig und wo muss ich es politisch adressieren? Und wenn ich damit unterscheide, mein Gott, dann komme ich mit etwas weniger Schnappatmung. Eigentlich ein bisschen parlamentarisch demokratischer und sachlicher und ich glaube in der Konsequenz erfolgreicher rüber.

00:36:20: Christoph Schwennicke: Wobei ich sagen muss, wenn ich da kurz einhaken darf Sie verlangen schon sehr viel, Herr Rödder, denn es gibt ja schon eine gewisse, sagen wir mal, Asymmetrie bei dieser Forderung sozusagen. Die Grundlage ist eine schwierige, was Ihre Forderung des doppelten Endes der Verächtlichmachung anlangt. Denn mit AfDler zu argumentieren, in der Sache hart zu argumentieren, ist so einfach nicht, weil sie genau das ja nicht suchen und nicht wollen. Und deswegen ist es schwer. Wenn du einem Blinden was von einer Farbe erzählst. Und der Ton, der gesetzt wurde, wurde ja jetzt nicht aus der, sagen wir mal als aus der demokratischen Mitte so gesetzt, sondern den Ton hat die AfD gesetzt und dann.

00:37:00: Andreas Rödder: Hat es auch Herr Schwennicke auch, aber nicht nur. Also ich finde die demokratische Mitte hat auch keinen Grund zur Selbstgerechtigkeit. Also die Demos gegen Rechts, wo zwei Schilder hoch Gewehr gehalten werden gegen Hass und Hetze und das andere dann ganz Deutschland hasst die AfD. Finde den Fehler. Also ich finde da sollten wir die. Finde die bürgerliche Mitte hat wirklich allen Grund zu Selbstbewusstsein, aber auch zu Selbstkritik. Also ich finde, wir sollten uns, was diese Verächtlichkeit des Tonfalls angeht Natürlich kommt er von der AfD, aber er wird eben auch von den anderen betrieben. Und ich glaube abrüsten auf allen Seiten wäre etwas, was uns wirklich gut täte.

00:37:38: Florian Harms: Abrüsten auf allen Seiten. Ich glaube, das ist ein klarer Appell, den sich alle zu Herzen nehmen können. Mir bleibt noch als Bemerkung zu sagen Ich bin auch immer sehr für Aufrichtigkeit. Und ich nehme schon wahr, dass AfD Vertreter an vielen Stellen auch nicht immer aufrichtig argumentieren oder heute das eine sagen, morgen das andere, je nachdem, wo sie unterwegs sind, belassen wir es dabei. Vielen herzlichen Dank für diese ja muntere Diskussion. Ich hoffe, sie hat viele Hörerinnen und Hörer auch weitergebracht. Vielen Dank an Professor Andreas Rödder.

00:38:07: Andreas Rödder: War mir ein Vergnügen.

00:38:09: Florian Harms: Und an den t-online Politikchef Christoph Schwennicke.

00:38:12: Christoph Schwennicke: Ja, hat mir großen Spaß gemacht. Und bis zum nächsten Mal.

00:38:15: Florian Harms: Und natürlich auch an Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, dann abonnieren Sie den Tagesanbruch Podcast überall da, wo es Podcasts gibt, zum Beispiel auf Spotify oder Apple Podcasts. Dann werden Sie nämlich benachrichtigt, wenn es eine neue Folge gibt und Sie können dort auch unsere vorherigen Folgen reinhören, etwa in die mit Sigmar Gabriel oder mit Robert Habeck. Wenn Sie Anmerkungen oder Fragen haben, schicken Sie uns eine Sprachnachricht oder eine E-Mail an Podcasts@t-online.de. Ihnen allen wünsche ich ein schönes Wochenende und sage Tschüss und bleiben Sie uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

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von und mit Florian Harms

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