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Robert Habeck: Ich denke, dass ich die Ampel immer als vertane Chance oder als nicht genutzte Chance erinnern werde. Wir hätten damals schon ein großes Konjunkturprogramm, ein Preisstabilisierungsprogramm, ein Nachfrageprogramm entwickeln sollen. Da ist ein Fehler gemacht worden.

Florian Harms: Nur noch fünf Wochen sind es bis zum Termin der Bundestagswahl. Tatsächlich hat die Wahl aber schon begonnen. Die Bürger bekommen in diesen Tagen den Wahlaufruf geschickt. Nach der gescheiterten Ampelkoalition wünscht sich die Mehrheit eine stabile Regierung, die all die Probleme des Landes entschlossen anpackt. Vor der Wahl spricht sie online mit den Spitzenkandidaten der Parteien, heute mit Robert Habeck. Was hat der grüne Kanzlerkandidat aus den Fehlern der Ampelregierung gelernt? Wie will er Deutschland reformieren? Was hat er mit der Wirtschaft, dem Klima, den Steuern vor? Und wie würde er mit Donald Trump und dem Ukrainekrieg umgehen?

Florian Harms: Liebe Hörerinnen und Hörer, der Robert Habeck im Januar 2025 das ist ein anderer Politiker als der Robert Habeck des Jahres 2021. Zum Start der Ampelregierung vor gut drei Jahren stürzte der Grünenpolitiker sich in die klimafreundliche Transformation. Dann überfiel Putin die Ukraine, und der Wirtschaftsminister musste entgegen seinen Überzeugungen erst mal Flüssiggas Terminals bauen und die Kohleförderung verlängern. Als die deutsche Energieversorgung einigermaßen gesichert schien, griff Habeck auf seine ursprünglichen Pläne zurück und initiierte das Heizungsgesetz. Das wurde ein fürchterliches Debakel. Der erste Entwurf war unausgereift. Im ganzen Land liefen Firmen, Verbände und viele Bürger Sturm gegen das Vorhaben. Von diesem Rückschlag haben sich die Grünen bis heute nicht erholt. Auch deshalb, weil die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP in den folgenden Monaten mehr Zeit mit Streit als mit der Lösungssuche für die vielen Probleme des Landes verbrachten. Doch nach dem Scheitern der Ampelkoalition bekommt Robert Habeck nun eine neue Chance. Bei den Grünen hat er sich ziemlich geräuschlos gegen seine etwas Mitstreiterinnen Kontrahentin Annalena Baerbock jedenfalls durchgesetzt und zieht nun als Kanzlerkandidat in die Wahlschlacht. Die Wahlkampagne stellt ihn als nahbaren Menschen dar, als den Robert von nebenan, mit dem man am Küchentisch sitzen kann, der ein guter Typ sei und deshalb das Zeug zum Kanzler habe. Kann das funktionieren? Wir schauen lieber auf Inhalte als auf schöne Bilder. Deshalb haben wir Robert Habeck zum Gespräch gebeten. Wir, das sind.

Johannes Bebermeier: Johannes Bebermeier, politischer Reporter und zuständig für die Grünen.

Florian Harms: Und Florian Harms, Chefredakteur und zuständig für den heutigen Podcast. Wir begrüßen unseren Gast Robert Habeck.

Robert Habeck: Guten Tag.

Johannes Bebermeier: Herr Habeck! Als Donald Trump das erste Mal Präsident wurde, hat sich sein Vorgänger Barack Obama gefragt "What if we were wrong?" also was, wenn wir falsch lagen? Er hat befürchtet, dass er zu weit gegangen sein könnte mit seiner Reformagenda und Trump davon profitiert hat. Haben Sie daran mal denken müssen in den letzten Monaten?

Robert Habeck: Jetzt in den letzten Monaten nicht. Aber damals hat mich der Satz beeindruckt. In doppelter Hinsicht erst einmal, dass ein Ja, ein Weltpolitiker die Kraft zu Selbstzweifeln oder zum selbst hinterfragen aufbringt. Und dann auch natürlich in dem, was er gesagt hat, ob eine versöhnende Politik denn dafür stand ja Obama, dass er Bipartisanship, also die Lager zusammenbringen wollte, zur Spaltung beitragen kann. Am Ende muss man es verneinen, denn was soll man denn sonst tun, wenn man glaubt, dass Demokratie und Einigungsfähigkeit ein Wert sind, daran zu arbeiten und darauf zu setzen, ein Land zu einen. Aber es erklärt sehr viel, auch für unsere Gegenwart. Der Populismus hasst nicht den anderen Populismus, also der rechte den linken, der ist zum Teil reizvoll miteinander kombinierbar. Ich glaube auch, dass Alice Weidel und Sahra Wagenknecht sich sehr gut verstehen und schnell einigen würden. Ich meine, der Populismus hasst immer den Ausgleich, die Mitte, das Versöhnende.

Johannes Bebermeier: Sie haben darüber in Ihrem letzten Buch nachgedacht. Was haben Sie vor der Ampelkoalition geschrieben? Haben Sie da etwas Neues gelernt in dieser Ampelzeit, in der die Ampel ja durchaus auch unbestritten eine politische Reformagenda durchgesetzt hat?

Robert Habeck: Viel. Und ich bin noch nicht fertig damit, glaube ich. Mich interessiert nicht so sehr rückblickend in der Ampelzeit, wer hat wann was gesagt, nicht zurückgerufen oder irgendwie schlechte Laune verbreitet. Aber warum ist ein Bündnis, das eigentlich etwas Neues für das Land hätte bedeuten können und vielleicht auch ja Hoffnung darauf gemacht hat, dann gescheitert. Also ich habe viel darüber nachgedacht und auch viel gelernt.

Florian Harms: Jetzt könnte man ja denken, dass sie trotz guter Absichten mit dem Heizungsgesetz und der Art und Weise, wie es lanciert worden ist, die Klimadebatte eher verkompliziert haben und eher dazu beigetragen haben, dass die Debatte polarisierter geworden ist. Gehen Sie da mit?

Robert Habeck: Also die Ampel ist nicht am Heizungsgesetz gescheitert, sondern an widersprüchlichen Vorstellungen zur Finanzpolitik auf der technischen Seite und am Ende am mangelnden Willen, in diesem Fall vor allem der FDP. In einer Regierung für eine Regierung zu sein und sie nicht als strategischen Sprungbrett für eine Bundestagswahl zu nehmen. Das Heizungsgesetz war in der Zeit, als es wild diskutiert wurde, jetzt im Wahlkampf nämlich überhaupt nicht mehr als Thema war, nur noch als journalistische Nachfrage, sondern Menschen haben eher Sorge, dass die Union die ja gute und sozialpolitisch ausgewogene Förderung streicht. Das hat sich komplett umgedreht, würde ich denken. Im Moment, in der Debatte. Aber unstrittig hat das Heizungsgesetz damals die Öffentlichkeit erregt und die Debatte war eine harte und auch eine, die viel Geld gekostet hat. Und in der Zeit war natürlich das Heizungsgesetz Teil der Polarisierung der Gesellschaft, so wie andere Themen auch. Und eine Demokratie muss ja auch streiten und manchmal auch polarisiert streiten. Dann müssen Gesetze zurückgenommen werden, es werden Mehrheiten gewonnen oder verloren und man kann Dinge korrigieren. Man darf allerdings diesen Streit um einzelne Themen, seien sie relevant Klimaschutz, Migration oder vielleicht nicht so ganz relevant für so einen Streit, also symbolisch überhöht, Lastenfahrräder oder so etwas. Nicht verwechseln mit der Wirkweise des Populismus. Und der nimmt jeweils ein Thema, das für eine Gesellschaft wichtig ist. Legt es so mit Halbwahrheiten, mit Lügen, mit Verschwörungstheorien, mit Aggressivität, mit Unterstellungen auf, dass am Ende alle verunsichert sind. Verunsicherung führt zum Rumbrüllen oder zum Rückzug. Und darauf zielt der Populismus, dass er am Ende die Einigungsfähigkeit, die ja immer eine Mehrheitsfähigkeit bedeutet, in einer Demokratie unmöglich macht. Um dann zu sagen Guck mal, der Streit der liberalen Demokraten führt ja am Ende immer nur zu Uneinigkeit. Jetzt brauchen wir weniger Streit, weniger Vielfalt, weniger Demokratie. Wir brauchen identitäre Gesellschaften, ausgerichtete, homogene Politik und am Ende eine starke Führerperson, die für das Land bestimmt. Und dann finden wir am Ende irgendwie bei völkischen Wahnvorstellungen darauf liegt das an, also die verschiedenen Themen spielen da natürlich mit rein, auch damals inklusive Heizungsgesetz. Aber es wäre ein Irrtum, den Populismus, die Wirkweise des Populismus auf eine politische Frage zurückzuführen. Das würde ihn geradezu verniedlichen.

Florian Harms: Über den Populismus wollen wir gleich noch mal reden. Aber trotzdem noch mal nachgehakt: Sie sagen, Sie hören es im Wahlkampf nicht? Das sozusagen die Kritik...

Robert Habeck: Doch von Journalisten. Die journalistische Erinnerung an das Jahr 2023 ist noch wach. Aber die Menschen gucken nach vorne und haben ganz andere Sorgen.

Florian Harms: Aber die Menschen, wir sind ja auch unterwegs im Land. Und wir hören tatsächlich auch relativ viele Stimmen von Menschen, die sie nicht nur vergrätzt haben, sondern die richtig wütend sind und die sagen, der Habeck hat das damals durchgesetzt, dass mir unten im Keller jetzt meine Heizung rausgerissen werden soll. Ob das stimmen mag oder nicht.

Robert Habeck: Das stimmt natürlich nicht Dann hat sie ja offensichtlich...

Florian Harms: Deshalb die Frage aber einmal nachgehakt: Was ist so schwer? Sich einmal hinzustellen und zu sagen: Ich habe dann Fehler gemacht, das tut mir leid, das wollen wir künftig ganz anders machen.

Robert Habeck: Aber das ist doch gar nicht schwer. Und das habe ich. Ich glaube, es gibt noch keinen Politiker, der sich so häufig für ein Gesetz nicht entschuldigt, aber die Fehler eingeräumt hat wie ich. Das also das habe ich mehrfach getan. Aber was Sie wiederholt haben, zeigt ja gerade meine These. Es ging nie darum, irgendjemandem die Heizung aus dem Keller zu reißen. Das war. Das ist weder das Gesetz jetzt, noch war es jemals. Das ist ein Teil der Lügen, die darum verbreitet wurden, die sich offensichtlich festgesetzt haben. Das ist die Wirkweise des Populismus. Wir hatten ein Problem. Drohende Gasmangellage im Winter 2022 Die Sorge von vielen Menschen Unternehmen in Tausenden haben uns geschrieben Bitte uns nicht abstellen. Es war die Zeit, als sie die Innenstädte dunkel gemacht haben, wo wir die öffentlichen Gebäude nur auf 18 Grad erwärmt haben. Das war die Realität in Deutschland und da schien es weise zu sein, jetzt nicht noch das Problem zu vergrößern durch weiteren Einbau von beispielsweise Gasheizungen, da kam es ja her. Als das Gesetz die Welt erblickte, war der Winter schon längst vorbei. Oder man hatte das Gefühl, er ist vorbei und die Problemlage war eine andere. Das rechtfertigt den Druck, mit dem das Gesetz geschrieben wurde und erklärt den Druck, mit dem das Gesetz geschrieben wurde. Aber die Wirkweise des Populismus konnte man eben daran auch erklären oder erkennen, dass am Ende darüber nicht gestritten wurde. Also macht es Sinn, ein Gesetz so zu schreiben, sondern dass viele Unterstellungen damit verbunden wurden. Sie haben sie ja gerade noch mal wiederholt.

Johannes Bebermeier: Kommen wir zur Wirtschaft. Der geht es nicht so gut im Moment. Welchen Anteil haben Sie als Wirtschaftsminister an dieser Lage?

Robert Habeck: Nicht genug getan zu haben, aus der Krise herauszukommen, weil die Möglichkeiten dafür nicht da waren? Würde ich sagen.

Johannes Bebermeier: Hätten Sie stärker darauf drängen müssen. Sie waren Vizekanzler, Sie sind Vizekanzler.

Robert Habeck: Das würde ich sagen, dass das rückblickend eins der Fehler der Ampelregierung war. Ich weiß gar nicht, ob das Scholz oder Lindner anders sehen würden. Natürlich wusste man nicht, wie lange der Ukrainekrieg, also der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauern würde. Aber ich habe ja am Anfang des Krieges einmal ausgesprochen Dieser Krieg wird uns ärmer machen. Das war nicht so daher gesagt. Damals wurde so, das spricht eine unbequeme Wahrheit aus, darauf reagiert. Aber es folgte halt nichts oder nicht etwas, das groß genug, weil wir hätten damals schon ein großes Konjunkturprogramm, ein Preisstabilisierungsprogramm, ein Nachfrageprogramm entwickeln sollen. Hätten wir es nicht gebraucht, dann hätten wir es ja auch wieder einstellen können. Aber da ist ein Fehler gemacht worden. Wir hätten auf die konjunkturelle Schwäche, wie man es eigentlich in Krisen macht, mit einem Konjunkturpaket reagieren müssen. Trotzdem ist jetzt die Situation eine andere. Natürlich sind die Preise noch immer höher als vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Aber die Wirtschaftssituation Deutschlands reicht weiter zurück als nur bis zum Angriffskrieg Russlands. Wir haben eine tiefe strukturelle Krise, die darin beruht, dass die Voraussetzungen, die in den letzten 20 Jahren den Wohlstand geschaffen haben, nicht mehr da sind. Und deswegen muss man ein bisschen mehr machen, als zu sagen ein Regierungswechsel und alles wird wieder gut. Wir müssen sehen, dass wir noch energieintensive Industrie in Deutschland haben, die haben wir gehalten, anders als andere Länder in Europa, weil wir günstiges Gas aus Russland hatten. Das ist weg. Wir sind eine Exportnation, wir sind 80 Millionen Bundesbürger, wir sind drittgrößte Wirtschaftsnation. Wie machen wir das? Wir verkaufen in die Welt, vor allem nach China, in die USA, außerhalb des europäischen Binnenmarktes. China geht sehr aggressiv vor, versucht Märkte zu übernehmen, Amerika ihre Märkte abzuschotten. Also die Voraussetzung für den Wohlstand der Vergangenheit haben sich verändert. Und deswegen müssen wir mehr investieren in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts. Mehr Innovationen schaffen, mehr Neues nach vorne bringen. Daran hat es gehapert in den letzten 10, 15, 20 Jahren. Das Potenzial an Wachstum ist zurückgegangen. Natürlich haben wir das in den letzten drei Jahren auch nicht aufholen können. Aber insgesamt würde ich sagen, es fehlte an der Tiefe und an der Entschlossenheit, das Land noch mal neu zu erfinden. Und Weichen sind richtig gestellt worden, aber die Wege nicht weit genug beschritten worden. Darum werbe ich jetzt, den nächsten Schritt zu gehen.

Florian Harms: Einmal dazwischen gefragt. Ich höre dann Bedauern raus, dass diese Regierung dann so geendet ist. Ist das etwas, was in Ihrer Persönlichkeit bleibt? Sozusagen, was Ihnen auch menschlich so nahe geht, dass Sie das nicht einfach ablegen können?

Robert Habeck: Ich denke, dass ich die Ampel immer als vertane Chance oder als nicht genutzte Chance erinnern werde. Also man muss ehrlicherweise einräumen, dass diese Regierung dann irgendwann ihre Zukunft hinter sich hatte. Da war kein da war kein Staat mehr mitzumachen. Niemand wollte uns mehr und wir selber konnten uns auch nicht mehr gut ertragen. Aber der Ansatz, dass eine ökologische, eine liberale und eine sozialdemokratische Partei, dass gesellschaftliche Ausgleich, ökologische Erneuerung und ein liberaler Rechtsstaat gut zusammenpassen, war eigentlich richtig erkannt. Aber da dann aus verschiedenen Gründen schlecht gemacht. Wir sprachen schon darüber. Darüber wird man länger nachdenken müssen.

Florian Harms: Sie haben gerade die Investitionen angesprochen. Sie schlagen einen Deutschlandfonds vor und eine Reform der Schuldenbremse. Wie viele Milliarden braucht dieser Deutschlandfonds für all Ihre Pläne, damit Sie sagen, das Land kommt wieder voran?

Robert Habeck: Es gibt verschiedene Berechnungen der verschiedenen Institute. Ich befinde mich ja quasi im Konsens vom Bund, der Deutschen Industrie, der verschiedenen ökonomischen Institute. Und die sagen alle so 40, vielleicht 45, 50 Milliarden pro Jahr über zehn Jahre. Das ist das Volumen auch, mit dem ich rechne, im Parallelflug, mit dem, was andere Ökonomen und Forscher errechnet haben.

Florian Harms: Und wie genau stellen Sie sich dann die Reform der Schuldenbremse vor?

Robert Habeck: Da bin ich offen. Wichtig ist mir, dass wir genug Flexibilität schaffen, um die Probleme der Gegenwart zu lösen. Ich mache ein Beispiel. Alle sagen, wir sollten Investitionen und mit Investitionen, also Geld, das in den Standort geht, das in die Unternehmen geht, auch Innovation anregen, indem wir steuerliche Vorteile schaffen. Die Union anders als wir, sagt wir senken die Steuern allgemein. Ich sage für die spezifische Investition gibt es dann Gutschriften, damit auch wirklich investiert und damit Innovation kommt. Die Union hat zu hohe Mitnahmeeffekte, meiner Ansicht nach. Aber es heißt, in beiden Modellen würde erst einmal ein steuerliche Ausfall zu verzeichnen sein, etwa in dieser Höhe, die wir skizziert haben. Bei mir ein bisschen weniger, bei der Union wahrscheinlich ein bisschen mehr. Dann würde trotzdem Wachstum kommen, und Wachstum führt zu mehr Steuern. Und die Steuern würden dann zumindest ein Teil der vorgestreckten Steuerverluste wieder kompensieren. Das Problem ist Das müsste alles nach den Spielregeln der Schuldenbremse im gleichen Jahr erfolgen, Also zwischen Ausschlafen nach Silvester und die Vorbereitungen für Weihnachten Nächstes Jahr muss der Zyklus abgeschlossen sein. Die steuerlichen Ausfälle und die Einmal müssen wieder deckungsfähig gemacht werden. Das haut in der Wirklichkeit nicht hin. Noch nicht mal der Bau-Zyklus haut wahrscheinlich dahin, geschweige denn Bestellungen von Unternehmen, von Maschinen oder Investitionen in digitale Infrastruktur usw. und so fort. Das heißt, das worüber alle eigentlich übereinstimmen, wird nicht gemacht, weil wir uns in den Nullerjahren in einer anderen Zeit als die deutsche Volkswirtschaft gute Wachstumsperspektiven hatte, als kein Krieg in Europa war, als China die verlängerte Werkbank von Europa und Deutschland zu sein schien, uns eine Regel gegeben haben, die nicht zurzeit mehr passt. Machen wir nicht das, was jetzt logisch und eigentlich notwendig ist? Und darüber rede ich. Wie wir das dann machen, ist mir nicht so wichtig. Die technische Ausbuchstabierung, darüber kann man reden. Ich hätte vielleicht ein paar Vorlieben. Ich finde den Gedanken von Sondervermögen nicht falsch, weil man dann kontrollieren kann, wie lange das Geld reicht und dass man eine gewisse Kontrolle darüber hat. Ich kann mir aber auch vorstellen die, die. Zyklen des Schuldenabbaus ein bisschen zu strecken. Ich kann mir vorstellen, dass man die Prozentzahl also wir müssen ja auf 60 Prozent runter ein bisschen flexibilisiert, sodass da nicht so ein Druck ist. Also da. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, darum geht es nicht. Es geht eigentlich um die prinzipielle Frage Halten wir an Regeln fest, die meiner Ansicht nach veraltet sind, die nicht zu dieser Zeit passen, nur weil sie einmal beschlossen wurden? Und für mich ist das das Schlechteste. Ich würde fast sagen, das dümmste Argument, dass man sagt Na ja, haben wir aber anders gemacht, steht in unserem Parteiprogramm wollen wir nicht ändern.

Florian Harms: Realistisch betrachtet ist ja Ihre einzige Regierungsoption eine Koalition mit der Union. Die will aber keine Reform der Schuldenbremse. Können Sie sich vorstellen...

Robert Habeck: Sagt sie, sagt sie. Aber sie verwickelt sich natürlich jetzt in ihre eigenen Widersprüche, weil ja ihr Programm, auch ihr Programm, nach Berechnungen auch von vier wohlmeinenden Ökonomen mit 100 Milliarden Defizit pro Jahr arbeitet. Also ehrlicherweise weiß man gar nicht, wie man sich dazu verhalten soll, weil da steht viel Schönes oder auch nicht so Schönes drin, aber es ist einfach null gegenfinanziert. Und die Union merkt, glaube ich gerade, dass sie ihre eigene Zeitenwende jetzt erlebt. Sie musste ja die letzten drei Jahre im Grunde sich nur zurücklehnen und sagen Guckt euch mal die Ampel an, die streiten immer, wir werden es besser machen. Und alle haben gedacht na ja, dann machen sie es halt besser, dann ist die Ampel weg. Dahinter kann sich keiner mehr verstecken. Jetzt guckt man sich. Alle gucken sich alle das Programm der Union an und siehe da, es hält. Noch nicht mal dem ersten Lackmustest stand es dazu. Ich kann mich dazu gar nicht verhalten, weil das einfach alles Wolkenkuckucksheim ist.

Florian Harms: Aber am Ende müsste man sich ja einigen, wenn man zusammen ginge.

Robert Habeck: So ist das, ja. Aber es geht im Moment jetzt nicht. Also in dieser Phase geht es nicht um eine Einigung oder Koalitionsverhandlungen vor der Zeit, sondern eher um eine Richtungsentscheidung. Nicht schwarz grün, sondern schwarz oder grün. Also sind wir ehrlich In der Problembeschreibung sind wir bereit, neue Wege zu gehen. Und wenn wir die neuen Wege gehen wollen, welche sind es dann? Das ist die Frage, die diskutiert wird versus Unionsangebot. Wir versuchen, uns um die Probleme herumzuschummeln und bieten an, das, was wir immer gesagt haben, in der Zukunft weiter zu machen. Das haut aber nicht hin.

Johannes Bebermeier: Lassen Sie uns über die Klimakrise sprechen. Da waren die letzten Nachrichten besorgniserregend. 2024 war das wärmste Jahr seit Aufzeichnungen, das erste, in dem es wärmer als 1,5 Grad war. Reicht da Ihr Ziel, das grüne Ziel kurz zu halten, beim Klimaschutz aus? Als Anspruch für eine grüne Partei?

Robert Habeck: Das wäre auch verkürzt beim Ausbau der Erneuerbaren, beim Ausbau der Stromnetze. Da müssen wir Kurs halten. Das sind die wesentlichen Gesetze auf den Weg gebracht. Und wir sehen die Erfolge. In der Wirklichkeit hätte uns wahrscheinlich niemand zugetraut, dass wir tatsächlich den Aufbau von auch schwierigen Techniken wie Windkraft so voranbringen. Und Solar ist wie geschnitten Brot, Stromnetze von 300 Kilometern genehmigten Netzen in 2021 auf knapp 2000, das sind schon also Siebenmeilenschritte, die wir da gehen können. In anderen Bereichen, vor allem beim Verkehr, sind wir überhaupt nicht auf Kurs gekommen und müssen mehr machen. Und im Bereich der Industrie: Es ist sehr irritierend, wenn Friedrich Merz jetzt sagt, Grünen Stahl, da glaubt er nicht dran, weil da ja die Investitionen schon laufen, die Unternehmen, die Arbeitgeber, die Ministerpräsidenten auch seiner Partei darauf gesetzt haben, das finanziert haben. Darauf warten, das ist schon eine Ankündigung von Rückschritt. Also man muss das ein bisschen differenzieren. Aber vor allem im Verkehrsbereich würde ich sagen, muss mehr passieren. Das sind da verlorene Jahre gewesen.

Johannes Bebermeier: Ist es dann aber nicht redlich, auch zu sagen irgendwann mal Leute, ihr müsst vielleicht euer Verhalten dann durchaus doch mal anpassen. Ist es noch redlich zu versprechen, Klimaschutz geht ohne Verhaltensänderung, ohne Schmerzen, ohne dass irgendwer irgendetwas anders machen muss.

Robert Habeck: Veränderung bedeutet ja immer eine Zumutung. Sie klingt nur gut auf Wahlkampfbühnen. Der Obama Satz von Hope and Change, der kriegt dann Applaus, wenn Leute sagen: Ja, heute machen wir Hoffnung und Veränderung. Aber wenn es dann in der Wirklichkeit ankommt, wir sprachen eben kurz über das Heizungsgesetz, dann ist die Veränderung häufig mühselig, manchmal nervig und manchmal auch eine soziale oder finanzielle Zumutung. Darauf gibt es aber Antworten. Wir haben beim Heizungsgesetz die Förderung sozialpolitisch ausgerichtet. Also ärmere oder einkommensschwächere Haushalte bekommen eine höhere Förderung als stärkere. Das könnte man auch in anderen Bereichen machen. Wir haben immer noch die Option, das Klimageld einzuführen, wenn wir denn endlich mal die technischen Voraussetzungen hätten. Was eine andere Debatte aufmacht, nämlich wie undigitalisiert Deutschland ist. Und wir können vor allem neben der sozialpolitischen Flankierung, also das Leben bezahlbar machen, dafür sorgen, dass die neuen Techniken Menschen Geld bringen. Und beispielsweise bei der E-Mobilität wird das die Zukunft sein. Nicht nur auf die Schaffung des Autos zu schauen und gegebenenfalls, dafür werbe ich, Strom günstiger zu machen, sondern das Auto selbst als Teil des Stromsystems zu sehen, so dass dann die Leute nur indem sie das Auto immer wieder an der Ladesäule oder an der Wallbox haben, Geld verdienen. Das ist die Zukunft. Und dann nimmt man auch denen die Angst vor Verlusten.

Florian Harms: Ich interessiere mich nur für Donald Trump. In Kürze tritt er sein Amt an, am 20. Januar. Man hat das Gefühl, die ganze Welt starrt auf dieses einzelne Datum. Friedrich Merz hat mal gesagt Trump und ich, wir kämen schon klar. Was sagen Sie? Kämen Sie auch klar mit ihm?

Robert Habeck: Na, erst einmal teile ich nicht die politische Aussage und Weltsicht von Donald Trump. Und er sicherlich auch nicht meine. Das beginnt bei grundsätzlichen Fragen, also die Art, wie gesprochen wird, die Gesellschaft gesehen wird, wie man über politische Mitbewerber, über Menschen redet, ist von ihm hasserfüllt und spaltend. Ich versuche, das anders anzugehen und Politik als großes Gemeinschaftswerk zu sehen, auch wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Die Verachtung der Anstrengung, die globale Erderwärmung einzudämmen, ist aus meiner Sicht ein schwerer Fehler. Und die Kooperation zwischen USA und Europa ist ein Wert, der eigentlich erhalten bleiben sollte. Und die Trennung von eigentlich gemeinsamen Werteräumen, wie sie jetzt zumindestens vorbereitet wird, ist ebenfalls politisch falsch. Im konkreten Austritt aus der EU, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, Drohung von Zöllen vielleicht Kappung der Unterstützung der Ukraine sind wir auch nicht beieinander. Aber ich habe auch viele andere Regionen und bereist und viele andere Regierungsmitglieder und Ministerpräsidenten und Scheichs und Prinzen getroffen, mit denen ich auch nicht immer einverstanden bin. Und dann muss man eben miteinander reden.

Florian Harms: Aber wie geht das? Aber wie geht das konkret? Donald Trump soll.

Robert Habeck: Jetzt aus einer Position der Stärke heraus.

Florian Harms: Wenn jemand sagt, er will Grönland kaufen oder den Panamakanal annektieren. Wie redet man mit so jemand?

Robert Habeck: Es gibt eine Lektion, die Europa ziehen muss, nämlich zusammenzubleiben und sich unterzuhaken und stark zu sein. Und das ist für die deutsche Politik eine wichtige Aufgabe. Und für die nächste Bundesregierung ein Imperativ, der nicht vergessen und auch nicht abgetan werden darf, weil er auch bedeutet, dass bestimmte Positionen, die wir in den letzten anderthalb Jahren so gehört haben, teilweise auch in der Ampel umgesetzt haben, die dann nicht mehr gehen. Denn Deutschland muss mithelfen, dass Europa einig ist. Deutschland muss quasi immer die Mehrheit organisieren und dann quasi immer auf der Seite der Mehrheit stehen. Wir können nicht Ungarn sein, dann kann Europa nicht nach vorne gehen. Niemand allerdings will, dass Deutschland da mit einer Bastapolitik oder mit stolzgeschwellter Brust gerade rumbrüllen darf. Ich sag euch mal, wie's geht, sondern wir müssen immer sagen in der zweiten Reihe die Führung möglich machen, die Spitze sozusagen dienend führen, wenn man so will. Und dann profitieren wir selbst am stärksten. Das gilt gerade gegenüber Donald Trump. Dänemark ist auf europäische Unterstützung und Solidarität angewiesen. Wir können das kleine Land das nicht einfach hängen lassen. Deutschland aber auch. Denn die Zölle, von denen Trump spricht, sie werden sich möglicherweise vor allem gegen Deutschland richten. Wir haben das größte, den größten Handelsbilanzüberschuss von allen europäischen Ländern gegenüber der USA. Das ist denen ein Dorn im Auge. Das heißt, wir verkaufen fix mal mehr Güter in die USA als die zu uns. Deswegen können wir uns an drei Fingern abzählen, dass die Zölle möglicherweise vor allem gegen Deutschland gehen. Und dann brauchen wir die europäischen Partner, die uns unterstützen, zu sagen Wenn du das tust, dann machen wir gegen Zölle. Dann gucken wir uns mal die digitalen Unternehmen an und gucken mal, ob die nicht noch mal einen Beitrag leisten können, hier das Gemeinwesen zu finanzieren. Finger weg davon! Wenn dann Europa auseinanderfällt, wenn wir dann nicht geschlossen agieren, dann ist das vor allem schlecht für Deutschland. Also wie antworten wir auf Donald Trump? Vorbereitet, werbend dafür, dass die Amerikaner sehen, dass es besser ist, zusammenzustehen, aber bereit zu sein, auch den Konflikt auszuhalten. Denn am Ende werden die Amerikaner auch sehen, dass sie viel verlieren. Wir brauchen ein entschlossenes und starkes Europa, und Deutschland muss helfen, dass das gelingt.

Florian Harms: Das ist eine interessante Formulierung, die Sie gerade verwendet haben, dienend führen. Funktioniert das auch, wenn man einen Krieg vor der Haustür hat und die Ukrainer jeden Tag anrufen und sagen Wir brauchen mehr Unterstützung? Es ging jetzt gerade die Debatte darüber, ob man noch mal was macht, noch mal 3 Milliarden geben, das müssen wir jetzt nicht aufmachen. Aber was denken Sie, wie viel Unterstützung braucht die Ukraine denn in diesem Jahr von uns?

Robert Habeck: Also erst einmal ist das meine persönliche Erfahrung. Wir haben ja auf der europäischen Ebene große Erfolge erzielt, vor allem im Bereich Klimaschutz und Green New Deal, also wirtschaftliche, industrielle Wertschöpfung durch Dekarbonisierung, in dem wir uns zurückgenommen haben. Interessanterweise, weil wir Besonderheiten haben. Wir steigen aus der Atomenergie aus, wir haben Kohlekraftwerke. Haben wir ein besonders starkes Interesse daran, dass was Neues entsteht. Aber wir haben natürlich auch andere industrielle Voraussetzungen als Frankreich oder Portugal oder Spanien, die wegen ihrer guten Wetterlage auch sehr viel erneuerbare Energien jetzt schon erzeugen können. Also wir brauchten immer die Unterstützung der anderen und wollten auch viel und haben am Ende uns immer geeinigt alle, falls in dem Bereich falsch sind. Die verschiedenen Gesetze sind abgeschlossen worden. Danach weiß ich, dass ich nach Hause gefahren bin und dachte: Na, grüner wird's nicht. Und wir haben andererseits auch Fehler gemacht. Die Debatte über die Fouls oder über die chinesischen Zölle, da hat Deutschland sich gegen die Mehrheit in Europa gestellt. Und dann, also wenn wir es klein machen, haben wir uns ein bisschen lächerlich gemacht. Und wenn wir es groß machen, haben wir die anderen hängen lassen. Bei Verteidigung zum Beispiel bietet es sich an, die notwendige Beschaffung, die ich jedenfalls für notwendig halte, europäisch zu organisieren. Wir haben 27 Armeen, wir haben 27 verschiedene Rüstungsindustrien. Alles ist kleinteilig, alles ist teuer dadurch. Wir können das besser machen, bedeutet aber, dass die Länder jedenfalls Teile ihrer Verteidigungsausgaben in einen Fonds einzahlen, der dann europäisch organisiert wird. Das wollen die alle nicht so gerne, weil gerade militärische Ausgaben sehr eng verbunden sind mit Nationalstolz und Symbolik. Und teilweise sind das staatseigene Konzerne, die diese Produkte herstellen. Aber das ist ein Beispiel dafür. Wenn Deutschland hilft, das möglich zu machen mit seiner großen Finanzkraft, dann werden die anderen möglicherweise mitgehen. Dafür werbe ich.

Florian Harms: Aber jetzt noch mal nachgefragt im Hinblick auf die Ukraine. Es gibt hierzulande ja schon eine erkleckliche Zahl von Menschen, die sagen, dann soll man dem Putin halt ein bisschen entgegenkommen, Hauptsache, der Krieg endet schnell. Was antworten Sie denen?

Robert Habeck: Ich wünsche mir auch, dass der Krieg schnell endet. Ich hätte mir gewünscht, er hätte nie begonnen. Und jeder Tag ist fürchterlich. Und das sage ich nicht einfach so! Ich war mehrfach in der Ukraine. Ich habe mit Selenskyj Krankenhäuser besucht. Da ging es eigentlich um eine Ordensverleihung. Also er hat den verwundeten Männern dort einen Orden gegeben und man hat in diese gebrochenen Gesichter reingesehen und die Leute hatten durch Schüsse am Körper und teilweise Arme oder Beine verloren. Und du hast das Leid einfach gesehen. Auch die Fragen, die diese Menschen sich stellen mussten. Also das war für mich sind das sind das keine Worte, sondern ich habe das Leid gesehen, natürlich nur in einem kleinen Ausschnitt, aber ich nehme die Bilder mit ins Private, in den Schlaf. Es ist nichts Leichtes. Die politische Klugheit sagt Frieden heißt, die Friedensordnung muss wiederhergestellt werden. Frieden heißt, dass ein regelbasiertes System eingehalten wird. Frieden heißt nicht ein temporärer Zustand, der dazu führt, dass Putin wieder aufrüstet, um dann das nächste Land zu überfallen. Es geht also um Frieden und die Voraussetzung für Frieden. Da stimmen sehr viele überein. Ich würde es auch sagen, ist, dass Putin nicht aus diesem fürchterlichen Gemetzel die Lehre zieht. Das lohnt sich schon. Ihm sind Menschenleben völlig egal. Das hat er jetzt mehrfach bewiesen. Er mordet auch seine eigene Bevölkerung hin. Das ist alles schwer erträglich als ein Menschenverächter. Und er wird nur dann Ruhe geben, wenn er weiß und merkt, dass er nicht erfolgreich ist und dafür darum kämpft. Die Ukraine. Solange sie das aushält, dieses fürchterliche Leiden, sollten wir sie dafür unterstützen, damit danach wieder zurückkehrt werden kann zu den nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebauten Friedenssystem in Europa.

Florian Harms: Sie haben gerade geschildert, wie Sie in den Krankenhäusern gewesen sind, in der Ukraine. Sie haben gesagt, das nehmen Sie mit in den Schlaf. Wie erträgt man so was als Spitzenpolitiker?

Robert Habeck: Schwer manchmal. Aber zu dem Beruf, und das klingt jetzt etwas abgeklärt oder zynisch, muss es wohl auch sein. Aber es gehört, dass man die Entscheidungen nicht immer nur von der einzelnen Emotion abhängig macht. Und es geht am Ende ja darum, Rechtssysteme oder Rechtsnormen aufzubauen, gegebenenfalls zu verändern. Hoffentlich zum Besseren. Aber Politik eben für. Für das Land, für die Menschen insgesamt zu machen. So, und deswegen sind die persönlichen Eindrücke und das, was man als Privatperson vielleicht sagen oder fühlen würde. Manchmal muss man einen Schritt weg davon gehen, also kann man nicht sich nur von den Einzelemotionen leiten lassen, so schwer es manchmal ist.

Johannes Bebermeier: Blicken wir noch mal auf Deutschland, auf die Parteienlandschaft in Deutschland. Bei der AfD hat sich am Wochenende auch die Parteichefin Alice Weidel hinter die sogenannten Remigrationspläne gestellt. Eine Radikalisierung jetzt auch an der Spitze sollte das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob die AfD verboten gehört?

Robert Habeck: Ja, das muss man prüfen. Das Parteienverbot ist zu Recht nach den Erfahrungen der deutschen Geschichte ein Schritt mit hohen Hürden. Nur dann, wenn die Partei gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung arbeitet, kämpft und sie eine Chance hat, sie zu überwinden. Parteien verbieten also, dass sie eine andere politische Meinung vertreten. Auch eine unappetitlicher reicht nicht. Es gibt Hinweise, dass die AfD in der Radikalisierung, die sie durchläuft, diesen Kurs eingeschlagen hat. Die Frage ist: Ist es sozusagen die Programmatik der Partei oder sind es einzelne Stimmen, die dann quasi neben der Partei oder im Umfeld der Partei ertönen? Und das muss systematisiert werden. Die verschiedenen Verfassungsschutzämter müssen ihre Indizien zusammentragen. Entweder diese Bundesministerin noch oder die nächste Bundesinnenministerin oder Bundesinnenminister muss das Beweissammlungsverfahren einleiten. Und dann muss einer der Verfassungskörper darüber entscheiden, ob die Beweislage stark genug ist, dieses Verbotsverfahren anzustrengen.

Johannes Bebermeier: Das heißt, Sie stimmen für den Antrag, den es ja im Bundestag gibt, den Gruppenantrag oder eher nicht?

Robert Habeck: Sind ja verschiedene unterwegs. Ich finde, ich stimme dafür, dass man jetzt die Beweislagen Sichtung konkret einleitet. Und das darf ja auch nicht schiefgehen. Es ist schon mal schiefgegangen vor jetzt. Ich müsste gucken, wie lange es her ist, aber sagen wir, vor zehn Jahren ist ein NPD-Verbotsverfahren damals von den Bundesländern angestoßen schiefgegangen, weil damals sehr viele Leute verdeckte Ermittler vom Verfassungsschutz bezahlt wurden. Also wir müssen schon sicher sein, was wir da tun. Das darf nicht als Bestätigung nachher von rechtsradikaler Politik enden. Deswegen muss man jetzt die Beweise sichern, aus meiner, aus meiner Sicht und das Aufbereiten, also vorangehen und die Entscheidung dann treffen, wenn man weiß, worüber man entscheidet. Das muss aber die nächste Regierung dann bald tun.

Johannes Bebermeier: Neben einem möglichen Verbotsverfahren ist ja auch immer die Diskussion, wie stellt man die AfD eigentlich politisch? In der Zeit hat sie sich verdoppelt. Was kann man tun? Was muss man tun?

Robert Habeck: Erst einmal, darüber sprachen wir ganz kurz, das Wesen des Populismus verstehen, der sich zwar nährt, aus einzelnen Debatten punkten, aber dessen Wesen ist, Debatten unführbar zu machen und zwar egal, welche. Er Nimmt sich, was gerade irgendwie knallt und jetzt das hoch radikalisiert ist, so dass am Ende Menschen sich zurückziehen, weil sie nicht mehr mitkommen oder angebrüllt werden, Desinformation, sie völlig kirre machen oder verführt sind, sich selbst zu radikalisieren. Und damit ist die Antwort gegeben, wie der Populismus nicht bekämpft wird, wie man die AfD nicht bekämpft, nämlich indem man sie in einer etwas weichgespülten Form versucht zu kopieren, in hinterherredet, ihre Mittel adoptiert, Politik selbst populistisch auflädt. Das führt am Ende nur zur Stärkung der jeweils radikaleren Position. Das ist in Europa x-fach gesehen worden, dass meistens konservative Parteien am Ende sich aufgelöst haben oder stark geschrumpft sind, weil sie die Mittel des Rechtspopulismus zu ihren gemacht haben. Die anderen sind da immer stärker, immer radikaler, immer entschiedener, weil am Ende eine Grenze auch konservative Parteien nicht überschreiten werden und überschreiten können, nämlich die von Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsnorm. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir müssen uns klarmachen, was die Stärken der europäischen Friedensordnung, der liberalen Demokratie von Deutschland seit der Gründung der Republik, seit dem Grundgesetz sind und auf die setzen und daraus eine eigene Kraft entwickeln. Die muss dann aber auch kommen, die darf nicht nur so beschrieben werden. Und wir müssen, um jetzt mal ein Beispiel zu machen Wir müssen die eigene Wettbewerbsfähigkeit, die technologische Innovationskraft aus diesem Gedanken des European Way of Life, der der deutschen Debattenkultur heraus entwickeln. Also wir müssen jetzt wirtschaftlich so erfolgreich sein wie die Unternehmen in den USA, die jetzt in teilweise Anbiederung und teilweise weiß ich nicht, was Elon Musk macht, in Überzeugung diesem Trumpschen Populismus hinterherlaufen. Wir brauchen die eigenen Unternehmen. Wir dürfen nicht abhängig sein von den Plattformen, den Techniken der künstlichen Intelligenz von diesen Unternehmen und das hat Europa im Moment nicht. 20 Jahre lang... also neulich las ich, wir sind Weltmarktführer in der Technologie des 20. Jahrhunderts. Dummerweise leben wir im 21sten. Diese 20 Jahre ist zu wenig passiert. Viel Gutes ist vorangekommen. Aber dass die wirklichen Marktführer die möglichen Markttechnologien sind, nicht aus Deutschland oder Europa gekommen. Das heißt, dass mit der Technik auch die Wertehoheit woanders hingeht, und zwar zu autoritären Techniken entwickelt in China oder eben jetzt bei Elon Musk und wie wir jetzt lesen, auch noch bei Mark Zuckerberg, bei Facebook und Instagram, also der Meter Plattform da. Da muss die eigene Antwort darauf erfolgen und sie muss in den nächsten Jahren auch kommen. Dafür müssen wir dann, weil das so überragend wichtig ist für das für das werte Fortbestehen Europas und Deutschlands muss das Problem auch gelöst werden. Und die Regeln, die wir. Vor 20 Jahren, als das alles noch nicht so richtig sichtbar war, uns gegeben haben müssten so flexibilisiert, dynamisiert oder meinetwegen auch verändert werden, dass es auch möglich ist.

Florian Harms: Zum Schluss werde ich gerne noch einmal reden über Ihren lautesten Kritiker, auch Ihren persönlichen, lautesten Kritiker. Der sitzt im Süden dieses schönen Landes und man hat so den Eindruck, Markus Söder hat ein ganz starkes Feindbild. Das sind die Grünen, das sind auch Sie, Herr Habeck. Was treibt den?

Robert Habeck: Das müssen Sie Markus Söders Psychotherapeuten fragen.

Florian Harms: Was ist Ihre Annahme und wie schauen Sie da drauf?

Robert Habeck: Ich schaue da so drauf, dass Markus Söder Kritik an mir, an den Grünen wenig mit den Grünen zu tun hat, sondern mit dem Versuch, den Wahlkampf der Union ein weiteres Mal zu torpedieren. Da schaue ich so drauf, dass das Problem Markus Söder nicht das grüne Problem ist, sondern das von Friedrich Merz. Offensichtlich...

Florian Harms: Also er will eigentlich Friedrich Merz treffen, nicht Sie, meinen Sie?

Robert Habeck: Genau so ist es.

Florian Harms: ...um ihn zu schwächen?

Robert Habeck: Das müssen Sie ihn fragen. Aber ja, der Gedanke liegt nahe, denn 2021 hat das ja auch schon gemacht. Er hat 2021 den Wahlkampf von Armin Laschet bewusst torpediert. Ich war mehrfach dabei, wo das richtig vorgespielt wurde, also Respektlosigkeit auf der Bühne zelebriert wurde. Und das wiederholt sich jetzt scheinbar. Jedenfalls der Gedanke, dass jemand die Grünen nicht wählt, weil Markus Söder das sagt, ist natürlich absurd. Ja, das kann er auch selber nicht glauben. Es würde wohl eher das Gegenteil sagen, dass er, hat er ja die halbe Republik gegen sich aufgebracht, indem er da auch Ministerpräsidenten der Union beleidigt. Also ich sage es mal so: Wer mit der Politik von Markus Söder nicht einverstanden ist, der wählt die Grünen.

Florian Harms: Und abseits der Politik können Sie mit ihm persönlich?

Robert Habeck: Ich hätte mal gedacht, es gibt einen Draht. Jetzt haben wir länger keinen Kontakt mehr. Und es ist natürlich auch was passiert. Also ich suche jetzt auch nicht die Nähe.

Johannes Bebermeier: Wenn Sie es beschreiben, dass Markus Söder das Problem von Friedrich Merz ist, es könnte aber natürlich nach der Wahl auch zu Ihrem Problem werden, weil Sie werden einen Koalitionspartner brauchen, das steht eigentlich fest. Und Markus Söder schließt eine Koalition mit den Grünen immer wieder und eigentlich immer jedes Mal härter aus. Haben Sie sich schon davon verabschiedet, mit der Union regieren zu können?

Robert Habeck: Aber das ist ja das Problem von Friedrich Merz. Der eine sagt hü, der andere sagt hott. Was mir Sorgen macht, ist folgendes: Die Ampel hat ja neben allen inhaltlichen Differenzen folgendes Image des ewigen Streites. Und das kann eine nächste Bundesregierung, egal wie sie aussieht, nicht wiederholen. Man kann verschiedene Meinungen haben, dann muss man die erklären, dann muss man das aushalten. Dann muss man zu einer Lösung kommen. Aber weitere vier Jahre Respektlosigkeit vor Umgangsformen wird dem Ruf von Politik das Vertrauen in demokratische Politik zerstören. Wenn jetzt die Union Teil einer nächsten Regierung sein sollte Sie haben ja recht, könnte ja passieren und sie intern schon diesen Streit macht. Also wie soll das denn weitergehen, wenn das im Wahlkampf, wo man ja eigentlich sich unterhaken muss, jetzt schon so eskaliert? Wie soll denn das zu einer geschlossenen oder gar in eine Regierung führen? So, und deswegen hat das erst mal gar nichts mit mir oder den Grünen zu tun. Das wird den Laden dann komplett zerlegen. Das muss man sich nur vorstellen. Wären die in einer Regierung, wie geht das wohl weiter? Und es gibt einen zweiten Punkt, der mit dieser Frage eng verbunden ist. Den konnten wir jetzt gerade in Österreich sehen. In Österreich kriegt jetzt die FPÖ, das ist quasi die österreichische AfD Regierungsbildungsauftrag, weil sich die konservative Partei, also quasi die Union, die Sozialdemokratie und eine progressive liberale Partei, die gibt es auch in Europa nicht einigen konnten. Und das ist doch eigentlich nicht akzeptabel. Das geht doch eigentlich nicht, dass demokratische Parteien, die mögen so unterschiedliche Sichtweisen auf meinetwegen Lastenfahrräder haben, wenn das da eine Rolle spielt, Keine Ahnung, wie Sie wollen. Wenn Sie wissen, dass die Alternative eine rechtsradikale Regierungsübernahme ist, dann müssen die doch zusammenkommen. An dieser Stelle waren die Grünen nicht dabei. Aber das, was Söder sagt, ist ja in der Hinsicht ernst, oder? Ich würde es ernst nehmen, dass er entweder Wortbruch oder Regierungsunfähigkeit das Wort redet. Also wann fangen wir denn bitte an mal zu lernen und am Ende was zu was soll das führen? Soll ich das auf Deutschland übertragen und am Ende regiert dann die AfD oder was? Das muss doch jetzt mal irgendwo gesagt werden. Nun mal halblang. Also deswegen scheint mir das alles weder durchdacht noch vernünftig zu sein.

Florian Harms: Letzte Frage: Da wird es noch mal persönlich. Sie haben gerade in Ihrem neuen Buch "Den Bach rauf" einen Moment beschrieben, als Sie selbst über das Aufhören in der Politik nachgedacht haben. Das war der Moment, wo es da diese Protestierenden gab an der Fähre, als Sie von Hallig Hooge zurückkamen. Und die Protestierenden haben sie daran gehindert, die Fähre zu verlassen. Sie schreiben darüber, dass Sie auch mit Ihrer Frau darüber gesprochen haben. Wissen Sie noch, was sie gesagt hat damals?

Robert Habeck: Das weiß ich noch.

Florian Harms: Sagen Sie es uns?

Robert Habeck: Na sie hat gesagt, jetzt erst recht. Also jetzt ist kein Grund, in Sack zu hauen und aufzugeben. Aber ich habe das quasi angeboten oder erwogen, denn ich finde es schon, wenn man in so einem öffentlichen Amt ist, in dieser Herausforderung der Zeit, dann soll man nicht zimperlich sein. All die Demonstrationen, die Debatten, die Kritik, die im Zweifelsfall negativen Schlagzeilen, die, die muss man ertragen. Also da darf man jetzt nicht dünnhäutig daherkommen. Ich hatte aber mir immer vorgenommen, einen Bereich zu schützen, nämlich den privaten Bereich. Meine Familie nicht in das öffentliche Licht zu zerren. Und der private Schutzraum ist natürlich zu Hause und Hallig Hooge ist quasi zu Hause bei mir vor der Haustür. Wir haben da Freunde. Ich kenne die Leute dort. Ich war in meiner Zeit Halligminister, wenn Sie so wollen, also habe mich auch um das Fortbestehen der Halligen gekümmert.

Florian Harms: Was macht man da, was muss man da machen als Halligminister?

Robert Habeck: Im Wesentlichen die Werften erhöhen und den Häusern. Das sind raue Landschaften, da stehen die die Häuser im Unterschied zu Inseln, wenn ich das erklären darf: Bei Halligen ist, die haben keine Deiche, das heißt, die werden paar Mal im Jahr mit der Sturmflut einfach überflutet. Dann stehen die Häuser, da steht das Wasser, die Sturmflut an die Häuser ran, die Meeresspiegel steigen, die warten. Das kommt von Aufwurf, also wie Maulwurfshügel, die aufgeworfen werden. Auf denen stehen die Häuser. Aber die müssen eben mitwachsen, und die Häuser müssen auch einen inneren Schutzraum haben. Das passiert manchmal nicht so häufig, aber manchmal, dass Häuser weggerissen werden. Dann dürfen die Menschen halt nicht ertrinken. Das macht man da als Minister, man sorgt auch dafür. Jetzt kann ich so lange drüber reden, weil es so romantisch wild ist und ist aber für die Menschen natürlich eine sehr ernste Situation. Die auch die Halligen müssen mitwachsen, also das Sediment der Halligen muss höher gehen, dann stehen die halt irgendwann nur unter Wasser. Eine raue Landschaft, einst eine der ausgesetzten, extremsten Orte in Deutschland, und faszinierend. Ich bin da total gerne.

Florian Harms: Und da fühlen sie sich wohl in diesem Raum?

Robert Habeck: Das ist für mich zu Hause, das ist weit draußen vor der Haustür. Es gibt wenige Orte in Deutschland, wo ich sagen kann, die sind so einmalig, rau und wild und erreichbar von der Fähre von Schlüttsiel aus. Und als das nun auf einmal in mein, also wie soll ich das sagen, in mein Naturwohnzimmer einbrach, war so ein Moment erreicht, wo ich gedacht habe: So lohnt sich das alles noch? Mute ich meinen Leuten zu viel zu? Aber die Reaktion war dann eben, das ist kein Grund aufzuhören. Jetzt musst du sehen, dass diese Stimmung sich wieder dreht. Das versuche ich jetzt ja auch gerade.

Florian Harms: Wir allerdings haben jetzt einen Grund aufzuhören. Das war ein wirklich interessantes, vielfältiges Gespräch.

Robert Habeck: Wir müssen noch eine Sondersendung über Halligen machen, befürchte ich.

Florian Harms: Das kommt beim nächsten Mal.

Robert Habeck: Und über das Wattenmeer und Krabbenfischer.

Florian Harms: Das Angebot haben wir vernommen. Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit, Robert Habeck.

Robert Habeck: Danke Ihnen.

Florian Harms: Und vielen Dank an Sie, unsere vielen Hörerinnen und Hörer und an Lisa Raphael für die Produktion dieses Podcasts. Wenn Ihnen unser Gespräch gefallen hat, empfehlen Sie diesen Podcast gerne weiter. Falls Sie Fragen haben, schreiben Sie uns eine E-Mail an podcasts@t-online.de. Johannes Bebermeier und Florian Harms sagen

Johannes Bebermeier: Tschüss!

Florian Harms: Und bleiben Sie uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

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von und mit Florian Harms

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