Tagesanbruch von t-online

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00:00:01: Lisa Raphael: Hallo zu "Tagesanbruch – die Diskussion" dem wöchentlichen Podcast von t-online, diesmal für das Wochenende vom 7. Dezember 2024. Ich bin Lisa Raphael und führe durch das Gespräch. Über zweieinhalb Jahre ist die Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Scholz her. Was hat sich seitdem getan? Wie verteidigungsfähig ist Deutschland? Der Autor Christian Schweppe fällt in seinem neuen Buch ein erschütterndes Urteil. Zu wenig sei passiert, Deutschland im Ernstfall wehrlos. Doch müssen wir die Bundeswehr denn so gut ausstatten, wenn wir eh in die NATO eingebunden sind? Und wie ernst müssen wir die neuesten Drohungen Putins nehmen, nun auch Nato-Gebiet anzugreifen? Und für die Diskussion begrüße ich den Autor und Investigativjournalisten Christian Schweppe. Er hat schon für verschiedene Medien wie die Welt, den Spiegel oder die Zeit berichtet und war auch als Reporter mit der Bundeswehr in Kriegsgebieten wie Mali, dem Niger, Kosovo und Afghanistan. Hi Christian und vielen Dank, dass du dir heute die Zeit nimmst.

00:01:00: Christian Schweppe: Hallo.

00:01:01: Lisa Raphael: Und außerdem begrüße ich t-online-Chefredakteur Florian Harms.

00:01:04: Florian Harms: Hallo ihr beiden.

00:01:06: Lisa Raphael: Ja, Christian, in deinem Buch rechnest du ganz schön ab mit Bundeskanzler Scholz und der Zeitenwende, die er in der Rede im Februar 2022 angekündigt hat. Wir hören noch mal kurz rein.

00:01:17: Ton Scholz (Quelle: Bundestag auf YouTube) „Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents.“

00:01:25: Lisa Raphael: Schon der Titel deines Buches sagt ja einiges aus. Also anstatt von Zeitenwende heißt es da Zeiten ohne Wende, Anatomie eines Scheiterns. Nach zweieinhalb Jahren hätten wir es nicht geschafft, unsere Bundeswehr adäquat auszustatten. Und du attestierst ein Zurückbleiben hinter dem eigenen Anspruch, das Fehlen einer langfristigen Sicherheitsstrategie. Wie kommst du zu so einem ernüchternden Fazit?

00:01:47: Christian Schweppe: Also ich bin an diesem Tag der Zeitenwende Rede im Februar 2022 im Bundestag gewesen und habe mich abends noch mal in den Plenarsaal gestellt, als er ganz leer war und hatte dort die Idee, also dieses Versprechen genau zu verfolgen. Was wird denn nun aus dieser Zeitenwende? Und wird das wirklich gelingen? Damals war das ja wirklich eine historische Rede und auch ein historisches Versprechen, eine Ankündigung. Und dann ist ja unser Job als Journalisten dran zu bleiben und zu schauen, was wird denn daraus? Und kommt dann da was? Und zweieinhalb Jahre später? Zweieinhalb Jahre, in denen ich wirklich durch das Land gereist bin, im Ausland recherchiert habe, mit vielen Insidern gesprochen habe, muss man sagen, dass man eben genau hinter diesem Anspruch zurückbleibt und dass viel mehr nicht umgesetzt ist, als umgesetzt ist.

00:02:33: Lisa Raphael: Aber es ist nicht jetzt schon zu früh, zweieinhalb Jahre nach der Zeitenwende so ein Fazit zu ziehen. Ich meine, solche Investitionen in die Bundeswehr brauchen doch generell mehr Zeit, oder?

00:02:42: Christian Schweppe: Klar. Also die großen Rüstungsprojekte, die haben immer einen bestimmten, eine bestimmte Dauer an bestimmten Fortlauf. Aber wir haben jetzt die Situation, dass ja nun noch mal umso schneller die Bundestagswahlen kommen. Und es war schon immer so, dass militärisch einfach die Jahre 2024, 2025 Jahre der Wahrheit sind, weil man bis dahin einfach bestimmte Stellschrauben angefasst haben muss oder eben nicht. Und wir haben.

00:03:08: Lisa Raphael: Warum diese beiden Jahre?

00:03:09: Christian Schweppe: Ja, weil es bestimmte NATO-Ziele zum Beispiel gibt, wo Deutschland also versprochen hat, wir werden zum Beispiel zwei Divisionen für die NATO bereitstellen, also größere Kampfverbände und auch im Zusammenwirken ganz, ganz neue Dimensionen. Also wirklich eine Zeitenwende bei der Bundeswehr. Und das muss man frühzeitig angehen, damit das dann auch wirklich Realität wird. Und bislang sind wir da im Zeitplan zurück und wir sind aber auch bei den Fähigkeiten zurück. Ein Beispiel wäre das deutsche Funkproblem. Die Bundeswehr kann trotz Zeitenwende bis heute nicht sicher digital und verschlüsselt funken. Und das ist ein riesiges Problem.

00:03:45: Lisa Raphael: Du hast ja für dein Buch auch mit sehr vielen Experten gesprochen, hast super viel recherchiert, warst viel auf Reportage unterwegs. Was hat dich denn so am meisten schockiert? Kannst du ein Detail vielleicht erzählen oder eine Geschichte?

00:03:57: Christian Schweppe: Ja, es gibt viele. Ich berichte seit knapp fünf Jahren über die Bundeswehr im In und Ausland und beschäftige mich mit der Sicherheitspolitik. Und was am meisten von dieser Reportagereise, glaube ich, bei mir auch hängengeblieben ist, dass im Kleinen schon so viel, so unzureichend ist. Also ein Beispiel in Deutschland müssen Panzer immer noch eine Zulassung der Straßenverkehrsordnung bekommen, damit sie auch fahren dürfen. Das führt zu der absurden Situation, dass auf deutschen Panzern so Katzenaugen wie beim Fahrrad drauf sind und Reflektoren und Warnschilder, die einem in einem Kriegsfall also eher verraten würden. Das müsste man vorher einfach abschrauben. Oder die Fahrzeuge zur Raketenabwehr, die großen Patriotfahrzeuge und Feuerleitstände, die sind ganz knapp, so an der Maximalhöhe, was in Deutschland erlaubt ist, 4, 5 Meter und ganz knapp drunter, je nach Luftdruck haben mir die Soldaten gesagt, ist man noch drunter oder nicht. Und das zeigt im ganz Kleinen so ein bisschen, wie weit diese Zeitenwende noch zu gehen ist. Also was die Bundeswehr angeht, was die deutsche Bürokratie angeht. Und dann gibt es natürlich noch dieses riesige Thema politische Führung, die es ja auch geben muss.

00:05:10: Lisa Raphael: Okay, jetzt muss ich aber kurz verraten, was du damit meinst.

00:05:13: Christian Schweppe: Na ja, politische Führung richtet sich natürlich an denjenigen vor allem, der diese Zeitenwende ausgerufen hat der Bundeskanzler. Und er sagt ja immer. Er hat auch wiederholt gesagt Sie können mich an meinen Worten messen. Und das hat er nicht einfach so gesagt, sondern zum Beispiel auf der Bundeswehrtagung es wirklich ein riesiges Signal an die Truppe ist. Und das muss er also auch einhalten. Und nichts weniger ist dieses Buch, nämlich sich zu fragen Ist das einzuhalten oder hat er es eben nicht eingehalten?

00:05:45: Lisa Raphael: Hast du schon von ihm eine Reaktion auf dein Buch bekommen?

00:05:48: Christian Schweppe: Also ich weiß, dass das Kanzleramt sich damit beschäftigt, in dem Sinne, dass man vieles irgendwie verfolgt, was in den Medien stattfindet zu Zeitenwende, aber auch was politisch stattfindet. Also es gibt ja noch einen gewissen Verteidigungsminister Boris Pistorius und was der so macht und mit wem der so spricht und wie er so agiert, das verfolgt man im Kanzleramt auch sehr, sehr genau.

00:06:10: Lisa Raphael: Ja Florian, du hast vergangene Woche im Tagesanbruch geschrieben, die Bundeswehr sei in ihrem gegenwärtigen Zustand noch nicht einmal in der Lage, Frankfurt oder länger als 24 Stunden zu verteidigen. Also es ist ja verständlich, dass es an vielen Stellen hakt, aber man könnte natürlich auch argumentieren, dass wir das Geld im Haushalt gut verteilen müssen. Würden wir sofort alles in die Bundeswehr stecken, würde es natürlich auch an anderen Ecken fehlen, zum Beispiel in der Bahninfrastruktur oder in Schulen. Also hat Bundeskanzler Scholz dieses Dilemma nicht doch gut gelöst und den Kuchen sozusagen gerecht verteilt?

00:06:42: Florian Harms: Nein, hat er nicht, weil er nicht zu seinem Wort gestanden ist. Wir haben es ja gerade gehört. Christian Schweppe hat es gesagt. Das war eine historische Rede zur Zeitenwende, und die ist auch so aufgefasst worden und nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft und insbesondere bei den Streitkräften. Musste man damals das Gefühl bekommen Aha, der Regierungschef unseres Landes hat verstanden, welch große Bedrohung von diesem Regime im Kreml ausgeht, die eben nicht nur die Ukraine betrifft, sondern die auch uns betreffen kann. Und jetzt müssen wir anständig darauf reagieren und müssen unsere Bundeswehr, die in den besseren Jahren in den Merkeljahren wirklich stiefmütterlich behandelt worden ist, vernachlässigt worden ist, schnellstens in die Lage versetzen, uns verteidigen zu können? Das hat er angekündigt, das war der Inhalt der Rede. Und was dann kam, war aber allenfalls ein Zeitenbändchen, wenn überhaupt. Und das ist ein gebrochenes Versprechen, und das muss man ihm vorhalten. Natürlich braucht man in unserem Land an vielen Stellen viel Geld. Und deshalb gibt es ja auch jetzt die immer stärker geführte Diskussion, ob man nicht die Schuldenbremse aufweicht. Aber wenn man eben sagt, die Sicherheit, die Sicherheit von Leib und Leben, von den Menschen in diesem Land steht ganz oben in der Priorität, eben wie formuliert in der Zeitenwende Rede, dann muss man das auch einlösen. Und ich würde sogar behaupten, dass Scholz das zum damaligen Zeitpunkt beabsichtigt hat. Er konnte sich aber nicht damit durchsetzen. Ob er das am Ende dann jetzt wirklich noch genauso will, kann man diskutieren. Da kann man auch mit unterschiedlichen Reportern reden, die nah an ihm dran sind. Ich habe mir auch selber ein Bild gemacht. Ich habe mich mehrfach mit ihm unterhalten. Mein starker Eindruck ist, er hat ziemlich nüchtern feststellen müssen, dass seine eigenen Leute in der SPD diese Zeitenwende nicht wollen. Und deshalb ist er eben, muss man so überspitzt sagen, als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet.

00:08:35: Lisa Raphael: Das sind wirklich auch politische Vorgänge, die dahinter stecken, nicht nur die Bundeswehr, die lange Bürokratie, Vergaberecht ist ja auch so ein Thema. Warum einfach Dinge so lange dauern, bis die mal was ausgeschrieben haben. Ich glaube eine Sache neun Monate, hast du in deinem Buch geschrieben, dass eine Sache mal bewilligt wird. Ja, aber Florian du hattest auch letzte Woche, glaube ich im Tagesanbruch die hohe Staatsverschuldung Frankreichs zum Beispiel angeprangert. Wie hätte es denn Scholz sonst machen sollen? Also hätten wir doch noch mehr Schulden machen sollen?

00:09:05: Florian Harms: Also wenn er das ernst gemeint hätte, dann hätte diese Zeitenwende eben nicht nur in einem einmaligen Sondervermögen von 100 Milliarden bestehen können, sondern man hätte relativ schnell danach die nächste Entscheidung treffen müssen durch eine größere Umschichtung im Bundeshaushalt, also eben statt nur 52 Milliarden, dann deutlich mehr, die man an einer anderen Stelle einspart. Oder eben doch den Konsens zu suchen mit der Opposition, dass man die Schuldenbremse verändert, nicht abschafft, verändert, aufweicht und ein bisschen mehr Geld möglich macht durch einmalige weitere Sondervermögen. Die Franzosen haben das anders gemacht. Die haben einfach über Jahre, über Jahre über die Stränge geschlagen und Schulden noch und nöcher gemacht. Das sollten wir hierzulande natürlich nicht tun.

00:09:49: Lisa Raphael: Christian, hast du noch was anzumerken zu dem Wie hätte es Scholz besser machen sollen?

00:09:53: Christian Schweppe: Ja, ich glaube, da steckt schon sehr viel Richtiges drin. Also richtig wäre sicher gewesen zu sagen okay, es ist jetzt Tag 81 unserer Kanzlerschaft, also einer sehr, sehr jungen Regierung damals, Das muss man ja noch mal sehen. Aber dann hätte man doch eigentlich, wenn eine Zeitenwende jetzt da ist, sagen müssen okay, dann ziehen wir Sicherheit vor die Klammer. Also nicht nur finanziell, sondern in jederlei Hinsicht. Eigentlich hätte man den Koalitionsvertrag noch mal anschauen müssen und sagen müssen okay, Sicherheit first. Und das ist sogar ein Spruch, den Olaf Scholz im Laufe dieser Zeitenwende auch gerne immer gesagt hat, nämlich Ohne Sicherheit ist alles nichts. Es gab so ein paar Wochen, da hat er das eigentlich bei jeder Gelegenheit gesagt. Ja, und auch da wenn das doch so ist, warum sehen wir dann nichts? Warum wird für unser aller Sicherheit so wenig getan? Und finanziell? Ja klar ist das genau das Problem. Alle wissen in diesem Betrieb, dass die Finanzlücke einfach sehr groß ist. Es kommt auf die neue Bundesregierung zu und das hat einfach die jetzige Scholz Regierung schon immer schon im vergangenen Herbst outgesourct auf die nächste Bundesregierung, was ja praktisch ist, aber dieses Land eben nicht sicherer macht.

00:11:05: Lisa Raphael: Aber man könnte ja noch gegen argumentieren, dass wir in der NATO sozusagen eingebunden. Es ist ja auch ein sehr starkes internationales Bündnis. Müssen wir denn überhaupt die Bundeswehr so gut ausstatten, wenn wir ehe verlass uns drauf verlassen können, dass uns unsere NATO-Verbündeten im Ernstfall unterstützen?

00:11:21: Christian Schweppe: Also die Idee ist ja, dass man ein Defensivbündnis hat, das heißt, dass Artikel 5 vor allem gilt, also Angriff auf einen NATO-Staat ist ein Angriff auf alle. Und das ist ja der große Sicherheitsvorteil dieser Idee. Jetzt muss man schon sehen Deutschland hat sich in den vergangenen 80 Jahren sehr darauf zurückgezogen, dass die NATO und das vor allem Amerika uns beschützt in jederlei Hinsicht. Und wenn wir jetzt sehen: alle warten auf den 20. Januar, Donald Trump wird wieder Präsident sein. Was passiert dann? Und wenn man ihn misst an den Aussagen Trump, die er bislang gemacht hat, dann wird es so sein, dass die Europäer noch wesentlich mehr machen müssen und auch mehr zahlen müssen. Was passiert, wenn im Pazifik etwas passiert? Auch dann muss Deutschland mehr tun. Und deswegen brauchen wir die eigene Bundeswehr. Deswegen brauchen wir den Finanzrahmen dafür und all die Dinge, die damit verbunden sind.

00:12:14: Florian Harms: Und das ist eben auch eine Zeitenwende. Die NATO ist eigentlich ein riesengroßes Geschenk, das Versprechen von Sicherheit, das stärkste Militärbündnis der Welt, nicht auf Aggression ausgerichtet, sondern auf Verteidigung. Und Deutschland hat dieses Geschenk sehr gerne angenommen in den vergangenen Jahrzehnten. Jetzt haben sich aber die Zeiten geändert, unter anderem dadurch, dass es mehr Bedrohungen gibt, eben durch das imperialistische Regime im Kreml und auch dadurch, dass die stärkste Macht in der NATO nicht mehr bereit ist, dieses Geschenk alleine jedes Jahr weiterzugeben an die anderen Verbündeten. Und dann muss man reagieren und muss sagen okay, das lief in den bisherigen Jahren sehr prächtig, da hatten wir jeden Tag Geburtstag. Jetzt müssen wir selber auch mal mehr dafür tun, dass wir die Geschenke finanzieren können. Und eigentlich ist das im politischen Berlin jedem klar. Also so wie ich das zumindest war, wenn ich dort unterwegs bin. Egal ob in Ministerien, Kanzleramt oder Parlament. Und der eigentliche Skandal ist, dass trotzdem so wenig passiert. Und das hat Christian Schweppe in seinem Buch meisterhaft aufgeschrieben.

00:13:14: Lisa Raphael: Florian, du meintest gerade die Bedrohungen werden immer mehr. Wir haben jetzt erst kürzlich wieder die erneute Drohung von Putin erfahren, dass er auch Nato-Gebiet angreifen würde. Hintergrund ist, dass US-Präsident Biden der Ukraine den Einsatz von Waffen längerer Reichweite erlaubt, auch in tiefer liegendes russisches Gebiet. Und nachdem dort die ersten amerikanischen ATACMS-Raketen eintrafen, reagierte Putin eben mit dieser Drohung, weil er das jetzt so als Freifahrtschein sieht, auch militärische Ziele in den Ländern anzugreifen, die den Einsatz dieser Waffen zulassen oder generell ihre NATO-Verbündeten. Wie ernst müssen wir denn diese Drohung von Putin jetzt nehmen?

00:13:54: Florian Harms: Wir müssen das ernst nehmen, aber wir müssen die ganze Geschichte sehen. Nicht der Westen hat eskaliert. Putin hat eskaliert. Die Freigabe, die begrenzte Freigabe der Marschflugkörper für den Einsatz in tiefem liegendem russischem Gebiet durch die ukrainische Armee war eine Reaktion darauf, dass die russische Armee 11.000 nordkoreanische Soldaten herangekarrt hat, um gegen die Ukrainer zu kämpfen. Und damit hat Putin diesen regionalen Krieg de facto globalisiert. Und das kann man gar nicht oft genug betonen: Nicht der Westen hat eskaliert, Putin eskaliert fortwährend durch immer neue Aggressionen und es gelingt ihm aber durch seine Propaganda sehr geschmeidig immer das Gegenteil zu erzeugen. Und das wird dann hier von zum Beispiel Frau Wagenknecht gerne und dankbar aufgenommen. Und die spinnen dann dieses Narrativ. Und deshalb muss man halt immer wieder ganz genau reinschauen: Wer eskaliert denn hier gerade? Was passiert da? Und dann und damit komme ich auf deine Frage zurück, muss man natürlich schon vorsichtig sein. Es sind Atommächte in diesem Konflikt beteiligt und das heißt, man muss sehr, sehr sorgsam und sorgfältig damit umgehen und natürlich auch immer in Gedanken haben, dass dabei Waffen zum Einsatz kommen könnten, die das Leben in Europa schlagartig vernichten. Natürlich muss man vorsichtig sein. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir uns jetzt von Putin wie der Bär am Ring in der Manege herumführen lassen.

00:15:20: Lisa Raphael: Christian, gehen wir jetzt mal davon aus, dass es vielleicht doch so weit kommen könnte. Ein Angriff auf Deutschland oder Natogebiet: Wie steht es denn um die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr aktuell? Wir haben vorhin schon die 24 Stunden mit Frankfurt Oder erwähnt. Wie ist deine Einschätzung?

00:15:35: Christian Schweppe: Also wir sind trotz Zeitenwende, das muss man leider sagen, wehrloser als zu Kriegsbeginn. Das hat allein schon den Grund, dass die Bundeswehr ja viel Material an die Ukraine richtigerweise abgeben musste. Aber es fehlt eben hier und das zum Beispiel ist der große und ich würde sagen, der größte Fehler von der Ministerin Christine Lambrecht gewesen. Nicht der Hubschrauberflug oder irgendwelche Schuhe oder was auch immer, sondern die Tatsache, dass man die Sachen, die man abgegeben hat, nicht sofort nachbestellt hat. Kann übrigens bis heute niemand in Berlin erklären. Warum und wer da geschlafen hat, ist einfach Menschenverstand, sich darum schnell zu kümmern, gerade wenn man doch weiß, Rüstungsprojekte dauern lang, so wurden irgendwie Wochen verschlafen und dann haben sie eine Situation, wo einfach die Bundesregierung bei einer deutschen Firma für Waffen. Erwarten muss als andere, die einfach früher bestellt haben. Munition ist auch so ein Beispiel und in der Zwischenzeit fehlt das einfach und wir haben noch wirklich Jahre, bis die letzten großen Rüstungsvorhaben also ausgeliefert sein werden. Also wir haben noch Jahre bis zu 35, es gibt noch sehr viel Zeit bis zu den neuen Patriot Luftverteidigungssystemen und auch bis die neuen Hubschrauber der schwere neue Transporthubschrauber endgültig hier fliegt, und nicht mehr die sehr sehr alte CH53, vergeht viel zu viel Zeit. Und in dieser Zeit sind wir eben deutlich wehrloser als man denken will.

00:17:02: Florian Harms: Und da sieht man doch dran, Christian, dass diese Zeitenwende eben nicht nur in mehr Geld bestehen muss, sondern auch in einer Verbesserung und Verschlankung der Strukturen. Du hast gerade das Beispiel Lambrecht angesprochen, warum in diesem Ministerium im Bendlerblock Verteidigungsministerium es nicht richtig vorangegangen ist. Boris Pistorius hat das ja zum Amtsantritt thematisiert und gesagt Das ganze Beschaffungswesen ist viel zu kompliziert, weil eben auch Führungskräfte sich nicht getraut haben, einfach mal eine Bestellung auszugeben, sondern man wollte sich immer noch die Verantwortung von dem Nächsthöheren einholen. Und so wanderten dann die Vorlagen immer wieder durchs Haus, monatelang. Und sind aber nie wirklich raus gedrungen. Und Pistorius hat sich auf die Fahnen geschrieben, das zu verändern. Ich glaube, wir sind da noch lange nicht da, wo wir hin müssen. Aber das zeigt eben auch Die deutsche Bürokratie trägt einen maßgeblichen Anteil daran, dass wir nicht verteidigungsfähig sind.

00:17:53: Christian Schweppe: Ja, es ist ein gutes Beispiel, die Anfangszeit von Pistorius. Der neue Minister war auch der erste, der einfach mal hat nachzählen lassen, wie viele Leopard ll Kampfpanzer gibt es dann bei der Bundeswehr? Und da sieht man schon, dass das offensichtlich in diesem ersten Jahr der Zeitenwende einfach niemand gemacht hatte. Und da würde ich schon sagen, dass das wirklich für ein sehr großes Desinteresse spricht an allem Militärischen, an der Bundeswehr und eben an dem, was man Landes und Bündnisverteidigung nennt. Und ich glaube, da muss man sagen, ist die Zeitenwende eine Zeitfrage.

00:18:27: Florian Harms: Und ich glaube, dieses Desinteresse drückte sich auch in den Personen aus, die für das Ministeramt ausgewählt wurden. Das betraf Frau Lambrecht, die schlicht keine Ahnung von Militär hatte. Das betraf aber auch Ursula von der Leyen, vorher von Merkel, die auch zumindest zu Beginn überhaupt keine Ahnung davon hatte und eben auch selber sich sehr schwer damit tat, eine ja sage ich mal Beziehung zu den Soldatinnen und Soldaten herzustellen. Und das wird Christian viel besser berichten können, aber es ist eben auch was anderes, ob man als Soldat weiß na, da oben sitzt jemand, die oder der hat selber gedient und weiß, wie das ist, da im Schützengraben zu liegen oder eben nicht.

00:19:05: Christian Schweppe: Also ich würde sagen total richtig. Man sollte dennoch einmal sagen, natürlich ist jetzt ein General nicht automatisch der bessere Minister, aber ich stimme total zu. Es kommt einfach drauf an, wie gut sich diese Person, die dann Minister oder Ministerin ist, einarbeitet. Und Ursula von der Leyen hat das getan. Annegret Kramp-Karrenbauer, ihre Nachfolgerin, hat das auch getan. Und Christine Lambrecht hat das eben nicht getan. Die kam ins Ministerium, da waren die vorbereiteten Mappen ihres Ministeriums, die ersten vorbereiteten Reisen, dass man erst mal alle Truppenteile besucht, sich das anschaut, gerade wenn man noch nicht so viel Berührung mit der Truppe hatte. Und da ist doch echt ein großer Widerwillen gewesen. Und es hat ewig gedauert, bis diese Ministerin sich da einarbeitet. Und das Fatale war, dass das natürlich auch die Truppe merkt. Und wenn dann zum Beispiel das deutsche Heer als allerletztes besucht wird, dann ist das vielleicht einfach aus organisatorischen Gründen, aber es sendet einfach ein gewisses Signal. Und da hat sie die Bundeswehr sehr, sehr früh verloren, glaube ich.

00:20:06: Lisa Raphael: Also auch wieder die politischen und strukturellen Probleme, die da hervorkommen. Bevor wir jetzt gleich weitermachen im Gespräch noch kurz ein Aufruf an Sie da draußen, die Hörerinnen und Hörer. Es sind ja nur noch wenige Wochen bis zu den Neuwahlen im Februar und wir möchten gern mit Ihnen über Ihre Meinung hier im Podcast diskutieren. Was erwarten Sie von einer neuen Bundesregierung? Was muss sich ändern? Melden Sie sich, wenn Sie bei dieser Hörerdiskussion dabei sein wollen, unter der Emailadresse podcasts@t-online.de. Und wir machen auch gleich mal weiter mit einem Hörer, der uns geschrieben hat, nämlich Dietmar. Er hat nämlich echt große Angst vor Angriffen auf Deutschland, die wir gerade schon besprochen haben. Er schreibt: "ich befürchte eine mögliche Ausweitung des Krieges auch auf Deutschland, wenn es mit unserer Unterstützung so weitergeht. Auch ohne Taurus liefern wir permanent Kriegsmaterial an die Ukraine und prahlen noch damit, in Europa Klassenbester Ukraine Unterstützer zu sein." Ja, was muss sich denn jetzt noch ändern in der Verteidigungspolitik? Christian, Du hattest jetzt auch die Verbesserungen schon angesprochen von Verteidigungsminister Pistorius. Jetzt vor wenigen Wochen, hat er ja auch sein neues Wehrdienstmodell vorgeschlagen und möchte auf jeden Fall eine Auskunftspflicht aller potenziellen männlichen Soldaten einführen. Aber es gibt ja auch Diskussionen, zum Beispiel über die Wehrpflicht generell wieder einführen oder auch eine Wehrpflicht. Für Frauen. Wie schätzt du das ein?

00:21:26: Christian Schweppe: Also diese Diskussion zeigt auf jeden Fall, wie sehr sich unser Land verändert und verändert hat. Diese ersten zweieinhalb Jahre, knapp drei Jahre der Zeitenwende, die ich durch das Land gereist bin, haben mir ein Land gezeigt, was eigentlich schon verstanden hat oder ahnt, dass man sich von bestimmten Dingen, von bestimmten Sicherheiten verabschieden musste, sich aber wahnsinnig schwer damit tut, das eben auch zu machen. Und deswegen ist es eine total normale Reaktion, wenn man verunsichert ist. Und das soll man auch gar nicht kleinreden. Die Zeiten sind unsicherer geworden, aber die Antwort darauf kann nicht sein, dass wir dieses Problem ignorieren. Denn Probleme, das wissen wir alle, die man ignoriert, die werden eher größer als kleiner. Und hier ist es eben so zu sehen In der Ukraine werden nicht nur unsere Werte verteidigt, unsere europäischen westlichen Werte, sondern sie werden da sprichwörtlich ausgekämpft. Und das betrifft uns natürlich schon. Das ist keine drei Flugstunden entfernt und wir haben schon darüber gesprochen. Die Sorge auch der Geheimdienste, die die ganz reale Sorge ist, dass eben Putin nicht Halt macht bei der Ukraine und dass er in fünf bis acht Jahren, also in einer Situation sein könnte, in der er doch mal testet, ob dieser Artikel fünf der NATO hält, ob man nicht doch irgendwie einen kleinen Teil von Estland oder Litauen angreifen könnte, ohne dass die NATO diesen Verteidigungsfall sofort ausrufen würde. Und das ist natürlich ein gefährliches Spiel und deshalb sollten wir, glaube ich, einfach sensibilisiert sein. Wir müssen uns mit unserer Sicherheitspolitik beschäftigen, und ich glaube, dann kann man auch besser einordnen bestimmte Diskussionen, die werden ja auch laut geführt. Zeitenwende, Diskussionen. Aber wir kommen halt nicht drum herum.

00:23:11: Florian Harms: Und deshalb ist, glaube ich, auch zu dem Leser, zu Dietmar zu sagen, dass natürlich seine Ängste ernst zu nehmen sind und sie sollte man auch äußern, stimme ich Christian zu. Aber die Reaktion wäre die falsche, wenn man sagt, weil wir Angst haben vor Putin, tun wir jetzt lieber weniger für die Ukraine. Das wird Putin nicht davon abhalten, uns weiter zu attackieren. Und das Putin Regime führt längst einen hybriden Krieg gegen Deutschland. Das ist jeden Tag zu sehen. Das kann man sich von den Sicherheitsbehörden erzählen lassen. Der Bundesnachrichtendienst Präsident Bruno Kahl hat das vor wenigen Tagen selber in einem Interview ausgeführt. Und wenn man mit den BND-Leuten im Hintergrund sitzt, kann man noch viel mehr erfahren. Das sind vielfältige Attacken, das reicht von Angriffen auf deutsche Sicherheitssysteme, Cyberattacken. Wir sehen die Attacken auf Unterwasserkabel, also Internetverbindungen in der Ostsee. Es gibt Brandanschläge auf deutsche Firmen wie beispielsweise den Raketenhersteller Diehl im Bodensee-Kreis. Es werden Menschen verunsichert. Es wird in den sozialen Medien infiltriert und es werden gezielte Vorbereitungen getroffen für das, was Christian gerade schilderte, dass man nämlich seitens des Putin Regimes in etwa fünf Jahren in der Lage sein könnte, die NATO zu attackieren, nicht mit einer großen Landnahme, dass dann zehntausende Russen Richtung Berlin marschieren, sondern dass man ganz gezielt an einzelnen Stellen versucht, die NATO-Länder zu infiltrieren und zu destabilisieren. Beispielsweise indem man wie damals bei der ersten Attacke auf die Ukraine auf der Krim kleine grüne Männchen, also Soldaten ohne besondere Uniformen im Baltikum einsickern lässt, um dort die russischen Minderheiten zu schützen. Und dann müsste die NATO ja reagieren. Man müsse sagen Wir wehren uns jetzt. Und wenn das dann nicht gelingt, dann hätte man schon geschafft, dass eben dieser wichtige Artikel 5 – Christian hat den gerade genannt – der Beistandspakt der NATO Staaten, de facto nicht mehr funktioniert und das würde unser Leben hier massiv beeinträchtigen, weil wir dann dieses riesengroße Geschenk, von dem wir vorhin gesprochen haben, unsere Sicherheit eben nicht mehr in Händen hielten.

00:25:21: Christian Schweppe: Und ich habe mit Boris Pistorius zum Beispiel genau darüber gesprochen und er sagt Das ist bei weitem nicht alles nur für die Ukraine, was dort jetzt in der russischen Kriegsproduktion gebaut wird. Also wenn man sich das mal anschaut, die sind ja wirklich in der Kriegswirtschaft. Russland produziert gerade in drei Monaten das, was die europäische Rüstungsindustrie in einem ganzen Jahr produziert. Und da sieht man, in welchen Kategorien dort gedacht wird. Und der hybride Krieg ist einfach eine Realität. Und bei der Bundeswehr plant man solche Szenarien in drei Stadien. Also Friede, Krise und dann Krieg. Und wir sind nicht mehr im Frieden.

00:26:00: Florian Harms: Und ich glaube, man kann noch dazu sagen. Putin und das weiß man auch aus psychologischen Schilderungen und aus der Erfahrung von Politikern, die ihn getroffen haben, versteht nur Stärke, wenn man ihm signalisieren kann Pass mal auf, in dem Moment, wo du uns ins Gesicht haust, hauen wir zurück. Dann wird er davon absehen. Aber wenn wir den Kopf in den Sand stecken, dann wird er versuchen, uns erst recht zu treten. Und das muss doch hierzulande langsam auch mal. Werden. Wir brauchen eine starke Sicherheit, um uns selbst verteidigen zu können. Wir können es nicht mehr allein auf Washington verlassen.

00:26:30: Lisa Raphael: Sollte Deutschland deswegen auch nachziehen nach beiden der Entscheidung jetzt auch Taurus Marschflugkörper liefern?

00:26:37: Florian Harms: Lisa vielleicht erinnerst du dich, ich habe mich im Tagesanbruch selber dagegen ausgesprochen, den Taurus zu liefern, weil der eben im Unterschied zu diesen Marschflugkörpern, über die wir jetzt bei den Briten und den Amerikanern reden, noch viel weiter schießen kann, nämlich bis Moskau, bis zum Kreml. Und da ist einfach das Risiko sehr groß, dass man das nicht kontrollieren kann seitens Deutschland. Deshalb stehe ich nach wie vor dazu: ich halte es nicht für richtig den jetzt zu liefern. Das heißt aber nicht, dass man nicht an vielen anderen Stellen viel mehr tun könnte. Eben eine stärkere Ausrüstung mit anderem Gerät für die Ukrainer und auch eben hierzulande eine viel stärkere Aufrüstung der Bundeswehr. Das tut mir selber leid, das zu sagen. Ich habe mich früher als Pazifist verstanden. Aber Pazifist zu sein heißt heute, für eine starke Sicherheit einzutreten, weil Sicherheit schreckt ab.

00:27:20: Lisa Raphael: Und man kann immer noch nicht laut der Bundeswehr, Christian, die Taurus Marschflugkörper so programmieren, dass sie nicht so weit fliegen?

00:27:28: Christian Schweppe: Also es gibt gute Gründe, sie zu liefern oder sie nicht zu liefern. Also für beide Seiten. Es ist aber vor allem eine politische Entscheidung. Der Kanzler hat sich da ja sehr klar geäußert. Ist es genau richtig, dass die Unterschiede so sind, dass sie eben weiterfliegen kann, dass sie aber auch noch mal unterschiedlich in der Zielsteuerung zu behandeln ist. Und die Ukrainer sagen natürlich, sie hätten das gerne. Ich glaube, bei der Debatte ist es so Sie ist natürlich ein Stück auch medial überhöht. Es ist, glaube ich, da, wie oft, dass man jetzt den Glauben hat. Das ist jetzt die eine Wunderwaffe, die den Krieg entscheidet. Das ist ja nun nicht so Das Problem der Ukrainer ist doch, dass wir da sehen, Russland setzt sich einfach ganz brutal über Masse durch, also eine Masse an Verlusten. Der November 2024 jetzt war einer der verlustreichsten Monate überhaupt. Ich glaube sogar derjenige, der am meisten Verluste hatte seit Kriegsbeginn. Und das schildern ja auch alle Soldaten vor Ort. Die Russen verheizen ihre Leute völlig brutal, auch ihr Material, weil sie das einfach nachschieben können. Das ist der große Unterschied zur Ukraine und deswegen müssen wir, glaube ich, mehr noch als über Taurus in den Blick nehmen. Was der Westen also dem entgegensetzen kann, damit die Ukraine eben doch wieder in eine Situation kommt, wo sie also gestärkt ist. Und nur aus einer solchen Situation der Stärke heraus kann man auch überhaupt in mögliche Gespräche zu einem wie auch immer gearteten Ende dieses Krieges gehen. Jedenfalls darüber entscheidet dann die Ukraine und nur die Ukraine. Und gerade wird mir ein bisschen viel in die Richtung gesprochen, das schon wieder über den über die Ukraine hinweg ein solches Ende besprochen werden könnte. Und das ist, glaube ich, genau der falsche Weg.

00:29:12: Lisa Raphael: 45.000 Soldaten waren es im November für Russland und du hast ja auch schon die Wirtschaft angesprochen, die ist jetzt auch nicht gerade gut. Also es ist wirklich sehr hohe Inflation in Russland. Es ist natürlich abzuwarten, ob sich aus diesem Grund auch vielleicht etwas ändert. Von ukrainischer Seite gab es ja auch vergangene Woche eine Annäherung. Selenskyj hat in einem Interview mit dem britischen TV Sender Sky News gesagt, dass er für einen Waffenstillstand die russisch besetzten Gebiete gegen einen NATO Beitritt tauschen würde. Es ist natürlich fraglich, ob dieser Tausch so realistisch wäre, aber wir hatten es auch jetzt im Gespräch schon ein, zweimal angesprochen. Wir stehen vor dem Amtsantritt von Trump. Im Januar wird das der Fall sein. Was denkt ihr, was ist zu erwarten, wenn Trump dann antritt? Wird es dann eine schnelle Friedenslösung geben?

00:30:02: Florian Harms: Ich glaube, das wird eine sehr gefährliche Zeit, nämlich genau dieser rund einen Monat zwischen dem Trump Amtsantritt und dem 23. Februar Bundestagswahl. Weil wir in der Zeit während Trump schon richtig loslegt und Fakten schaffen will und in kürzester Zeit sämtliche Krisen der Welt zu lösen gedenkt, von Nahost bis Ukraine keine funktionierende Regierung haben werden, auch nicht ganz klar sein wird. Wer kann denn jetzt verlässlich mit seinen Leuten reden, auch dauerhaft mit denen reden? Und die Amerikaner werden sich natürlich auch fragen Na ja, wenn ich da jetzt mit diesem oder jenem im Kanzleramt oder Außenministerium spreche, ist der oder die in drei Wochen überhaupt noch da. Und das macht es sehr heikel für uns, dass uns möglicherweise das Heft des Handelns an wichtigen Stellen entwunden wird. Das wird echt heikel.

00:30:47: Lisa Raphael: Könnte Trump dann doch so seinen Zauberstab rausholen?

00:30:50: Florian Harms: Und ich glaube nicht, dass er zaubern kann. Und ich glaube auch nicht seine Sprüche, dass er in 24 Stunden den Ukrainekrieg beenden kann. Pustekuchen. Das lässt doch Putin nicht mit sich machen. Der versucht immer alles Mögliche herauszuholen für sich. Und die Gefahr ist groß, dass das passiert, was bei Trump schon in seiner ersten Amtszeit passiert ist, dass er nach großen Verkündigungen schnell das Interesse verliert. Erinnern wir uns nur mal an seine Ankündigung, er werde jetzt Nord und Südkorea quasi zu Frieden verhelfen. Und dann hat er den Kim Jong UN da getroffen, an der Grenze, hat sich feiern lassen und ein paar Monate später war das Thema total vergessen. Und der. Konflikt eskalierte immer weiter. Und heute kauft Nordkorea ein Material nach dem anderen in Russland, unter anderem, um sein Atom Raketenprogramm auszubauen.

00:31:34: Christian Schweppe: Ja, ich glaube auch da kommt was auf Deutschland zu. Das muss man ganz klar so sehen. Alle reden jetzt gerade natürlich über unsere Innenpolitik, über die Bundestagswahl, die heraufzieht. Aber ich würde auch sagen, der Schatten von Donald Trump ist viel größer, denn er betrifft uns eigentlich auf zwei Ebenen. Die eine ist die Ebene der NATO. Also da ist sehr viel Unwägbarkeit gerade. Ich glaube nicht. Und das ist auch Konsens eigentlich unter allen Experten, mit denen man sprechen kann, dass die NATO sozusagen jetzt vor der Auflösung steht, dass es nicht so, aber es wird definitiv in eine Richtung gehen, wo Europa mehr tun muss und damit auch Deutschland. Dass es finanziell. Aber das könnte auch in Richtung von Sicherheitsgarantien für die Ukraine gehen. Trump hat ja so ein bisschen in den Raum gestellt, ob möglicherweise die künftige Waffenhilfe der Ukraine an bestimmte Bedingungen geknüpft sein könnte. Und das wird sehr spannend. Und ich denke auch, dass eben genau bis zum Amtsantritt und dann eben auch, aber bis zur Bundestagswahl in Deutschland eine sehr große Unsicherheit da ist. Und das Schlimme an dieser Zeit wäre, wenn in diesen Wochen also gar keine Entscheidungen getroffen werden, wenn dieses ganze Ukraine Thema quasi sicherheitspolitisch in Berlin vor allem einfach brachliegt und wir uns nur auf ganz offenkundige Wahlkampfbesuche des Kanzlers und natürlich auch anderer quasi verlassen müssen und sonst passiert nichts. Dann ist am Ende die Ukraine genau diejenige, die darunter leidet.

00:33:02: Lisa Raphael: Eine Woche vor der Bundestagswahl findet noch die Münchner Sicherheitskonferenz statt. Da können wir noch ein bisschen hoffen, dass sich da doch ein bisschen was bewegt. Ich halte jetzt mal fest zum Schluss also die Zeitenwende ist auf jeden Fall noch ausbaufähig von Bundeskanzler Scholz. Es hat sich nach zweieinhalb Jahren viel zu wenig getan. Wir müssen aber nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit viel mehr in Verteidigung investieren, uns viel besser organisieren. Denn wir wissen nicht, was Trump nächstes Jahr mit der NATO weltweit machen wird. Und deshalb müssen wir vor allen Dingen unsere europäische Verteidigungsfähigkeit stärken. Damit bedanke ich mich ganz herzlich bei euch beiden für das Gespräch. Und wenn Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, an diese Podcastfolge gefallen hat, dann abonnieren Sie doch unseren Tagesanbruch Podcast überall da, wo es Podcasts gibt und lassen Sie uns gern auch eine Bewertung da. Bis zu fünf Sterne sind möglich. Anmerkungen, Fragen oder Kritik Schicken Sie uns gern per Sprachnachricht oder Email an podcasts@t-online.de, auch wenn Sie Interesse an der Hörerdiskussion mit Chefredakteur Florian Harms zu den Neuwahlen haben. Und damit bedanke ich mich auch bei Ihnen fürs Zuhören. Wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und an dieser Stelle noch mal ein großes Dankeschön an Dich, Christian, dass Du hierher gekommen bist. Christian Schweppe, der Autor des neuen Buches Zeiten ohne Wende. Vielen Dank.

00:34:19: Christian Schweppe: Sehr gerne.

00:34:19: Florian Harms: Danke auch von mir. Vielen Dank. Tschüss. Und bleiben Sie uns gewogen.

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Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert. Am Wochenende geht es in einer längeren Diskussion mit prominenten Gästen um ein aktuelles, politisches Thema. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

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von und mit Florian Harms

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