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00:00:02: Andreas Voßkuhle: Wenn Trump gewinnen sollte, wird das ein Kipppunkt sein für die demokratische Entwicklung.
00:00:05: Lisa Raphael: Hallo zu einer neuen Folge von Tagesanbruch die Diskussion dem wöchentlichen Podcast von t-online, diesmal für das Wochenende vom 2. November 2024. Ich bin Lisa. Raphael moderiere dieses Format und wir sprechen heute mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Nach den Landtagswahlen im Osten und vor der US-Wahl kommende Woche wollen wir folgende Fragen diskutieren Wie schützen wir uns und unsere Verfassung vor demokratiefeindlichen Kräften? Was kann Deutschland von den USA in Bezug auf den Umgang mit Populismus lernen? Könnte unsere Demokratie daran zerbrechen?
00:00:45: Lisa Raphael: Und für die Diskussion begrüße ich Andreas Voßkuhle. Er war zehn Jahre, von 2010 bis 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts und lehrt jetzt Öffentliches Recht an der Universität in Freiburg. Hallo Herr Voßkuhle, und vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen.
00:00:57: Andreas Voßkuhle: Guten Morgen, Frau Rafael.
00:00:59: Lisa Raphael: Und zum anderen begrüße ich unseren Politikchef bei t-online, Christoph Schwennicke.
00:01:03: Christoph Schwennicke: Ja, hallo Lisa. Einen schönen guten Tag allen, die uns zuhören und ein herzliches Willkommen und auch ein herzliches Dankeschön noch mal von meiner Seite an Professor Voßkuhle, dass wir diese Fragen mit ihm werden können. Ich freue mich seit Tagen darauf, auch wenn vielleicht nicht alle Aspekte dessen, was wir zu erörtern haben, durchgängig erfreulich sind. Trotzdem freue ich mich sehr auf diese Diskussion.
00:01:23: Lisa Raphael: Auf jeden Fall relevant sind sie und wir wollen das heute ein bisschen anders machen. Und zwar werden Christoph und ich beide die Fragen stellen, weil wir so einem Gast wie Sie, Herr Voßkuhle, so viel Redezeit wie möglich geben wollen. Und damit fangen wir auch an, und zwar mit dem Blick auf die wichtigste Wahl in diesem Jahr. Denn am Dienstag müssen die Amerikaner entscheiden, ob ihr Land zukünftig von der demokratischen Kandidatin Kamala Harris geführt wird oder ob Donald Trump wieder ins Weiße Haus zieht. Herr Voßkuhle, Sie sind gerade zu einem Forschungsaufenthalt in den USA. Wie nehmen Sie denn die Stimmung so aktuell wahr?
00:01:57: Andreas Voßkuhle: Ja, die Stimmung ist sehr unterschiedlich. Ob man sich in einem sogenannten Swing State, das in ungefähr sieben Staaten befindet oder eben nicht, in einem Swing State. Ich selbst bin in New York. New York ist traditionell demokratisch geprägt. Hier findet kaum Wahlkampf statt, auch wenn es vor kurzem die große Veranstaltung von Donald Trump im Madison Square Garden gegeben hat. Aber eigentlich spürt man sonst nichts vom Wahlkampf. Der Wahlkampf wird in Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Bekannten geführt. Und es ist tatsächlich unklar, wer gewinnen wird. Das verändert sich auch. Wir hatten erst einen starken Trump, dann kam Harris, hat ein paar Punkte gemacht und war etwas dominanter. Jetzt ist sie etwas blasser geworden. Das erste Momentum ist verflogen und Trump wird wieder etwas stärker. Aber einige der Vorredner haben sich auf der Veranstaltung Madison Square Garden relativ abschätzig über Latinos und deren Herkunft geäußert. Das hat ihm wieder Sympathien gekostet. Wir sehen also, es ist ein Hin und Her. In den eigentlichen Swing States ist der Wahlkampf sehr, sehr hart. Und was vielleicht für uns ganz interessant ist der wesentliche Wahlkampf wird jetzt als dieser Wahlkampf geführt. Das heißt, die Helferinnen und Helfer der beiden großen Parteien ziehen von Tür zu Tür und versuchen, für ihren Kandidaten ihre Kandidatin zu werben. Und auch viele meiner Kolleginnen und Freunde, Bekannte aus Europa sind in diesen Häuser Wahlkampf integriert. Die gehen also mit, meistens auf der Seite der Demokraten.
00:03:44: Christoph Schwennicke: Wagen Sie denn eine Prognose, Herr Voßkuhle, wie die Wahl ausgeht und welche Auswirkungen könnte das jeweilige Wahlergebnis auf Deutschland, Europa, die Welt und vielleicht auch die liberale Demokratie im Allgemeinen haben? Da ziele ich natürlich insbesondere auf einen Wahlausgang ab mit dieser Frage.
00:04:03: Andreas Voßkuhle: Ja, also mit Kamala Harris wird sich jetzt nicht sehr viel verändern Zu der Situation mit Joe Biden. Davon gehen alle aus, dass das weiter stabil wird. Gutes Verhältnis zu Europa, starke NATO Partnerschaft und weitere Unterstützung der Ukraine. Intern wird hier dann sicherlich noch mal darüber nachgedacht, ob man die Wirtschaft etwas ankurbeln kann durch Förderprogramme an sich. Dinge, die uns in Europa besonders beunruhigen sollten. Umgekehrt wenn Trump gewinnen sollte, wird das ein Kipppunkt sein für die demokratische Entwicklung in den USA, weil Trump diesmal sehr viel besser vorbereitet ist als das letzte Mal, als er gewonnen hat. Es stehen ungefähr vier 5000 Leute bereit, Ämter zu übernehmen und in seinem Sinne zu agieren. Er hat angedeutet, dass er zwar am demokratischen System grundsätzlich festhalten will, aber er auch an Modifikationen denkt. Und wir müssen uns auch mit dem Schlimmsten beschäftigen, dass er hier ein autoritäres System etabliert und versuchen wird, dauerhaft der Republikaner die Macht zu sichern. Die Kolleginnen und Kollegen hier in New York sind erstaunlich gelassen.
00:05:25: Christoph Schwennicke: Wie erklären Sie sich das?
00:05:26: Andreas Voßkuhle: Das liegt daran, dass die USA mit Polarisierung eine ganz andere Erfahrung hat. Also denken Sie an den Bürgerkrieg, Denken Sie an die McCarthy Ära, als die Kommunisten verfolgt wurden. Denken Sie an die Anti Vietnam Bewegung. Das waren ganz große Herausforderungen für das Land. Man hat da ganz stark miteinander gekämpft und es hat beunruhigt die Polarisierung auch viele erfahrene Politikwissenschaftler, Juristen, Ökonomen nicht so sehr, wie das bei uns der Fall ist, weil wir natürlich eine andere geschichtliche Erfahrung haben und wir da etwas ein gebranntes Kind sind und wissen, dass Systeme eben gekapert werden können. Wir haben es auch aktuell gesehen in Europa, Polen und Ungarn. Deshalb also wir sind da vorsichtiger und ich bin erstaunt, also in diesen Gesprächen, dass doch viele meiner Kollegen sagen Ja, Trump, ihn wollen sie natürlich nicht, aber wenn er es noch mal macht und das wäre dann auch nicht schlimm für die amerikanische Demokratie. Die gibt es seit weit über 200 Jahren und die hat funktioniert und die wird auch weiter funktioniert.
00:06:38: Lisa Raphael: Meinen Sie, das ist so eine Sache, die wir uns abgucken können von den Amerikanern so ein bisschen gelassen an die Sache heranzugehen? Ich meine, Populismus ist ja auch ein Riesenthema bei uns. Wenn wir jetzt auf die Landtagswahlen im Osten schauen, da hat die AfD 33 % erreicht, Sperrminorität erreicht. Das ist alles nicht so auf die leichte Schulter zu nehmen. Oder haben Sie andere Ideen, was man so von den USA vielleicht lernen kann in Bezug auf Schutz vor dem Populismus?
00:07:04: Andreas Voßkuhle: Ja, ich bin mir nicht sicher. Das sind andere, ob wir das alles übertragen können. Wir sehen ja einen anderen kulturellen Kontext des Landes insgesamt sehr viel stärker auf privates Engagement gebaut. Man möchte, auch wenn man Democrats einen schlanken Staat haben, der sich nicht viel einmischt. Man möchte in Ruhe gelassen werden, Die Dinge sollen funktionieren und man ist bereit, auch selbst Initiative zu entwickeln. Also viele Museen, Schulen usw sind privat finanziert und viele Aktionen auch werden privat auf den Weg gebracht. Der Amerikaner nimmt sein Schicksal gern selbst in die Hand. Das ist eine andere Voraussetzung als bei uns in Europa. Wir kennen einen funktionsfähigen Staat. Wir leben in einem Wohlfahrtsstaat, der sich auch kümmert um die Bürgerinnen und Bürger. Das ist uns vertraut, und wir haben auch andere Erwartungen an den Staat. Etwas, was mir hier auffällt und was mir auch in Deutschland auffällt, ist, dass die Frage der Funktionsfähigkeit des Staates sich doch sehr stark auch auf die Wahlpräferenzen auswirkt. Also die Leute wollen, dass ihr Staat gut funktioniert, die Infrastruktur. Und wenn das nicht der Fall ist, dann wählen sie die ab, die da vermeintlich für verantwortlich sind, unabhängig davon, ob sie nun insgesamt dieses politische Konzept gut finden oder nicht gut finden oder die anderen gut finden. Sie sagen da müssen Mahner ran. Und wenn Sie jetzt schauen, Wer unterstützt Trump? Dann gibt es eine relativ große Gruppe von Personen, die keine Chefideologen sind, die auch nicht zu den Evangelikalen oder den Verschwörungstheoretikern zählen, sondern die sagen Trump ist ein Unternehmer, der macht das ein bisschen wirtschaftlich besser als die Demokraten. Und deshalb wählen wir den, der ist so aktiver und dem vertraut mir das an und ansonsten kümmern Sie sich nicht weiter um das Konzept, was mit Trump verbunden ist. Und ich glaube, diesen Aspekt müssen wir stärker in den Blick nehmen, wenn wir jetzt auch nach Deutschland schauen. Auch in Deutschland ist es so, dass viele, glaube ich, sich von den etablierten Parteien abgewendet haben, weil sie sagen, Unser Staat ist im Augenblick nicht in einer besonders guten Verfassung, Deshalb noch andere an das, was die machen oder nicht machen.
00:09:33: Christoph Schwennicke: Darauf kommen wir noch im Einzelnen. Herr Voßkuhle, Sie haben gesagt, man muss sich auch mit dem Schlimmsten beschäftigen, also dass es auch autoritäre Züge annehmen kann, wenn Donald Trump eine zweite Amtszeit bekommt. Ein Vorgeschmack davon hat es ja auch in seiner ersten Amtszeit schon gegeben, als er den Supreme Court personell umgekrempelt hat. Polen und Ungarn wurde von ihnen schon genannt, wo es so ähnlich war. Und hier in Deutschland ist es jetzt so, dass die andere Regierung zusammen mit der größten Oppositionspartei oder Fraktion CDU oder der Union an einer Reform des Bundesverfassungsgerichts arbeitet. Es soll also besser geschützt werden, auch vor politischer Einflussnahme. Und ich frage mich so ein bisschen so eine Schutzmauer um das Bundesverfassungsgericht, in dem Sie nun zu Hause waren, ist das richtig oder letztlich auch ein trauriges Zeichen? Denn ich meine, wir haben 75 Jahre, ein 3/4 Jahrhundert dieses Grundgesetz und fast so lange das Bundesverfassungsgericht. Und jetzt müssen wir also nach einem 3/4 Jahrhundert. Wie schrieb der Deutschlandfunk so schön Das Grundgesetz soll seine Schützer schützen, also müssen im Grundgesetz oder soll im Grundgesetz eingetragen werden, Wie? Wie das Verfassungsgericht da wetterfest gemacht werden soll.
00:10:45: Andreas Voßkuhle: Also grundsätzlich, ich glaube, das ist keine schlechte Idee, das zu machen. Das ist eine Nachführung. Es hat historische Gründe, dass die meisten Regelungen zum Bundesverfassungsgericht nicht im Bundesverfassungsgerichtsgesetz einem einfachen Bundesgesetz stehen, sondern dass die dort stehen und nicht im Grundgesetz. Man hat es in gewisser Weise vergessen, weil das gut lief. Und jetzt, in einer Phase, in der man etwas hellhöriger geworden ist, weil die Verfassungsgerichtsbarkeit insgesamt auf der Welt unter Druck geraten ist und wir von einer weltweiten Krise der Verfassungsgerichtsbarkeit sprechen können, möchte man in eher noch ruhigen Zeiten. Vorbereitet sein. Das halte ich für grundsätzlich vernünftig. Über die eine oder andere Regelung kann man leicht diskutieren, ob die sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Aber im Grundsatz ist das vernünftig. Es zeigt aber, und da gebe ich Ihnen recht, dass wir mittlerweile etwas wacher sind und dass wir nicht mehr davon ausgehen, dass unser System, unsere demokratische, freiheitliche Verfassungsordnung, dass die unangreifbar ist und dass man sie für sich nicht einsetzen muss. Insofern ist das ein Zeichen dafür, dass die Zeiten rauer werden und wir uns mit unseren Grundfragen und den Fundamenten unseres Staates mehr beschäftigen müssen. Da gebe ich Ihnen recht. Und das finde ich auch richtig, dass wir darüber nachdenken. Die westliche Demokratie ist eben nicht selbstverständlich. Sie ist noch relativ jung, wenn sie auf die ganze Menschheitsgeschichte schauen. Und Demokratie ist kein einfaches Spiel. Demokratie tut sich immer schwer. Demokratie hat immer mit funktionalen Problemen zu kämpfen. Das war von Anfang an so, das ist auch heute so! Es ist aus meiner Sicht immer noch weitaus das beste politische System, das die Freiheit der Bürger schützt, zu Wohlstand führt und ein gutes Leben ermöglicht. Aber es ist kein Selbstläufer und das sehen wir gerade. Und deshalb, glaube ich, müssen wir uns noch stärker engagieren für dieses System, als wir das vielleicht vorher getan haben.
00:12:58: Lisa Raphael: Herr Voßkuhle, Sie haben einmal gesagt, dass Demokratie nicht unsterblich ist, und jetzt haben Sie gerade so etwas Ähnliches formuliert, als wir noch ein junges System sind. Würden Sie denn aber auch sagen, dass es wirklich realistisch ist, wenn wir jetzt mal in die Zukunft blicken, dass wirklich solche populistischen Kräfte wie die AfD unsere Demokratie derart aushebeln, dass sie auch daran zerbricht.
00:13:18: Andreas Voßkuhle: Na ja, heute werden ja solche Revolutionen nicht mehr mit Panzern und Raketen durchgeführt und sie besetzen den Rundfunk und dann den Flughafen, sondern heute geht das so ja Richtung Salamitaktik. Also Sie versuchen immer wieder, einen Stein aus dem Ensemble der demokratischen Garantien herauszubrechen. Wir müssen uns klarmachen Was bedeutet Demokratie im Kern? Im Kern bedeutet Demokratie nicht Mehrheitsentscheidung. Das wird häufig etwas verkürzt, sondern im Kern bedeutet die Demokratie, dass die Minderheit bereit ist, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren, wenn sie selbst die Chance hat, zur Mehrheit zu werden. Sonst gibt es für die Minderheit keinen guten Grund, das zu tun. Deshalb müssen die Voraussetzungen geschaffen werden dafür, dass die Minderheit zur Mehrheit werden kann. Und dazu gehören natürlich Wahlen, die durchgeführt werden, die mit all den Wahlgrundsätzen, die wir haben, versehen werden müssen. Dazu gehört aber auch Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Rundfunkfreiheit, Pressefreiheit. Dazu gehören gesellschaftliche Verbände, dazu gehören Oppositionsrechte wie die Einberufung eines Untersuchungsausschusses, Fragerechte im Bundestag, im Parlament und Ähnliches. Also ein ganzes Ensemble von Garantien, die dazu führen, dass ich als Bürgerinnen und Bürger darin vertrauen kann, dass, wenn ich mit meiner politischen Ansicht in der Minderheit bin, ich die Chance habe, eine effektive Chance habe, zur Mehrheit zu werden. Und das ist der Grund für mich, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren. Das ist das Versprechen der Demokratie. Deshalb gehört Opposition auch zur Demokratie dazu sind nicht etwa die Feinde der Demokratie, sondern das sind die, die vielleicht die nächste Regierung stellen. Und deshalb sollte man mit denen auch dementsprechend umgehen.
00:15:16: Lisa Raphael: Ich glaube, Vertrauen ist auch so ein Stichwort, wo das ein großer Knackpunkt bei der ganzen Debatte.
00:15:22: Andreas Voßkuhle: Ja, und was wir im Augenblick erleben, ist, dass eben so einzelne Garantien aus diesem Regelungsarrangement herausgebrochen werden. Also wenn Sie zum Beispiel das Verfassungsgericht abschaffen, dann werden politische Spielregeln nicht mehr überprüft und dann versuchen diejenigen, die diese regeln machen, sie. So zu gestalten, dass sie für sie positiv sind. Das sind ganz einfache Dinge. Warum findet die Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten an einem Dienstag statt?
00:15:50: Christoph Schwennicke: Ja, warum?
00:15:52: Andreas Voßkuhle: Weil die arme Bevölkerung, die demokratisch wählen würde, am Dienstag zur Arbeit gehen muss und deshalb nicht wählen kann. Und das hat eine gewisse Tradition. Und an der hält man fest, weil das für die Republikanische Partei vorteilhaft ist.
00:16:08: Christoph Schwennicke: Sie haben gerade gesagt, vor ein paar Minuten, Herr Voßkuhle dass sich leider immer mehr von den etablierten Parteien auch abwenden oder es kritisch betrachten. Ich kann die Frage nicht auslassen mit Blick auf das aktuelle Gebaren oder akute das derzeitige Gebaren der Ampelkoalition. Wie sehen Sie denn das in diesem Lichte, also vor dem Hintergrund, dass ohnehin, sagen wir mal, das Urvertrauen zu den etablierten Kräften nicht mehr so da ist, wie es über Jahrzehnte da war?
00:16:39: Andreas Voßkuhle: Ja, also eine schwierige Frage, Herr Schwennicke. Wir sind, glaube ich, alle nicht sehr begeistert von dem, was die Regierung im Augenblick leistet, unabhängig davon, aus welchem politischen Lager wir oder mit welchem politischen Vorverständnis wir auf die Dinge schauen. Deutschland ist an einer schwierigen Situation. Wir haben einen Reformstau in vielen Bereichen, und man hat nicht das Gefühl, dass der gordische Knoten hier durchschlagen werden kann, sondern dass sich die drei Koalitionäre irgendwie blockieren und sich selbst das Leben schwer machen. Und das ist sicherlich keine gute Situation für das Land. Natürlich kann keiner ganz genau hinter die Gardinen schauen, was da stattfindet, aber es ist sicherlich keine Situation, die uns mit Zuversicht erfüllt. Nun möchte ich es mal etwas vorsichtig formulieren und viele hätten sich vielleicht auch einen Bundeskanzler gewünscht, der noch klarer Dinge kommuniziert und vielleicht einige Entscheidungen etwas auch klarer und energischer trifft. Wir hatten ja eine sehr große Rede von ihm nach dem Ukrainekrieg, zur Zeitenwende, zur Zeitenwende, die, glaube ich, viele irgendwie berührt hat. Also unabhängig davon, ob es nun Sozialdemokraten, Christdemokraten oder Liberale waren. Das ist vernünftig und jetzt muss was kommen. Und dann ist aber bisher nicht so viel gekommen, wie sich manche das erhofft haben. So möchte ich das mal vorsichtig formulieren. Insofern sind wir in keiner beneidenswerten Situation.
00:18:15: Lisa Raphael: Es gibt ja auch derzeit die hitzige Debatte über ein mögliches Verbot der AfD. Was sagen Sie dazu? Wäre ein solches Verbot Ihrer Einschätzung nach sinnvoll und auch realistisch umsetzbar? Mit juristischen aus juristischer Sicht auch?
00:18:30: Andreas Voßkuhle: Frau Raphael, das bin ich natürlich häufig gefragt worden in den letzten Monaten. Und da muss ich mich zurückhalten, weil meine Kollegen und Kolleginnen ja vielleicht tatsächlich auch mit so einem Verfahren konfrontiert sind. Mir scheint es wichtig zu sein, dass man sich klar macht, dass die politische Frage, ob man ein solches Verbotsverfahren durchführt, eine ganz andere Dimension hat als die Frage, ob das juristisch klappt, ob die Voraussetzungen vorliegen, ob die Voraussetzungen vorliegen, ist so nicht einfach zu sagen. Und wer so tut, als wüsste er das, der argumentiert nicht seriös. Sie müssen ganz genau hinschauen, was denn in den letzten Monaten verlautbart worden ist, wie sich die Parteispitze dazu verhalten hat. Müssen schauen, mit welcher Nachhaltigkeit das gemacht worden ist. Das ist sehr viel schwerer wahrscheinlich als in dem NPD Verfahren, in dem viele Dinge schon im Parteiprogramm drin stand, die problematisch sind. Und hier muss erst mal der Sachverhalt aufgearbeitet werden. Das Bundesverfassungsgericht ist bei einem Verfahren letztendlich auch eine Tatsacheninstanz. Und da es selbst aber nicht ermitteln kann, ist darauf angewiesen, dass diejenigen, die den Antrag stellen, ihnen auch diese Informationen geben, die sie brauchen, damit sie das beurteilen. Also das muss man jetzt gerade machen und das ist schwierig und deshalb kann man auch nicht ohne Weiteres sagen, dass das juristisch erfolgreich sein wird als solcher Antrag oder nicht?
00:19:57: Christoph Schwennicke: Ich habe eine Lernfrage dazu, und das ist nicht eine dieser scheinbaren Lernfragen, die Journalisten manchmal stellen, sondern eine tatsächliche. Und ich glaube, die treibt auch viele Hörerinnen und Hörer vielleicht um. Also wie kann es sein, dass eine Partei vom Verfassungsschutz in den Ländern jedenfalls als gesichert, teilweise rechtsextrem eingestuft wird? Wie kann es sein, dass hochmögende Repräsentanten einer Partei offiziell als Faschist bezeichnet werden können, ohne dass damit irgendwie der Weg klar ist, dass diese Partei verboten werden kann? Ich beziehe mich jetzt mal auf Hape Kerkeling. Ich hoffe, Sie empfinden es nicht als irgendwie nicht in ihrer Klasse, aber ich fand, er hat eine sehr gute, eine sehr gute Allegorie oder eine Metapher gewählt. Er hat gesagt, wenn ich ein Glas Mineralwasser habe und ich machte einen Schluck Kloaken Wasser rein, dann kann ich dieses Mineralwasser nicht mehr trinken. Dann ist es Kloakenwasser. Also warum reicht das nicht hin?
00:20:53: Andreas Voßkuhle: Die Anforderungen sind hoch. Das ist auch richtig so, da das Parteiverbotsverfahren die schärfste Waffe in der Demokratie ist. Also ich ermorde meinen politischen Gegner in Anführungsstrichen, deshalb muss man da vorsichtig sein. Und die Einschätzung des Verfassungsschutzes ist ein wichtiger Aspekt. Der wird natürlich auch berücksichtigt von Bundesverfassungsgericht. Aber das Gericht muss sich selbst einen Eindruck von den Dingen machen und muss sich die Dinge auch genau anschauen. Und da kann es auch zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Was einzelne Personen angeht, so muss man fragen, inwieweit sind die dominant und führen dazu, dass die gesamte Partei davon infiziert wird. Und da würde man mit dem Bild des Kloakenwassers nicht so richtig weiterkommen, weil wir das wir auch in anderen Situationen haben, dass nicht einzelne eine ganze Gemeinschaft desavouieren können. Also machen wir mal ein Beispiel, wir gehen zusammen auf eine Versammlung und demonstrieren für Europa. Und dann gibt es drei, vier in unserer Gruppe, die einmal gewalttätig werden, mit denen wir aber eigentlich gar nicht so viel zu tun haben und wir zurzeit kennen. Aber die gefällt uns auch alles nicht. Das würde uns als Gruppe zugeschrieben. Das ist genau so eine Situation, wie wir sie auch Parteiverbot verfahren haben. Man kann Dinge zurechnen unter bestimmten Voraussetzungen, aber man kann nicht nur weil ein oder zwei Leute sich völlig daneben benommen haben, jetzt eine ganze Partei ohne Weiteres deshalb verbieten. Und vor diesem Problem stehen wir. Ich will das jetzt nicht nach einer Seite auflösen, will das auch nicht konkret anwenden. Wie gesagt, dazu wissen wir zu wenig über die gesamte Lage in der Bundesrepublik, was die AfD angeht. Aber da ist ein Problem und deshalb ist es nicht so einfach, dass man von einem Verfassungsschutzbericht und Äußerungen einzelner AfD Politiker auf ein Parteiverbot schließen kann.
00:22:56: Lisa Raphael: Und Sie haben ja am Anfang meine Frage so in zwei Teile aufgeteilt, also ob es juristisch umsetzbar ist, haben Sie jetzt relativ gut analysiert, aber persönlich finden Sie so ein AfD-Verbot schon sinnvoll, wenn ich Sie richtig verstehe?
00:23:10: Andreas Voßkuhle: Na ja, politisch muss man glaube ich anders draufschauen. Politisch muss man fragen Was kann man gewinnen und wie lange wird das dauern? Kommt so ein Parteiverbot rechtzeitig, kann ich das doch für die Wahl nutzen. Und ich glaube, da muss man realistisch sein. Und mir scheint es unrealistisch zu sein, bis zur nächsten Wahl ein solches Partei Verbotsverfahren zu beenden. Das heißt, die nächste Wahl wird stattfinden, die nächste Bundestagswahl im nächsten Jahr, da wird auch die AfD wahrscheinlich einige Prozentpunkte gewinnen und das muss man sich jetzt überlegen: Was gewinnt man, wenn man ein solches Verfahren jetzt führt, auch für den Wahlkampf? Was bedeutet das und hält man das für richtig? Ich finde es eine ambivalente Entscheidung, die tatsächlich politisch getroffen werden muss. Sie ist aus meiner Sicht nicht eindeutig. Also man kann gute Gründe finden dafür ein solches Partei Verbotsverfahren zu machen. Man kann aber auch ein paar gute Gründe finden, die sagen na ja, das könnte sich ein Schuss nach hinten sein. Es könnte die AfD stärker machen für die kommende Wahl und den kommenden Wahlkampf, weil dann einige Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, die Alternative wird aus dem Spiel genommen. Und das machen die, die an der Macht sind. Und was die ja Verschwörungstheorien angeht, da hat man hier in USA sehr viel Anschauungsmaterial. Also das ist unglaublich, was hier behauptet wird und was die Leute auch teilweise glauben und auch vernünftige Leute. Das wird in Deutschland auch stärker. Und wenn Sie sich dieses wird sagen Klima verbinden mit dem Parteiverbot zu erfahren, dann kann das eine sehr akkustische Mischung sein. Das spricht dagegen. Insofern ist das eine offene Frage und ich beneide nicht diejenigen, die das dann letztlich entscheiden müssen.
00:25:05: Christoph Schwennicke: Sie geben nicht viele Interviews. Deswegen sind wir ja so froh um diesen Podcast und haben aber vor knapp einem Jahr muss ich sagen, bei mir im Kopf quasi einen Gong geschlagen mit einem Interview seinerzeit im Tagesspiegel, als Sie gesagt haben, so ähnlich haben Sie es jetzt ja auch noch mal wiederholt: Es kann durchaus sein, dass ich unsere westliche Demokratie nur als eine kurze Phase in der Geschichte der Menschheit erweist. Sie haben Bezug genommen auf die attische Demokratie, die die Urmutter quasi ist und auch nur leider 70 Jahre anhielt. Und Sie haben dann auch Bezug genommen auf die Landtagswahlen, die damals noch vor uns lagen und jetzt hinter uns die drei Landtagswahlen im Osten. Und haben gesagt, wenn die AfD dort stärkste Fraktion in einem Landtag würde, dann. Zitat würde die politische Landschaft Deutschlands umgekrempelt. Das ist jetzt. Wie würden Sie den Zustand dann jetzt beschreiben?
00:25:58: Andreas Voßkuhle: Ja, wir werden das sehen müssen. Ob es gelingt, eine politische Handlungsfähigkeit in den betreffenden Ländern zu organisieren, ohne Beteiligung der AfD oder oder Abhängigkeit von der Duldung der AfD. Wenn das dort passiert, dann wird ein Prozess eingeleitet werden, in dem das passiert, was ich eingangs beschrieben habe dass an vielen Ecken und Enden unseres Arrangements für Demokratie die Dinge verändert werden. Das sind auch ganz kleine Sachen. Also nehmen Sie mal die Unterstützung durch das Bundesprogramm Demokratie leben für verschiedene zivilistische Gruppen, die sich auch der Zivilgesellschaft, die sich einsetzen für Demokratie wagen, gegen Diskriminierung usw, die jetzt in einer Kommune auch aktiv sind und zusammenarbeiten mit den dortigen Verwaltungen. Und jetzt entscheidet die Regierung, Das machen wir nicht mehr. Das brauchen wir nicht. Wir sind nämlich sehr demokratisch und diese Gruppen werden hier nicht mehr von uns in irgendeiner Weise unterstützt. Dann bricht ein Stein unseres demokratischen Konzepts zusammen, weil bestimmte Formen der Auseinandersetzung, des Engagements, der nicht mehr stattfinden. Und solche Dinge sind eher noch soften Bereich. Aber es wird natürlich auch härter werden. Es geht dann um Fragen: Wie besetzt man ein Landesverfassungsgericht? Das ist jetzt eine Frage, kann man da dann einen AfDler hinschicken, der wohlmöglich das Beratungsgeheimnis nicht achtet, weil er das nicht für für sinnvoll erachtet, sondern alles, was dort besprochen wird, dann seinen Parteifreunden erzählt. Dann verändert sich die ganze Kultur im Gericht und auf einmal ist so ein Gericht nicht mehr sehr handlungsfähig. Also all diese Dinge können jetzt passieren und ich will da keine wilden Prognosen abgeben. Aber ich möchte sagen, wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn das passiert und genau hinschauen, was jetzt passiert, weil es unwahrscheinlich ist, dass es einen großen Knall gibt und dann ist die Demokratie weg und dann klar was anderes da, sondern es wird. Das ist eben ein schleichender Prozess. Ein Erosionsprozess, der wird eingeleitet werden und da muss man versuchen, dagegen zu wirken. Und deshalb ist das auch ein Kipppunkt, weil in dem Augenblick, in dem eine solche Partei wirklich an der Macht ist, kann sie eben die Regelung verändern, kann an vielen Schrauben drehen und sie im Augenblick noch nicht drehen kann.
00:28:32: Lisa Raphael: Denken Sie denn, dass diese Reform des Bundesverfassungsgericht ausreichen wird, um gegen diese populistischen Kräfte anzukommen? Oder gibt es noch weitere Parameter, was wir machen könnten politisch, juristisch, aber auch gesellschaftlich?
00:28:44: Andreas Voßkuhle: Also das Entscheidende wird sein, ob wir größere Teile der Gesellschaft davon überzeugen können, dass sie sich demokratisch engagieren müssen und dass sie sich für demokratische Parteien engagieren müssen. Und da haben wir im Augenblick das Problem. Die Reform der verfassungsrechtlichen Absicherung des Bundesverfassungsgerichts ist ein eher kleiner Baustein, glaube ich in diesem Gesamtkonzept, der aber natürlich auch eine gewisse Wichtigkeit hat. Aber das würde ich nicht überschätzen. In der Situation, in allen Situationen scheint es mir zentral zu sein, dass wir es schaffen, ein den Teil der Gesellschaft, der sich vom politischen System abgewendet hat, der aber nicht völlig eindeutig einer extremen politischen Richtung, insbesondere einer rechtsextremen politischen Richtung zugeneigt ist, den zurückzugewinnen. Sie wissen, ich bin Vorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen - für Demokratie". Wir beschäftigen uns relativ viel mit solchen Fragen, und da gehen wir im Augenblick auf der Grundlage verschiedenster Studien davon aus, dass wir einen Teil von ungefähr 8 bis 10 % in der Bevölkerung haben, die tatsächlich wirklich rechtsextrem ideologisch geprägt sind, dass wir dann so ungefähr 30 % haben, das sogenannte unsichtbare Drittel, eine Formulierung von morgen kamen, 30 %, die sich abgewendet haben, weil sie enttäuscht sind, weil sie wütend sind, weil sie traurig sind, die aber nicht verloren sind, die man zurückgewinnen kann. Und dann haben wir vielleicht 60 %, die noch so auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen und da auch mitmachen. Von denen sind ungefähr 20 % wirklich aktiv und die anderen eher Mitläufer. Und was mir wichtig ist in dem Zusammenhang, ist der Umstand, dass wir einen nicht unerheblichen Teil, der nämlich so ein knappes Drittel unserer Bevölkerung ist, nicht eindeutig dem rechtsradikalen Lager zuzurechnen, hat sich aber abgewendet von den etablierten Parteien und von dem etablierten demokratischen System. Vielleicht nur noch von denen da oben und die machen, was sie wollen, und die haben nicht mehr unser Vertrauen. Und sie fühlen sich da nicht mehr repräsentiert. Und an die müssen wir uns wenden und an die müssen wir rankommen. Und das ist unglaublich schwierig, weil die schon gar nicht mit einem sprechen wollen. Also wenn ein Bundespolitiker aus Berlin sich an diese Gruppe wenden möchte, dann hat er einfach ein Problem. Er weiß gar nicht, wie das organisieren soll. Also man muss sehr viele andere Wege finden, um solche Leute wieder zu aktivieren. Und das ist unsere Aufgabe, darüber nachzudenken. Und das fängt mit ganz kleinen Dingen an von unserem Verein zum Beispiel haben wir dann so erzählt, Kaffees organisiert, ob man hin setzt, sich an einen Tisch und erzählt, was einem so passiert ist. Es gibt da Kaffee und Kuchen. Das wird bezahlt und es gibt eine Person am Tisch, die wir so vielleicht Mediator nennen würden, der so ein bisschen schaut, dass Fragen gestellt werden und wenn es irgendwie das es ewig weitergeht an diesem Tisch. Aber sonst passiert da nichts Aufregendes. Es ist nur für viele dann eine Form, wieder irgendwie sich zu beteiligen, in der Gemeinschaft zu sein, seine Geschichte einzubringen, gehört zu werden. Und so fängt wieder das an, was wir eine bürgerliche Gesellschaft nennen. Also wir müssen uns ja für unseren Staat einsetzen, wir müssen uns kümmern. Wir können nicht einfach uns da hinstellen und sagen Jetzt macht mal, sondern wir müssen uns selbst engagieren. Da ist der Kern unseres Problems, dass wir diese Leute aktivieren. Und diese Frage ist verbunden mit einem zweiten Kern. Das sieht man auch hier in den USA. Da bin ich überzeugt davon, dass wir unseren Staat wieder funktionsfähig machen müssen. Der muss insgesamt besser funktionieren. Das muss für den Bürger, für die Bürgerin sichtbar sein.
00:32:38: Christoph Schwennicke: Meinen Sie in die Infrastruktur oder was haben Sie da insbesondere im Blick?
00:32:42: Andreas Voßkuhle: Genehmigungsverfahren, die Dauer von Gerichtsverfahren, die Infrastruktur, denken Sie an Bahn, Autobahnbrücken, Schulen, Universitäten usw. Also wir haben es in ganz vielen Bereichen Abstimmungsschwierigkeiten. Wenn Sie jetzt also etwa eine Entscheidung von der Ausländerbehörde haben wollen, dann warten Sie in den meisten Gemeinden darauf, zwei bis zweieinhalb Jahren. Dann gibt es Bereiche, die sind chronisch unterbesetzt mit Personal und haben auch zu wenig Geld. Da gibt es ein bisschen was geändert im Zuge der Pandemie, was etwa die Pflegesituation angeht. Die ist aber immer noch bescheiden. Deshalb werden jetzt eben auch verschiedene Krankenhäuser geschlossen. Das ist nicht einfach, aber wir müssen jedenfalls was tun. Und es hat nicht nur was mit Einzelproblemen zu tun, sondern da ist. Wir brauchen eine Strukturreform des Staates, und wir brauchen eine Aufbruchsstimmung, dass man die Dinge wieder in die Hand nimmt und besser macht. Wir haben auch im Bereich der Digitalisierung sehr viel nachzuholen. Die berühmten Faxgeräte in der Pandemie will ich hier nur noch mal in Erinnerung rufen. Das kann nicht der Standard sein, wenn ich hier einen Parkplatz in New York haben möchte. Ich möchte, weil ich kein Auto habe, aber fällt mir auf, das kann nicht mit der eben mit einer App machen und organisieren. Das gibt es in einigen Kommunen. Aber das ist doch nicht der Standard in Deutschland. Das sind alles so Dinge, wo wir sehen, das funktioniert noch nicht so, wie wir das uns vorstellen.
00:34:21: Christoph Schwennicke: Da haben Sie jetzt der nicht gerade geschmeidig agierenden Ampelkoalition aber einen ganz schönen Rucksack noch gepackt für das letzte Regierungsjahr mit dem, was Sie da gerade aufgezählt haben. Aber ich möchte gerne Ich ich kratze jetzt meinen ganzen Mut zusammen als Journalist und fliege diese Frage auch extra hoch ein, weil es eine persönliche Frage sein wird. Am Ende waren Sie zehn Jahre lang tätig im Dienste unserer gewaltenteiligen Demokratie als Präsident des Bundesverfassungsgerichts und sind darüber hinaus schon zweimal dafür in Frage gekommen, dieser gewaltenteiligen Demokratie an anderer Stelle zu dienen, an oberster Stelle formal gesehen, als Bundespräsident. Wie würden Sie denn heute auf einen Anruf reagieren, wenn Sie noch mal gefragt würden? Der Amtsinhaber ist jetzt im Herbst seiner Amtszeit, 2027 muss es einen neuen Bundespräsidenten geben.
00:35:17: Andreas Voßkuhle: Solche Entscheidung muss man dann treffen, wenn sie an einen herangetragen werden. So war das damals auch. Ich bin tatsächlich gefragt worden im Nachgang des Ausscheidens von Herrn Wulffs aus dem Amt, dann als Nachfolger von Herrn Gauck. Und die Mehrheiten waren auch jeweils sicher. Insofern konnte ich mich da frei entscheiden und habe aus einem ganzen Bündel von Gründen, das dann nicht gemacht. Wie das sein würde, wenn ich wieder gefragt werde, das weiß ich nicht, halte aber für sehr unwahrscheinlich, dass man mich noch ein drittes Mal fragt. Insofern werde ich mich auch mit dieser schwierigen Frage jetzt nicht beschäftigen müssen.
00:35:55: Christoph Schwennicke: Na, wir schauen mal, Herr Voßkuhle, wir schauen.
00:35:58: Lisa Raphael: Ich denke nicht, dass es so unwahrscheinlich ist, aber wir müssen jetzt zum Ende kommen dieses wunderbaren Gesprächs. Ich bedanke mich ganz doll bei Ihnen, dass Sie Zeit hatten, heute für uns und auch danke an Dich, Christoph, für die Unterstützung hier. Und wenn Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, diese Diskussion gefallen hat, dann abonnieren Sie doch unseren Tagesanbruch Podcast. Den gibt es überall, wo es Podcasts gibt, zum Beispiel bei Spotify oder Apple Podcasts. Dort können Sie uns auch gerne eine Bewertung hinterlassen. Wenn Sie noch eine Anmerkung, Frage oder Kritik haben, dann schicken Sie uns doch gerne eine E-Mail oder auch Sprachnachricht an podcasts@t-online.de. Und damit bedanke ich mich bei Ihnen fürs Zuhören und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Ciao!
00:36:37: Andreas Voßkuhle: Ein schönes, erholsames und anregendes Wochenende wünsche ich allen, die zugehört haben.
00:36:44: Christoph Schwennicke: Und von mir ein herzliches Dankeschön fürs Zuhören und. Bleiben Sie demokratisch.