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Gustav Gressel: Waffenlieferungen sind die Voraussetzungen für Verhandlungen. Es geht nicht so sehr um Territorien. Im Sinne von Territorium ist absolutes Gut.
Lisa Raphael: Hallo zu einer neuen Folge von Tagesanbruch die Diskussion dem wöchentlichen Podcast von T Online, diesmal für das Wochenende vom 14. September 2024. Ich bin Lisa Raphael und führe durch das Gespräch, bei dem wir heute auf die aktuelle außen und sicherheitspolitische Weltlage schauen wollen. Zum einen auf die Ukraine. Die USA arbeitet dort aktuell laut US Präsident Biden an der Freigabe von Langstreckenwaffen. Könnte das eine rote Linie für Russland überschreiten? Andererseits sind die USA durch den Präsidentschaftswahlkampf so mit sich selbst beschäftigt. Hilft das Putin, um weitere Gewinne zu erzielen? Und für die Diskussion begrüße ich den Politikwissenschaftler Gustav Gressel, der am Think Tank European Council on Foreign Relations zu Verteidigungspolitik forscht. Hallo Herr Gresse, und danke, dass Sie sich heute die Zeit nehmen.
Gustav Gressel: Hallo vielen, herzlichen Dank.
Lisa Raphael: Und zum anderen t-online Chefredakteur Florian Harms.
Florian Harms: Hallo, ich freue mich auf die Diskussion.
Lisa Raphael: In dieser Woche, in der gefühlt Themen wie Migration, der Ampel, Streit mit der Union und das TV Duell in den USA mehr Aufmerksamkeit bekommen haben. Rückt der Ukrainekrieg so ein bisschen in den Hintergrund, habe ich das Gefühl. Könnte das denn für Wladimir Putin von Vorteil sein, Wenn die USA zum Beispiel aufgrund der anstehenden Präsidentschaftswahl zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind?
Gustav Gressel: Ja, zurzeit zurzeit noch nicht, weil wir ja bestehende Hilfen haben oder bestehende amerikanische Militärhilfen haben, die zurzeit gerade umgesetzt werden und durchgeplant werden und die wahrscheinlich noch bis in den Februar nächsten Jahres reichen werden. Das Problem ist halt, man muss sich dann Gedanken machen, wohin soll die Reise gehen, Wie kann man langfristig, wo muss der Krieg langfristig enden? Wo soll der Krieg langfristig enden? Welche Mittel sind dazu erforderlich? Und da hat man sich in der Vergangenheit schon zu wenig Gedanken darüber gemacht, hat nur immer kurzfristig gehandelt, immer geschaut, was sozusagen gerade politisch machbar ist und das dann halt so ungefähr setzt und der nach zweieinhalb Jahren sieht man, dass die Probleme dadurch nicht unbedingt wirklich bewältigt worden sind. Und mal schauen, was dann natürlich beim amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf rauskommt. Aber es wird sich die neue Administration dann natürlich schnell an eine Umsetzung einer längerfristig durchgeplanten Strategie machen müssen, sonst schaut es nicht gut aus.
Florian Harms: Meine Einschätzung im Hinblick auf die deutsche Politik ist ähnlich. Lisa Da schaut man jetzt genau hin, was in Amerika passiert. Bundeskanzler Scholz hat ja seine Ukraine Politik immer engstens mit der von Joe Biden verzahnt. Und wenn jetzt ein neuer Präsident kommt, dann muss man sich neu darauf einstellen, ob das jetzt Trump oder Harris is. Und insofern habe ich auch den Eindruck, ähnlich wie das, was Sie sagen, Herr Gräßle, dass man sich eher kurzfristig orientiert, dass man abwartet und dass man bisher jedenfalls keinen echten langfristigen Plan hat, wie die Unterstützung der Ukraine weitergehen soll. Und wenn man dann ukrainische Stimmen hört, dann bekommt man häufig gesagt Na ja, die gibt uns immer gerade so viel, dass wir nicht sterben. Aber ihr gebt uns auch nicht so viel, dass wir die Möglichkeit haben, diesen Krieg selbst zu beenden.
Lisa Raphael: Wenn Sie aggressiv oder wenn Sie beide das gerade ansprechen mit dem neuen Präsidenten, es könnte ja eine Präsidentin sein mit können. Harris Natürlich. Ist denn Deutschland darauf vorbereitet oder wie könnte sich Deutschland denn aktuell darauf besser vorbereiten?
Gustav Gressel: Ja, Deutschland ist darauf komplett unvorbereitet und hätte mit der Vorbereitung schon viel früher anfangen müssen. Wir haben das Problem, dass wir jetzt im Grunde mit dem leben müssen, was da bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl rauskommt. Da gibt es nicht viel, was man daran ändern könnte. Das Problem ist, wenn wir also wenn wir die europäische Hilfe für die Ukraine anschauen, dann gibt es zwei unter Anführungszeichen Pötte oder Maßnahmen, die man setzen kann. Das eine ist, das ist langfristig durchhaltefähiger, die Ukraine aus Neuproduktion zu versorgen, sowohl von Munition und die gute Artillerie. Munitionsdebatte kennen wir ja schon alle aus den Medien. Zur anderen Seite natürlich auch mit anderem Gerät, also gepanzerten Fahrzeugen, Kampfflugzeugen, Fliegerabwehrmittel etc.. Und das zweite ist, sie aus Beständen zu versorgen, die man als Reservebeständen, die man noch übrig hat aus den Beständen der eigenen Armee. Und das ist natürlich viel kurzfristiger machbar als aus den eigenen Beständen bzw aus den Depots kann ich relativ schnell entscheiden. Jetzt muss ich noch was drauflegen, jetzt muss ich für eine gewisse Operation, für eine Offensive noch was bereitstellen etc. Bei der Produktion brauche ich so im Schnitt zwei Jahre, bis ich gesteigerte Maßnahmen oder geplante Maßnahmen wirklich umsetzen kann. Ist natürlich dafür durchhaltefähig. Aber was ich aus der Produktion bekomme, kann ich immer wieder ergänzen, neu machen und weiterführen, während die Depots schwinden. Jetzt stehen die Europäer vor dem Problem, dass sie ihre Verteidigungsindustrie bis auf wenige Ausnahmen nicht hochgefahren haben. Das heißt, wir haben keine Produktionskapazitäten, die über die Friedenskapazität für die eigenen Streitkräfte hinausgeht. Auf der anderen Seite haben wir unsere Depots, sei das jetzt ex sowjetisches Gerät oder ex westliches Gerät aus dem Kalten Krieg, im Grunde erschöpft. Das heißt, wir kommen im nächsten Jahr in die Situation, wo wir wieder kurzfristig noch langfristig irgendetwas anderes machen können, als die Amerikaner ein bisschen zu ergänzen. Und ohne die amerikanische Hilfe geht die Ukraine unter. Das heißt, das Problem hier ich würde sagen, wir sind mittlerweile als gesamtes Europa, so böse das klingen magister, in der selben Situation wie die Balten. Wir können zwar laut schreien und hoffen oder ihn in Washington aufschlagen mit politischen deManns und hoffen, dass es gehört wird und hoffen, dass die Staaten, die in der Lage sind, das Richtige zu tun, dann auch das Richtige. In unserem Sinne machen werden, aber haben selber nicht mehr die Mittel und die Kräfte, das eigentlich zu erreichen. Das ist natürlich bitter, aber das ist jetzt leider Realität.
Florian Harms: Ich habe mal eine Zahl mitgebracht, die das sehr drastisch ausdrückt, weil wir ja auch hier in Deutschland die ganze Zeit darüber diskutieren, wie viel Geld man aus dem Haushalt noch für die Bundeswehr bereitstellen kann oder für die Waffenproduktion bereitstellen kann. Würde die Bundeswehr und die deutschnatoe Militärausrüstung in dem Maße weiterentwickelt, wie wir das gegenwärtig tun, dann würde es noch 100 Jahre dauern, um den Bestand von 2004 zu erreichen. Das ist gegenwärtig der Modus, und das zeigt einfach, dass diese ganzen aufgeregten Debatten natürlich zum Teil auf tönernen Füßen stehen. Man kann ja vieles fordern, den lieben langen Tag lang, aber wenn man es eben nicht entsprechend umsetzt, dann passiert eben auch wenig.
Lisa Raphael: Kommen wir mal noch mal zu der Aussage von US Präsident Joe Biden, dass jetzt an der Freigabe der gelieferten Langstreckenwaffen gearbeitet wird, damit die Ukraine diese auch für Angriffe auf russisches Gebiet nutzen kann. Ist denn das jetzt ein Hoffnungsschimmer, um die Ukraine besser zu unterstützen oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Gustav Gressel: Na ja, es macht aus ukrainischer Sicht einiges leichter, aber es ist jetzt nicht sozusagen die die Wunderlösung, mit der natürlich der Krieg zu Ende geht. Es gibt auf der russischen Seite viele lohnende Ziele. Es gibt auch viele Installationen, die den Russen helfen, den Krieg zu führen, die sozusagen in Reichweite von aus Amerika gelieferten Präzisionswaffen ist. Aber das Problem ist natürlich Die Russen stellen sich schon, nachdem die politische Debatte ja schon einige Monate dauert, schon langsam darauf ein. Verlegen eben. Logistische Infrastruktur, Flugzeuge weg, aus oder soweit es ihnen möglich ist, weg aus den grenznahen Regionen. Und eine andere Sache, die natürlich aus Washington immer wieder gesagt wird für die gesamte Wunschliste an Zielen, die die Ukraine aufbringen. Jenseits der Grenze gibt es auch zu wenig Munition. Also selbst wenn man Attacken machen und andere freigeben würde, hätte man das Problem, dass es eben mehr lohnende Ziele ist als als mögliche Raketen. Nichtsdestotrotz es würde eine Freigabe für Ziele jenseits der Grenze die russische Operationsführung schon verkomplizieren. Es würde den Nachschub verkomplizieren. Man muss eben dann mit größeren Munitions und Treibstoffdepots weiter weggehen von der Front. Man muss Führungsinfrastruktur, also Hauptquartiere etc. weiter weg verlegen, muss hochwertige Waffensysteme weiter weg verlegen. Es würde den Ukrainern helfen, vor allen Dingen zum Beispiel russische Fliegerabwehrsysteme zu dezimieren, die ja mit einer Reichweite von über 200 Kilometer in den ukrainischen Luftraum hinein wirken und dort zum Beispiel ein Problem für ukrainische Jagdflugzeuge darstellen. Also es würde schon vieles erleichtern, aber es ist nicht so, dass sozusagen mit der Unterschrift des amerikanischen Präsidenten und eine Freigabe jetzt der Krieg in eine komplett andere Richtung läuft.
Florian Harms: Ich glaube, abseits der militärischen Dimension wäre es ein starkes moralisches Signal für die Ukrainer. Denn was wir gegenwärtig erleben, sind jede Woche als Terrorangriff empfundene Attacken der Russen. Insbesondere auf Großstädte haben wir ja mehrere verheerende Angriffe jetzt gesehen. Nur mal als Beispiel Der Angriff auf im Westen der Ukraine lief war seit einem Jahr etwa nicht mehr angegriffen worden. Und das läuft dann so ab, dass eben, wenn die Ukrainer durch ihre Flugaufklärung feststellen, dass so eine MiG der Russen aufsteigt, dann wird Flug Alarm ausgelöst und dann ist quasi die ganze Stadt über mehrere Stunden lang wie in einem gebannten Zustand, weil man eben weiß, an dieser MiGs und Kinschal Raketen und die können bestimmte Ziele treffen. Und wenn man dann da eben dagegenstellen kann, So jetzt können wir auch anfangen zu versuchen, zumindest solche Ziele, wo eben die MiGs stationiert sind, zu treffen. Dann könnte ich mir schon vorstellen, dass das auch die Moral der Verteidiger stärken kann.
Lisa Raphael: Andererseits sehen wir natürlich auch, dass dieses Wort Verteidigung der Ukrainer immer mehr ausgereizt wird. Diese Woche gab es wieder Drohnen, nicht Angriffe, aber Drohnen sind in die Nähe des Moskauer Flughafens gekommen. Und das ist natürlich auch so eine rote Linie für Putin. Denken Sie, Herr Gressel, nicht, dass das so das Eskalationspotenzial jetzt noch mal steigern wird?
Gustav Gressel: Nein, das glaube ich nicht. Also die die russischen Angriffe gegen die Ukraine, die richten sich ja vor allen Dingen nach der Produktionskapazität der eigenen Munition, also der russischen Munition. In dem Fall und mit zunehmender Produktionssteigerung nehmen die auch zu. Das hat jetzt nicht mit dem mit Eskalation zu tun, sondern das sind die Rahmen der Möglichkeiten, die die Russen im Luftkrieg haben. Die Ukrainer greifen öfters in Richtung politische Ziele mit Drohnen an, also bei den Ukrainern die eigentlichen Angriffe, oder? Eigentlich gelten diese Angriffe in erster Linie der Treibstoffversorgung der Russen, weil er nicht nur Treibstoff im Krieg wichtig ist, sondern weil Treibstoffpreise der wichtigste Faktor beim Hochtreiben der Inflation ist. Und das zerstört die. Die russische Rekrutierungsbasis, die in erster Linie auf Geld basiert. Das zweite ist, dass die Rüstungsindustrie angegriffen wird. Und dazwischen streuen die Ukraine Angriffe gegen Gegen ziele der politischen Elite oder der sehr hochwertigen Ziele an Drohnenangriff Richtung eines Moskauer Villenviertels gestartet, wo der russische Verteidigungsminister und andere Dignitäten ihre Villen haben. Das hat dazu geführt, dass Kurzstrecken Fliegerabwehrsysteme in diesem Bereich auf auf Podesten installiert werden und um Moskau zusammengezogen werden. Ähnliches sieht man bei Putins Datscha in Sotschi, die mittlerweile extrem stark geschützt ist. Und das machen die Ukrainer damit. Genau das passiert damit bei den russischen Fliegerabwehrkapazitäten, die auch beschränkt sind und die natürlich nicht alle Ziele schützen soll, die Priorität immer stärker Richtung Einrichtungen der politischen Führung geht, weil man dann wieder freies Feld hat in Richtung Raffinerien, Rüstungsbetriebe, Transportinfrastruktur, die man eigentlich treffen will. Und diese knappen Vorbeiflüge an den Flughäfen dürften auch diesem Ziel dienen.
Lisa Raphael: Florian Kannst du denn trotzdem solche Sorgen verstehen, wenn man sagt, das geht jetzt ein bisschen zu weit? Also dass die Ukrainer ihre Verteidigungsfähigkeit damit ein bisschen überreizen, jetzt auch in Hinblick auf natürlich Frieden, den sich alle wünschen. Und langsam mal endlich das Ende des Krieges.
Florian Harms: Ja, ich kann immer jede Sorge verstehen. Ich glaube nur, dass das eigentlich verquer ist, denn wir reden ja hier nicht darüber, dass die Ukrainer die Aggressoren sind, sondern der Aggressor ist ganz klar Russland. Die Ukrainer verteidigen sich. Und wenn man sieht, was dort jeden Tag passiert, wie eben Ukrainer sterben, wie Familien zerrüttet werden, wie die ganze Infrastruktur und insbesondere auch die Energieversorgung systematisch zerstört wird von den Russen mit dem Ziel, die Ukrainer im Winter frieren zu lassen. Dann muss man doch klar sagen dagegen muss man sich zur Wehr setzen Und dann ist es auch nur legitim, in so einem Krieg, den man aufgezwungen bekommen hat, den Gegner zu schädigen, auch auf seinem Gebiet. Und die viel beschworenen roten Linien von Putin. Ich weiß gar nicht, wo das herkommt, denn ich kann die so nicht erkennen und die hat er so klar ja auch gar nicht benannt. Das ist vieles, was so hier eher in unseren Diskussionen aufkommt, weil man eben weiß, Russland ist eine Atommacht und das ist gefährlich und deshalb muss man auch zurecht umsichtig sein. Darüber haben wir hoch und runter berichtet auf der Online in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Aber wenn man sieht, wie Russland immer weiter sich auf diesen Krieg einstellt, die ganze Wirtschaft umbaut auf eine Kriegswirtschaft, dann muss man sich, wenn man die Ukraine unterstützen möchte und das möchte man eben als freier Westen auch darauf einstellen und muss dann auch die eigenen Verteidigungsstrukturen weiterentwickeln.
Lisa Raphael: Aber trotzdem hat jetzt Putin zum Beispiel auch angekündigt, wenn es zum Einsatz dieser Langstreckenraketen von den USA kommt, dann gibt es weitere Reaktionen. Also müssen wir da keine Angst haben, wenn er so was droht?
Gustav Gressel: Er sagt ja auch nicht mit was er reagiert, weil das ja auch sein Problem ist. Es gibt jetzt zumindest konventionell nicht mehr viel Luft nach oben, was Russland noch und top tun würde. Und dann verkauft man eben später Dinge, die man ohnehin tun. Setze also die, die die Angriffskampagne gegen ukrainische Strominfrastruktur, die läuft ja schon zwei Jahre, die läuft seit Oktober 2022 verkaufen dann natürlich als Reaktion auf den Punkt. Aber wenn man sich anschaut, wie lang der Planungszyklus für solche Angriffe ist die Russen müssen ja schauen, wie läuft die ukrainische Stromversorgung derzeit? Wo sind die wichtigen Knotenpunkte, welches Kraftwerk produziert noch welche Umspannwerke sind in der gegenwärtigen Situation zentral? Und dann setzt man die Angriffe. Das hat immer eine Planungsphase, eine Vorausphase, die meistens länger ist als die übliche, so bei uns in der Diskussion attribuierten. Ja, das war jetzt Vergeltung, Aufschlag XY, da sind solche solche Drohungen halt meist leer. Das Problem ist, Russland führt schon Krieg als wirklich totalen Krieg und setzt alle möglichen Hebel in Bewegung. Blutet die eigene Wirtschaft, die eigene, die eigene Jugend bei einer nicht so satten demografischen Basis komplett aus? Um die Kriegsziele in der Ukraine zu verwirklichen, nimmt in Kauf, dass die Ukraine im Handstreich ein bisschen russisches Gebiet auch noch wegschnappen. Aber Hauptsache der Vektor auf rovsk stimmt. Also da, da gibt es nicht mehr die Möglichkeiten groß zu eskalieren. Und insbesondere das Lustige ist, dass man dann immer eine Diskussion erlebt Ja, aber dann greift er doch Deutschland an, oder dann greift er die NATO an? Mit subversiven Methoden, mit Propaganda natürlich. Aber das läuft an und für sich auch schon die ganze Zeit. Aber wenn man sich anschaut, wie die Mittel denn eigentlich wären, um einen Krieg gegen die NATO wirklich zu Ende zu führen, dann ist natürlich eine Armee, die in der Ukraine gebunden ist und dort es schwer schafft, die Initiative aufrechtzuerhalten, die ist nicht in der Lage, noch weitere Fronten aufzumachen und Finnland dafür zu strafen, dass sie der NATO beigetreten sind oder Deutschland dafür zu strafen, wenn sie den einen oder anderen Panzer liefern. Also dass da glaube ich, spukt in vielen Köpfen einfach so ein Bild von Russland als der gigantische, unbesiegbare Bär, der alles gleichzeitig kann herum, der nicht der Realität entspricht. Und natürlich muss Putin in all dem, was er tut, Prioritäten setzen. Und das tut er auch sehr klar. Und seine Mittel dort einsetzen, wo sie am ehesten für ihn zum Erfolg bringen kann und kann sich nicht leisten, jeden Nebenkriegsschauplatz aufzumachen und überall groß zu eskalieren. Das geht in der Situation nicht.
Florian Harms: Das möchte ich unterstützen, denn das oberste Ziel für so ein Regime wie von Putin ist ja der Selbsterhalt. Dem dient alles andere, möglicherweise auch der Angriff auf die Ukraine, weil man eben gesehen hat, da macht sich die Demokratie breit und man fürchtete, dass das übergreifen könne auf Russland. Wenn das oberste Ziel der eigene Machterhalt ist, dann kann man keinen Krieg mit der NATO führen, weil man kann den nicht gewinnen. Das geht schlicht nicht. Was man tun kann. Und Herr Kassel hat gerade gesagt, man kann subversiv versuchen, durch Propaganda, durch Einflussnahme auf Rechtspopulisten in Europa und auch durch Sabotage. Wir haben es ja in den vergangenen Wochen an vielen Stellen gesehen, solche westlichen Demokratien zumindest ein bisschen zu schwächen. Und das machen die Russen. Und da kann man sich überlegen, was wir noch dagegen tun können.
Lisa Raphael: Hm. Kommen wir noch mal zurück zu der Friedensfrage. Darauf bezogen betonte der Kanzler beim ZDF Sommerinterview, dass es bald eine Friedenskonferenz mit Russland geben soll.
Ton Bundeskanzler Olaf Scholz (ZDF): Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituationen doch zügiger zu einem Frieden kommen, als das gegenwärtig den Eindruck macht. Das heißt, es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben, und der Präsident und ich sind einig, dass es auch eine sein muss mit Russland dabei.
Lisa Raphael: Genau das sagte Scholz im ZDF. Und dann gibt es noch weitere Gerüchte, und zwar, dass er wohl schon an einem Friedensplan arbeite. Das ukrainische Internetportal fünf hat eine Meldung von der italienischen Zeitung La Repubblica zitiert, die sich auf Quellen im Bundestag beruft, dass der Kanzler mit seinen Parteifreunden an einer Art Minsker Abkommen arbeite, das den Frieden sichern soll, nachdem die Ukraine einen Teil ihres Territoriums an Russland abtreten würde. Es wird auch geschrieben, dass Scholz wohl als Friedenskanzler in die Geschichte eingehen wollen. Er selbst hat sich natürlich der Zeitung noch nicht offiziell geäußert. Wie glaubwürdig ist denn das? Und jetzt auch? Ist das überhaupt zum jetzigen Zeitpunkt realistisch, dass Putin und Selenski sich an einen Tisch setzen?
Gustav Gressel: Also ich muss das sagen, ich würde da größte Vorsicht walten lassen. Ich bin jetzt nicht unbedingt der größte Fan des Kanzlers, aber ich glaube, auch er weiß um die beschränkten Mittel, die die schwierige Situation, um Verhandlungen und gerade wenn es darum geht, sozusagen die Ukraine in Gebietsabtretungen zu drängen. Solche Geschichten werden, glaube ich, auch bewusst von gewissen Kreisen gestreut, um Deutschland in Osteuropa und in der Ukraine zu diskreditieren. Und es gibt es enorm viele solche Geschichten, die alle auf anonymen Quellen basieren und anonym hier und anonym da und man kann es nicht nachvollziehen. Deshalb bitte ich da einfach um Vorsicht und sag dazu mal eher weniger. Ist natürlich auch ein bisschen problematisch, dass der Kanzler nicht gerade erklärungsfreudig ist manchmal und die deutsche Politik auch nicht wirklich klar liegt. Deshalb ist es natürlich ein einfaches, ihm Dinge zu unterstellen, die er wahrscheinlich so gar nicht sagt und meint. Aber ich bin auch nicht der Kommunikationsstrategie des Kanzleramts, also belasse ich es auch damit. Die Geschichte ist natürlich die Natürlich gibt es Sondierungen, wie Gespräche verlaufen könnten, und die Idee einer zweiten Friedenskonferenz unter russischer Beteiligung ist jetzt weder neu noch deutsch. Die kam nämlich eigentlich aus der Ukraine und Lenski hat die schon offiziell auch so verkündet. Der ehemalige Außenminister Kleber hat dies auch so bestätigt. Also da ist jetzt kein großes Verschwörung oder Geheimnis dran. Die Frage ist natürlich ist Russland wirklich bereit, in der Substanz zu verhandeln? Und da gab es in der Vergangenheit immer sozusagen das zweischneidiges Schwert. Russland sagt Ja, natürlich verhandeln wir aber nur unter den Vorbedingungen, Die Vorbedingungen im Grunde nehmen eine von der Ukraine abverlangte Kapitulationsbedingungen vorweg. Und da hat der Kanzler mal die wenigen Dinge, die er sagt, über seine Kriegsstrategie wissen Die Ukraine nicht in einen Diktatfrieden zu zwingen. Also dass man zu diesen Bedingungen jetzt nicht darauf einsteigt, Die Frage natürlich hier aus westlicher Sicht ist Wo liegen die Druckmittel, um Putin in eine Verhandlungssituation zu zwingen, die eben offene ist, ergebnisoffen ist und nicht den Diktatfrieden vorwegnimmt. Da gibt es vielerlei Möglichkeiten, die man andenken könnte. Meiner Ansicht nach ist die ukrainische Offensive genau. So ein Versuch, ein politisches Faustpfand zu generieren. Ich habe nur böse gesagt, ein bisschen Bedenken. Solange Putin sich als militärischer Sieger in diesem Konflikt wähnt und auch zu hohen Kosten meint, er gewinnt langfristig den Krieg, wird man an seiner Verhandlungsfreude nicht oder Unfreude nicht viel ändern. Den Moment, wo er sieht, das ist alles andere als eine nette Sache. Kann sich das ändern? Ich denke aber, dass vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl, bevor nicht genau weiß, erstens, wer Präsident wird und zweitens, wie die Machtverhältnisse dann in Repräsentantenhaus und Senat ausschauen, wird er so eine Entscheidung nicht treffen. Ganz einfach, weil er sich denkt Warum soll ich jetzt in einem Waffenstillstand mehr aus der Hand geben, als ich später militärisch gewinnen kann? Und in dem Sinn ist sozusagen auch diese diese, diese Diskussion bei uns soll verhandelt werden oder Waffenlieferungen. Waffenlieferungen sind die Voraussetzungen für Verhandlungen, weil nur die die Ungewinnbarkeit des Krieges aus russischer Sicht und die nicht Verwirklichbarkeit der politischen Ziele durch militärische Gewalt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Moskau zu substanziellen Verhandlungen bereit ist. Und wie gesagt, da werden wir erst in der Zukunft reinkommen. Ich glaube, der ukrainische Vorstoß sowohl auf Kurs militärisch als auch politisch mit der Friedenskonferenz dienen dazu, das Heft des Handelns in die eigene Hand zu nehmen, es nicht einem möglichen Präsidenten Trump zu überlassen, vor welchen Hintergrund ein möglicher Friede diskutiert wird. Und hier die Diskussion, die man sieht, dass sie sich schon im Westen zusammenbraut, etwas aktiver zu gestalten. Aber ich würde davor warnen, euphorisch zu sein, dass ein Friede quasi um die Haustür und um die Hausecke liegt. Das ist noch ein ziemlich schwieriger Prozess.
Florian Harms: Herr Gressel ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Menschen, die jetzt gegenwärtig Sahra Wagenknecht zuneigen, das hören, was sie gerade gesagt haben. Eigentlich muss man das ausdrucken und per Post in alle Haushalte verschicken, denn so rational muss man da draufschauen, wie sie das gerade getan haben. Die Debatte hierzulande wird sehr aufgeregt geführt, sie wird verkürzt geführt und sie wird auch wirklich verquer geführt. Frau Wagenknecht und auch andere suggerieren ja, wenn man nur wolle, dann könne man jetzt in Friedensverhandlungen einsteigen. Das ist nicht so genau so, wie Sie es gerade geschildert haben, sind eben die Hintergründe. Und Putin hat jetzt auch mehrfach, auch in den vergangenen Tagen wieder signalisiert, er sieht jetzt keinen Anlass zu verhandeln. Er hat es Lawrow sagen lassen, seinen Außenminister. Er wartet auf den Ausgang der US Wahl. Es läuft trotz großer Verluste für ihn in der Ukraine für sein Regime nicht allzu schlecht und er wird das erst mal so weiterführen. Und das zu verändern kann abseits der Wahlen in den USA eben nur gelingen, wenn die Ukraine einigermaßen standhaft und stark bleibt. Deshalb müssen wir sie massiv weiter unterstützen.
Lisa Raphael: Aber irgendwie spielt Putin ja auch so mit dem Westen und lässt ihn so ein bisschen zappeln.
Florian Harms: Ja, er macht uns Angst, weil Russland Atommacht ist und weil sich sein Mafiaregime mit seinen Methoden perfekt darauf versteht, andere Staaten, Bürger anderer Staaten zu verunsichern. Das machen die wirklich so meisterhaft wie kein anderes Land.
Gustav Gressel: Absolut. Und es ist ja, es ist natürlich hier ein Unterschied zwischen Demokratien, wo erstens mal in einem Bündnis von verschiedenen Demokratien quasi permanenter Wahlkampf ist, weil irgendwo ist immer irgendeine Wahl. Und das zweite ist, wir sind natürlich viel Risikoaverse als Russland. Wir beurteilen Werte wie das menschliche Leben anders, als das in Russland der Fall ist. Das ist ja schön so, das ist auch der Grund, warum es uns hier so gut geht. Aber das ist natürlich dann in diesem Krieg auch ein Problem, weil die Leute, weil die Leute dann auch schnell die die Alternativen außer Augen lassen. Also es wird oft in dieser Friedensdebatte gesagt, ja, eine Fortsetzung des Krieges ist per se schlechter als selbst ein ungünstiger Waffenstillstand. Das Problem ist hier hatte die Ukraine schon Erfahrungen mit ungünstigen Waffenstillstände. Es gab Minsk eins, es gab Minsk zwei, gerade Minsk zwei im Grunde vor der Situation eines sich anbahnenden militärischen Katastrophe in Debalzewe damals. Und die brachten auch nicht den Frieden, den man sich erhofft hatte. Die brachten nicht die Verhandlungen um die Rückgabe der besetzten Gebiete, um die Wiedererlangung der Grenze. Jeder, der in den Minsker Verhandlungen und dem ganzen Prozess, den es losgeht hat, dabei war, weiß, wie stark die Russen da auf Verzögerung gespielt haben, immer wieder mit neuen Argumenten gekommen sind, das Protokoll auszuhebeln und zur gleichen Zeit am Boden Fakten geschaffen haben durch die Installation von Besatzungsregime, durch Bevölkerungsaustausch etc.. Das zweite ist die Ukraine steht jetzt vor dem Problem oder die Ukraine kämpft dafür, dass sie diesen Krieg jetzt nicht noch mal wiederholen will. Das ist, glaube ich, auch in der Perzeption vieler. Heute ein bisschen untergegangen. Es geht nicht so sehr um Territorien im Sinne von Territorium ist absolutes Gut, sondern um die Frage Das ist unser Unabhängigkeitskrieg. Müssen, müssen unsere Kinder diesen Unabhängigkeitskrieg jetzt nochmal durchfechten oder machen wir es jetzt ein für alle Mal? Und das kann sozusagen diese. Diese Endgültigkeit kann man aus ukrainischer Sicht auf zwei Punkte erreichen Entweder man schlagt Russland militärisch und der verlorene Krieg wird zum innenpolitischen Trauma des russischen Regimes und damit vergeht der Appetit. Das Ganze nochmal machen, dann geht es wirklich um Gegenoffensive, Rückeroberung etc. Der zweite ist, wir kommen in die NATO und der westliche Schutzschirm inklusive der Präsenz von westlichen Truppen schirmt sich über den Rest der Ukraine. Und damit ist quasi auch wenn wir irgendetwas verlieren, ist Schluss mit dieser Art Krieg. Das Problem ist beide sind zurzeit aus ukrainischer Sicht außer Reichweite. NATO Beitritt hat Biden in seinem Times Magazin ausgeschlossen. Sieht er nicht, will er nicht. Auch nicht nach einem Krieg und auch nicht auf absehbare Zeit. Auf der anderen Seite Gegenoffensive Die militärische Unterstützung der Ukraine ist halt grad zu viel. Dass man defensiv die Ukraine über die Runden kriegt, das mehr schlecht als recht. Aber die Planung? Wie kann man Russland weiter unter Druck setzen? Was müsste es jetzt nicht nur eine Bereitstellung von Material, sondern dann auch an Training, an Ausbildung machen, um die ukrainische Armee wieder flott zu kriegen? Dass sie in die Offensive, in die Initiative kommt? Wann macht man das? All das ist auch nicht beantwortet. Und das ist natürlich aus ukrainischer Sicht ein enormes Problem, das man jetzt nicht nur den Krieg an sich managen muss, sondern auch im Westen. Das Problembewusstsein für die Frage Wie kann der Krieg wirklich enden, nicht eingefroren werden, nicht nur zurückgefahren werden, sondern auch wirklich enden. Das ist, das ist ein ein Thema, dem wir uns bei allem kurzfristigen Management dieses Krieges einfach noch nicht gestellt haben. Und dazu dient natürlich dann auch diese Friedenskonferenz.
Lisa Raphael: Aber gibt es nicht noch eine dritte? Ich sage mal ein bisschen leichtere Variante, womit nicht so viel aufs Spiel gesetzt wird? Wir haben jetzt zum Beispiel auch diese Woche gesehen, dass der türkische Präsident Erdogan bei dem Gipfeltreffen der sogenannten Krim Plattform gefordert hat, dass Russland die besetzte Halbinsel Krim an die Ukraine zurückgibt. Gibt es da nicht Hoffnung, dass zum Beispiel diese Partner auf Putin einwirken, auch China eventuell auf Putin einwirkt und es dann doch zu einem Frieden kommt?
Florian Harms: Aber warum sollte er das machen? Ich verstehe so was als reine Taktik unter solchen Autokraten. Und natürlich magister Russland jetzt stärker von China abhängig sein, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Aber auf der anderen Seite versteht sich einfach Putin mit seinem Regime als unabhängig. Die machen das, was ihnen nutzt, was ihrem Regime nutzt. Und da es gegenwärtig eben diese Weiterführung des Krieges wichtiger aus deren Perspektive als jetzt immer die rosigsten Beziehungen zu Peking zu haben, das versucht man gegeneinander auszuspielen. Mal geht es ein bisschen stärker zusammen mit den Chinesen, mal mit den Indern, mal mit den Türken. Das ist ein Mafia Regime, was nur ausschließlich auf den eigenen Vorteil ausgerichtet Außenpolitik macht. Also ich hätte auch kaum Hoffnung, dass dadurch was entstehen kann. Und ich glaube, umso wichtiger ist es, dass wir uns hierzulande wirklich endlich auf diese neue Welt einstellen und auch auf diese Bedrohung, die von diesem russischen Regime ausgeht. Ob da jetzt Putin an der Spitze sitzt oder jemand anders, das ist einfach ein Regime, was erklärtermaßen aggressiv ist, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Ukraine, sondern auch im Hinblick auf andere Gebiete wie beispielsweise das Baltikum. Und wenn man dann eben sieht, wie eingangs gesagt, dass wir noch lange nicht in der Lage sind, unser Militär, unsere Abwehr, unsere Widerstandsfähigkeit, unsere Resilienz so aufzustellen, dass wir so einer Bedrohung dauerhaft standhalten können, dann haben wir hierzulande ein großes Problem.
Lisa Raphael: Herr Gressel, was sagen Sie zu Erdogans Vorstoß? Oder wäre zum Beispiel auch so eine Variante, dass die Russen wirklich im Abnutzungskrieg keine Kapazitäten mehr haben, keine Männer, keine Munition haben?
Gustav Gressel: Ja, natürlich, die russischen Ressourcen sind auch nicht unendlich. Das ist eine eine doch Möglichkeit. Wir wissen ja jetzt, dass die russische Leistungskurve langsam den Zenit überschritten hat und jetzt nach unten geht, sowohl im Personal als auch im Material. Die Frage ist natürlich, wie schnell geht sie nach unten? Wenn die ukrainische Leistungskurve auch nach unten zeigt, ist aus russischer Sicht eine Eins, sozusagen ein langsamer Verfall der eigenen Kapazitäten immer noch der Weg Richtung Sieg. Was die Türkei angeht man darf sich dann nicht verleiten lassen von Aussagen, dass es Handlungen. Die Türkei ist immer noch einer der wichtigsten Schwarzmarkt Drehscheibe für westliche sanktionierte Güter, die dann nach Russland gehen. Die allerwichtigste ist China zweifelsohne, aber vor allen Dingen unter den Natostaaten ist die Türkei eines der wichtigsten. Erdogan hat natürlich innenpolitischen Druck. Er generiert sich gerne als sozusagen der wieder Richter der Türkei als Führungsmacht. Macht als osmanische Führungsmacht oder neo osmanische Führungsmacht. Und da ist natürlich die. Die Besetzung der Krim durch Russland und die Art und Weise, wie die Russen die Krimtataren behandeln, ein enormer Dorn im Auge. Wir haben den Jahrestag der Deportierung der Krimtataren, die auch immer durch die Krimtataren selber gefeiert wird, als Trauertag vor einigen Tagen gehabt. In dem Sinne hat Erdogan natürlich dieses Statement gemacht. Nur das Problem ist, wer er in der Lage oder wer überhaupt willens, auf Russland Druck auszuüben, dass diesem Statement auch Taten folgen. Und da ist bei Erdogan natürlich auch ein klares Nein da, weil er mit Russland Syrien managt, weil er gegenüber den USA und auch gegenüber den Europäern mehr Groll und Vorbehalt hat als als gegenüber Moskau. Und weil er auch als quasi autoritärer Führer sich mit Putin in vielen praktischen Dingen des Politikvollzugs besser versteht als mit diesen seltsamen Europäern, die ihnen da immer mit Rechtsstaatlichkeit und am Schwärmen für die Opposition und ähnlichen Dingen daherkommen. Und dementsprechend ist da seine Leidensbereitschaft für die Krimtataren äußerst begrenzt. Er ist sicher gewillt, im Zuge eines Gefangenenaustausches etwa oder eines anderen Kuhhandel handels die einen oder anderen Krimtataren, der in Russland selber inhaftiert ist, zum Beispiel raus zu kaufen. Das gab es in der Vergangenheit schon. Das dürfte in Zukunft auch noch paar Mal passieren. Aber darüber hinaus? Das gleiche gilt für China. In China zieht Russland jetzt den Nutzen, dass der sozusagen Technologien Verteidigungssektor quasi zum Spottpreis zu so zu haben ist, dass man russische Unternehmen, russische Spitzenleistungen, russische Programmierer, russische Flugzeuge, Ingenieure für für chinesische Rüstungsprojekte, für chinesische Forschungsprojekte jetzt einspannen kann. Im Zuge dieser industriellen Zusammenarbeit, dass sich für China, für chinesische Investitionen die Wirtschaft, der hohe Norden erschließt und Sibirien erschließt. Und das einzige, was man nicht will, dass die Russen machen, wäre ein Einsatz von Nuklearwaffen. Nicht, weil man das aus normativen Gründen ablehnt, sondern weil vor allen Dingen Südkorea, aber auch Japan nukleare Schwellenstaaten ist und Südkorea mittlerweile auch über gute Träger mittel verfügen würde, falls man sich dort nicht sicher wäre, dass der amerikanische Schutzschirm einem vor so etwas bewahrt. Und da haben die Chinesen starke Angst, dass ein weiteres nukleares Poltern oder gar Einsatz die Südkoreaner über die Schwelle treibt. Und das ist die einzige Grenze. Einzige Bereichsgrenze, die die Chinesen den Russen auferlegt haben, die respektiert Putin. Seitdem es da Aussprachen zwischen Shi und Putin gab, ist zumindest was ihn angeht, die nukleare Rhetorik durchaus zahmer geworden. Aber ich rede jetzt nicht von Medwedew oder irgendwelchen Propagandisten im Fernsehen. Die reiten natürlich die Atomsau nach wie vor. Aber Putin selber ist da um einiges ruhiger geworden. Aber sonst hat China kein Interesse, dass Russland verliert oder gar, dass der Krieg frühzeitig endet. Im Gegenteil, Das zieht Aufmerksamkeit ab aus dem asiatisch pazifischen Raum. Das verbraucht Geld und Ressourcen im Westen. Und wenn Russland den Krieg gewinnen sollte, stärkt es auch das Narrativ, dass China im Rest der Welt verbreitet, dass der Westen nur Ärger macht und am Ende nicht zu seinen Alliierten steht und sie im Stich lasst und aufgibt. Und schaut euch Afghanistan an! Und da wäre natürlich jetzt sozusagen der Satz Und in der Ukraine war es genauso. Also habt liebe, gute Beziehungen mit uns, das bringt euch mehr. Das ist dann sozusagen der Nachsatz, der dann kommt. Dafür braucht es, sind die Russen zumindest nützlich aus chinesischer Sicht ja.
Lisa Raphael: Damit müssen wir zum Ende dieser Diskussion kommen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen, Herr Gressel. Das sind auf jeden Fall klare Worte. Ich denke, unsere Hörer und Hörerinnen können sich jetzt viel besser vorstellen, was auch jetzt aktuell in Bezug auf Friedensverhandlungen zu erwarten ist. Man wird ja, wie Du, Florian, auch angebracht hast, durch den Landtagswahlkampf immer so ein bisschen vielleicht in sehr positive Richtung, dass das mit ein paar Gesprächen mit Putin zu Ende sein kann. Aber wie du ja auch analysiert hast, es ist nicht so einfach und es hat die zwei Optionen gegeben und dazwischen gibt es leider nicht so viel. Das müssen wir eben akzeptieren. Und ja, damit noch mal vielen Dank für das Gespräch. Ich hoffe auch Ihnen, liebe Hörer, hat es gefallen. Dann abonnieren Sie gerne den Tagesanbruch Podcast überall da, wo es Podcasts gibt und lassen Sie uns auch gern eine Bewertung da. Bei Spotify sind zum Beispiel bis zu fünf Sterne möglich. Und wenn Sie noch eine Anmerkung oder Frage haben, dann schicken Sie uns doch am besten eine Sprachnachricht oder eine Email. Geht natürlich auch an Podcasts@t-online.de. Dann hören wir Sie am besten in einer unserer nächsten Folgen. Und damit bedanke ich mich bei Ihnen fürs Zuhören und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Ciao!
Gustav Gressel: Vielen herzlichen Dank!
Florian Harms: Schönes Wochenende Auch ich bedanke mich und sage Tschüss! Bleiben Sie uns gewogen.