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Lisa Raphael: Hallo zu einer neuen Folge von Tagesanbruch die Diskussion dem wöchentlichen Podcast von t-online, diesmal für das Wochenende vom 7. September 2024. Heute diskutieren wir mit dem Innenminister von Baden-Württemberg, Thomas Strobl, über Asylpolitik und was wir gegen die zunehmende Waffengewalt in Deutschland tun können. Nach den Messerangriffen in Mannheim vor drei Monaten und Solingen vor zwei Wochen hat in dieser Woche ein den Behörden offenbar als Islamist bekannter Mann in München auf Menschen geschossen. Was können wir für mehr Sicherheit tun? Gehen die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung weit genug? Und ich bin Lisa Raphael führe durch das Gespräch und freue mich, wieder hier vom Mikro zu sein. Mir war das aus gesundheitlichen Gründen in den vergangenen Wochen nicht möglich. Ich hatte einen Pneumothorax. Sie können das gern googlen, liebe Hörerinnen und Hörer. Mich hat es auch schockiert, aber umso mehr danke ich t-online Chefredakteur Florian Harms für die wunderbare Vertretung in der Zeit und begrüße Ihnen damit auch hier in der Runde.
Florian Harms: Hallo liebe Lisa und schön, dass du zurück bist.
Lisa Raphael: Und zugeschaltet ist uns Thomas Strobl von der CDU, Innenminister von Baden-Württemberg. Hallo Herr Strobl, und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen.
Thomas Strobl: Hallo, ich grüße Sie!
Lisa Raphael: Ja, drei Monate ist der Messerangriff in Mannheim in ihrem Bundesland jetzt her. Dort kam ein Polizist ums Leben und vor zwei Wochen dann noch Solingen und jetzt diese Woche die Tat in München. Ein Mann hat nahe dem israelischen Generalkonsulat auf Menschen geschossen. Und das nicht nur mit irgendeiner Waffe, sondern einem langen alten Gewehr. Im Schusswechsel mit der Polizei ist der Täter gestorben. Er war den Sicherheitsbehörden offenbar als Islamist bekannt. Wenn wir uns jetzt all diese schrecklichen Taten, Herr Strobl, noch mal vor Augen führen hätte man nach Mannheim denn schon härter reagieren müssen?
Thomas Strobl: Absolut. Sie haben völlig recht, Frau Raphael. Das sind sehr bewegte und sehr, sehr schwierige Zeiten. Und es manifestiert sich ja nahezu wöchentlich, dass wir einfach eine wirkliche Bedrohung durch den islamistischen Terror haben. Nach dem bestialischen Messerattentat in Mannheim auf einen Polizeibeamten, der dann verstorben ist, war ich selber im Deutschen Bundestag gewesen und habe dem Bundeskanzler gesagt: „Der Worte sind genug gewechselt, lass mich endlich Taten sehen.“ Und es war klar, dass innerhalb weniger Tage diese Taten erfolgen müssen. Leider ist nach außen erkennbar über den gesamten Monat Juni nichts passiert, im Juli nichts passiert bis zu dem schrecklichen Attentat dann in Solingen. Diese zwei, drei Monate, die nach Mannheim verstrichen sind, ohne dass erkennbar man in der Ampel in Berlin in die Gänge gekommen ist. Das ist natürlich fatal gewesen, und ich will auch jetzt sagen, der erste Abschiebeflug nach Afghanistan, das kann nur ein Anfang sein. Und wissen Sie, es passt nicht zusammen. Was haben wir alles gehört? Wir fordern das seit langem, 16 Innenminister fordern das. Immer wieder wurde gesagt, das geht nicht aus diesen Gründen, jenen Gründen. Auf einmal geht es doch. Und was haben wir gehört, was an der Grenze, an den Binnengrenzen alles nicht geht? Und auf einmal geht es doch! Leider alles viel zu spät. Die Ampel hat bei den vergangenen Wahlen in Thüringen und Sachsen einen bitteren Preis auch für zu langes Nichtstun, für zu lange Streiterei in der Ampel bezahlt.
Lisa Raphael: Und was haben Sie denn da konkret gefordert, als Sie beim Bundeskanzler in Berlin waren?
Thomas Strobl: Ja, zunächst einmal, es steht natürlich und stand ganz oben auf der Tagesordnung seit langer Zeit, dass wir Gefährder und schwere Straftäter abschieben, und zwar auch nach Afghanistan und Syrien. Wir brauchen längst eine neue Bewertung der Lage in Syrien und Afghanistan. Bekanntermaßen fahren ja Leute in den Urlaub. Auch Flüchtlinge fahren in den Urlaub dorthin. Das heißt, das, was wir eh schon wissen, wird dadurch bestätigt. Es gibt dort sichere Gebiete, also können auch Abschiebungen dorthin erfolgen. Und dass wir recht hatten, wird ja dadurch unterstrichen, dass es inzwischen aber viel zu spät den ersten Abschiebeflug nach Afghanistan gegeben hat. Zum zweiten müssen wir unbedingt das Strafrecht nachschärfen. Wir müssen unseren Polizistinnen und Polizisten mehr Instrumente an die Hand geben, Stichwort IP Adressen, Vorratsdatenspeicherung. Das wird leider von der FDP blockiert. Das brauchen wir dringend zur Abwehr von Terrorattentaten. Wir sind nach wie vor überwiegend auf Hinweise aus dem Ausland von befreundeten Diensten angewiesen. Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden diese Instrumente geben. Eine Lehre aus Mannheim, wo sich die Täter wahrscheinlich selber im Netz zunehmend radikalisiert hat. Es kann doch nicht sein, dass von deutschem Boden aus für in- und ausländische Terrororganisationen 24 Stunden am Tag Werbung gemacht. Wird sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr, die Gehirne vergiftet werden mit dieser islamistischen Propaganda von kriminellen Vereinigungen, von Terrororganisationen. Das ist eine Strafbarkeitslücke, die wir seit 2002 haben. Ich bin in Baden-Württemberg auch meinem grünen Partner dankbar, dass wir eine entsprechende Bundesratsinitiative gleich nach Mannheim eingebracht haben, damit das Werben etwa für islamistische Terrororganisationen wieder bestraft werden kann. Wir brauchen natürlich etwas im Bereich der Sozialleistungen. Seit vielen Jahren habe ich null Verständnis dafür, dass wir Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, deren Aufenthalt hier beendet ist, die ausreisepflichtig sind, die vollen Sozialleistungen erhalten. Das steht nirgendwo in der Genfer Flüchtlingskonvention. Das steht auch nicht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind hier in einer Art und Weise großzügig, die sich als gefährlich entwickelt hat. Und was ganz wichtig ist: Wir brauchen einen intensiven Grenzschutz auch bei den Binnengrenzen. Im Übrigen, mit der Möglichkeit der Zurückweisung an der Grenze. Auch hier hat man uns lange erzählt, dass aus diesen oder jenen Gründen das nicht geht. Während der Europameisterschaft haben wir das gemacht. Allein in Baden-Württemberg haben wir dadurch eine dreistellige Anzahl von offenen Haftbefehlen an den Grenzen zur Schweiz und nach Frankreich verwirklichen können. Wir haben 1.500 illegale Einreisen registriert, 1.500 Zurückweisungen in diesen wenigen Wochen an der Grenze gemacht. Wir haben Dutzende von Schleusern sozusagen erwischt und damit auch einen schweren Schlag gegen die Schleuserkriminellen an den Grenzen zur Schweiz und nach Frankreich vollzogen. All das sind sehr, sehr wichtige Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen. Der Grenzschutz muss bleiben, bis wir einen funktionierenden Außengrenzschutz haben, also noch für die nächsten Jahre. Es ist ein ganzes Maßnahmenbündel. Es gibt nicht den einen Knopf, auf den man drückt und das Problem löst. Aber ein Maßnahmenbündel, einige habe ich jetzt gerade geschildert, kann natürlich helfen, dass die illegale Migration nicht mehr in diesem großen Ausmaß stattfindet, wie sie stattgefunden hat.
Lisa Raphael: Ja, bei diesen Dingen, die Sie fordern, das wurde ja auch diese Woche bei den Migrationstreffen zwischen Union, der Länder und der Bundesregierung besprochen, sind ja immer diese rechtlichen Aspekte wichtig. Also wenn wir jetzt mal zum Beispiel bei dem Zurückdrängen der Migranten an den Außengrenzen bleiben, kann das ja eigentlich nur durch so eine bestimmte Notlage, die die CDU jetzt fordert, erreicht werden. Und diese Notlage. Wenn man jetzt sich Interviews mit Rechtsexperten anhört, dann gibt es die eigentlich nicht, weil die Zahlen jetzt nicht exponentiell hochgehen. Wie wollen Sie das also machen? Sollen wir jetzt jeden Abschnitt der deutschen Grenze kontrollieren? Wir haben dafür ja auch gar nicht genug Polizisten.
Thomas Strobl: Na ja, also zunächst mal zur Rechtslage. Wissen Sie, Sie finden bei all den Maßnahmen, die auch jetzt gemacht worden sind, fanden Sie vorher zahlreiche Rechtsexperten, die uns über Monate und Jahre erklärt haben, was alles nicht geht. Für mich ist einer der wirklich seriösen und anerkannten Rechtsexperten, Herr Professor Thym, und er sagt, diese Notlage lässt sich sehr wohl begründen. Wie dann ein europäisches Gericht am Ende des Tages entscheidet, ist offen, bekanntermaßen vor Gericht und auf hoher See. Unstreitig scheint mir aber zu sein, dass man das machen kann. Das sagt jedenfalls dieser sehr erfahrene Ausländerrechtrechtsexperte von der Universität Konstanz. So viel einmal zur Rechtslage. Das wird im Übrigen auch gefordert von den kommunalen Spitzenverbänden in Deutschland. Auch hier darf man ja eine gewisse Kenntnis des Rechts unterstellen und dass wir eine Notlage in der Bundesrepublik Deutschland haben bei den Sicherheitsfragen, über die wir gesprochen haben. Aber auch wenn ich das einmal so sagen darf, Frau Raphael, wir haben auch eine Notlage bei der Integration. Mit welcher Bürgermeisterin, mit welchem Bürgermeister, Landräte und Landräte ich in Baden-Württemberg spreche, und wir haben tüchtige Bürgermeisterrinnen und Bürgermeister, tüchtige Landrätinnen und Landräte. Die sagen mir: Wir schaffen das nicht mehr. Wir können selbst die, die gut gewillt sind, die Gründe haben, hier zu sein, nicht mehr integrieren. Allein wegen der großen Anzahl der Personen, um die es geht. Wir haben Schwierigkeiten. Ja, Ihnen ein Dach über dem Kopf zu organisieren. Das heißt, wir haben bei der Integration, bei der Schule, bei den Sicherheitsfragen einfach eine prekäre Situation. Wir können diese illegale Migration nach Deutschland so nicht mehr akzeptieren. Es ist zwingend notwendig, unverzüglich ein Stoppschild aufzustellen. Und das beinhaltet Zurückweisungen auch an den Binnengrenzen.
Lisa Raphael: Florian, wie denkst du darüber? Über diese Zusammenkunft, die jetzt auch zwischen Union und der Bundesregierung war. Dort werden ja auch teilweise von Friedrich Merz Forderungen gestellt, die von manchen Seiten als realistisch bezeichnet werden, von anderen aber auch nicht. Und dann auch noch diese komische Konstellation, dass auch andere Parteien ausgeschlossen werden. Ist das überhaupt demokratisch, was die Parteien da gerade veranstalten?
Florian Harms: Demokratisch ist das sicherlich bestimmt. Und das, was wir gegenwärtig erleben, kann man vielleicht auf unterschiedlichen Ebenen mal sezieren. Zur politischen Ebene nur so viel Ich habe den Eindruck, die Debatte ist sehr aufgeregt. Das ist auch kein Wunder nach diesen Gewalttaten, dass es kein Wunder in einer Situation, in der wir von einer Krise in die nächste rutschen, in der auch die Parteien an Zustimmung verlieren, die Parteien der Mitte, das macht dann eben Debatten so aufgeregt. Und das führt dann auch zu entsprechenden Wortmeldungen. Da kann man vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein bisschen Luft rauslassen, aber dass es diese Debatten gibt, ist grundsätzlich erst mal richtig. Die zweite Ebene, das ganze Thema Migration und Herr Strobl hat es ja gerade ausgeführt, das beschäftigt uns ja nicht erst seit gestern, das beschäftigt uns seit Jahren und die Probleme, die wir damit haben, beschäftigen uns auch seit Jahren. Man könnte jetzt auf vielfältigen Ebenen da rein tauchen und Herr Strobl hat gerade einiges genannt, was man damit zusammenhängend diskutieren kann. Das, was Sie genannt haben, Herr Strobl, im Hinblick auf die Integration, höre ich auch aus vielen Kommunen. Ich glaube, es ist unterschiedlich von Ort zu Ort. Aber wenn man das mal subsumiert unter einem groben Eindruck, dann ist es schon so, dass an vielen Stellen in Deutschland die Kommunen an der Belastungsgrenze sind oder schon über die Belastungsgrenze hinausgegangen sind. Besonders stark merkt man das überall da, wo viele Menschen zusammenkommen, beispielsweise in Schulen. Und es gibt zu viele Probleme mit der Ausbildung von Kindern, die schlicht und einfach in der Tatsache liegen, dass die Kinder kein Deutsch sprechen. Und das ist verheerend für unser ganzes Land, weil wir dann nicht mehr vorankommen, weil die Jungen nicht mehr adäquat ausgebildet werden können, weil sie nicht teilhaben an den gesellschaftlichen Prozessen. Das ist ein Problem, das müssen wir lösen. Und da muss man eben auch da ansetzen, dass man sich die Frage stellt, wie viele können denn hierher kommen? Und dann gibt es eine dritte Ebene, mit der haben wir vorhin den Podcast begonnen. Das ist die islamistische Gewalt, Die würde ich jetzt gerne, wiewohl man manche Beziehungen ziehen kann zur Migration, auch zur illegalen Migration, zu dem Abschiebeproblem. Das haben wir bei Solingen gesehen beispielsweise, wo der Täter eigentlich gar nicht mehr hätte da sein dürfen, nicht abgeschoben, abgeschoben worden sein sollen. Würde ich trotzdem gerne mal ein bisschen separieren. Diese islamistische Gewalt gibt es auch schon seit Jahren. Die war besonders stark rund um die Anschläge in Amerika 2001. Die war in der Folge dann auch immer wieder stark, als es den Bürgerkrieg in Syrien gegeben hat, die es dann ein bisschen in den Hintergrund geraten. Das sind andere Krisen in den Vordergrund getreten, wie beispielsweise die Corona Pandemie. Und wir erleben jetzt ein geradezu explosives Wiederaufflammen dieser islamistischen Gewalt. Dieser Du hast eingangs die verschiedenen Terrortaten genannt. Da sollten wir uns schon noch mal in Erinnerung rufen, warum das so ist. Natürlich gibt es in Deutschland Hunderte von Gefährdern, islamistischen Gefährdern, etwa 480 an der Zahl. Die Zahl schwankt von Jahr zu Jahr. Die werden von der Polizei beobachtet. Es gibt islamistische Vereine, manche sind jetzt verboten worden in den vergangenen Wochen. Es gibt aber vor allem, und das macht eben die Situation gegenwärtig so prekär. Ein Ereignis, was alles verändert hat. Und das war der 7. Oktober 2023, der islamistische Terrorangriff der Hamas auf Israel und die israelischen Reaktionen, nämlich der Kriegseinsatz in Gaza. Und wir haben eben gesehen, dass dieses Ereignis und alles, was damit zusammenhängt, zu einer massiven Radikalisierung führt. Ich habe in den vergangenen Tagen mich noch mal unterhalten mit den deutschen Sicherheitsdiensten, und die können das sehr plastisch schildern. Die können sehr klar auch zeigen, dass die Bilder aus Gaza beispielsweise, also von leidenden Kindern, von Toten, von Verletzten verwendet werden für die Propaganda im Netz und diese Propaganda. Und Herr Strobel hat das ja gerade gesagt, findet hierzulande statt. Auf Tiktok, auf X, auf Facebook, auf Telegram. Und das kann man sich hier alles ungefiltert eins zu eins reinziehen. Und wenn junge Menschen jetzt sowieso dazu neigen, jetzt nicht mehr Zeitungen zu lesen, t-online zu lesen, Radio zu hören, sondern sich nur noch in den sozialen Medien informieren, dann stoßen sie sehr schnell auf solche Inhalte. Und dann kann es eben auch passieren, dass wenn man vielleicht sowieso etwas orientierungslos in seinem Leben ist, dass man sich innerhalb kürzester Zeit radikalisiert, so wie wir es jetzt auch bei einigen Tätern offenbar gesehen haben. Und das macht die Situation eben so prekär, so gefährlich. Und das haben wir gegenwärtig noch überhaupt nicht im Griff. Und dagegen hilft jetzt auch kein Messer Verbot, weil wenn die im Zweifelsfall an kein Messer rankommen, werden die sich andere Tatwaffen suchen. Da müssen wir an die Strukturen ran und auch an die sozialen Medien.
Lisa Raphael: Aber die Frage ist ja wie. Die Bundesregierung hat ja auch nach Solingen dieses Sicherheitspaket veröffentlicht und auch angekündigt, Maßnahmen gegen den Islamismus durchzuführen, zum Beispiel Präventions- und Deradikalisierungsprogramme zu verstärken. Herr Strobl, haben Sie dort Erfahrungen in Baden-Württemberg, wie man da vorgeht? Wie kann man sich das konkret vorstellen, solche Programme zu verstärken? Ich kann mir auch vorstellen, dass die islamistische Szene sehr gut vernetzt ist. Kann man die eigentlich wirklich durchdringen?
Thomas Strobl: Man kann auf jeden Fall im Bereich der Prävention sehr viel machen. Wir haben in Baden-Württemberg eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, wo wir insbesondere junge Menschen über die Gefahren des Islamismus aufklären. Gefahren im Übrigen, vor denen wir seit vielen, vielen Jahren warnen. Ich gebe Herrn Harms recht, das wird natürlich in der Öffentlichkeit unterschiedlich in einer unterschiedlichen Intensität wahrgenommen. Aber die abstrakte islamistische Terrorgefahr ist immer da gewesen, jedenfalls in den vergangenen 20 Jahren. Und zwar ist der 7. Oktober, der brutale Überfall der Hamas auf Israelis, natürlich noch einmal ein Brandbeschleuniger. Ich will noch mal den Hinweis geben Wir können auch gegen die Dinge und wir müssen endlich auch mal etwas gegen die Dinge im Netz tun. Das muss doch ein Auftrag sein, auch aus Mannheim. Wir können doch nicht zu schauen, dass diese islamistische Hasspropaganda einfach im Netz so stattfindet. Und dann zucken wir die Schultern und sagen Das ist halt so, das ist doch, wir müssen doch auch mal uns mit den Ursachen beschäftigen. Und ich will das klar sagen Nein, das dürfen wir nicht akzeptieren, dass das in Deutschland stattfindet, dass für islamistische Terrororganisationen geworben wird, dass es diese Sympathiewerbung gibt. Und deswegen müssen wir das unter Strafe stellen, einen Straftatbestand daraus machen. Wehret den Anfängen! Hier fängt es an mit dem, was hier im Netz stattfindet. Und deswegen, wie gesagt, wir haben eine Bundesratsinitiative vorgelegt, die Paragrafen 129 A 129 B, in denen das Gründen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unter Strafe gestellt ist, auszuweiten auf die Sympathiewerbung für islamistische Terrororganisationen. Wir sind nicht wehrlos, wir müssen nur Strafrechtslücken schließen und dort, wo wir entsprechende Vorschriften bereits haben, sie natürlich auch sehr konsequent anwenden. Und das Thema Prävention muss selbstverständlich hinzukommen an den Schulen, etwa auch in Erstaufnahmeeinrichtungen, in Einrichtungen, in denen sich Flüchtlinge befinden, vor allem viele junge Männer aufeinander hocken und dergleichen mehr.
Florian Harms: Herr Strobl, ich möchte da noch ergänzen, denn natürlich wird ja einiges getan im Hinblick auf die ganze Gewaltpropaganda. Im Internet beispielsweise hat die EU ja einiges an Vorschriften jetzt erlassen, dass das einfach der Versuch, die Digitalkonzerne haftbar zu machen, damit sie eben selber stärker reingehen, damit die filtern, damit die das aussieben. Das reicht aber nicht und das wird nicht wirklich konsequent umgesetzt. Das sehen wir jeden Tag auf den Netzwerken, auf X, auf Tiktok, wie sie alle heißen, dass das ganze Zeug trotzdem noch da ist. Was mich daran ärgert ist, dass nicht mehr Druck ausgeübt wird auf diese Digitalkonzerne, dass da nicht höhere Strafen verhängt werden, dass man nicht im Zweifelsfall auch einfach mal damit droht, so ein Netzwerk phasenweise dicht zu machen. Ich glaube, das wären die Hebel, die dann wirklich verstanden würden, in den Zentralen der Digitalkonzerne in China und in Kalifornien.
Lisa Raphael: Haben wir da nicht dann wieder Probleme mit dem Grundgesetz, Pressefreiheit, Kunstfreiheit oder so was?
Florian Harms: Die soll es natürlich immer geben. Aber es ist doch eine Abwägung von Gütern. Und wenn einfach klar ist, hier wird grundsätzlich unser Rechtsstaat, unser Pluralismus, die Toleranz, die Demokratie infrage gestellt und sogar angegriffen, torpediert. Und andere verdienen noch Geld damit mit den Algorithmen, weil das die Menschen dann an der Aufmerksamkeit hält in den Netzwerken. Das kann ja wohl nicht wahr sein.
Lisa Raphael: Na ja, und grundsätzlich ist ja das Problem, um das vielleicht noch mal für die Hörer ein bisschen plastischer zu machen, dass die Plattformen eben nicht in Deutschland, sage ich mal, registriert sind, sondern in anderen Ländern und man eben nicht genau auf die zugreifen kann und vielleicht auch nicht juristisch sie unbedingt verfolgen kann, oder?
Thomas Strobl: Das ist natürlich ein schwieriges Thema. Ja, das ist dann letztlich eine Güterabwägung. Die Meinungsfreiheit auch selbstverständlich die Pressefreiheit, die Freiheit der Medien ist natürlich ein sehr, sehr hohes Gut, konstitutiv geradezu für unsere Demokratie. Und wir erleben ja in Ländern, die, sagen wir mal so, nicht dieses Demokratieverständnis haben, wie denn der Staat in der Tat im Netz bestimmte Dinge einfach nicht zulässt und abschaltet. Das zeigt im Übrigen, dass das offensichtlich technisch möglich ist. Für uns ist das ein sehr, sehr schwerer Abwägungsprozess. Freilich ist auch klar zu sagen Wir haben bei allem Respekt auch die Meinungsfreiheit. Auch die Pressefreiheit hat ihre Grenzen. Und wenn es beispielsweise um Terroranschläge geht, um die Vorbereitung von Terroranschlägen geht, ich glaube, dann wird das ein Thema, wo wir alle spüren, ja, hier könnten gewisse Einschränkungen der Grundrechte, wie man insgesamt sagen, durchaus gerechtfertigt sein, weil es ein übergeordnetes Rechtsgut dieses übergeordnete Rechtsgut heißt Schutz von menschlichem Leben, Schutz vor einem Terroranschlag. Und ja, das im Einzelfall auszubalancieren ist schwierig. Das ist bei uns besonders schwierig. Das ist auch in Ordnung, dass bei uns nicht einfach eine Bundesregierung bestimmte Medien ausknipsen kann. Wissen Sie, ganz grob gesprochen: Ich bräuchte Tiktok nicht und ich hätte keinen großen Schmerz damit, wenn es das gar nicht mehr in Deutschland gäbe. Weil ich mir nicht sicher bin, ob wir den Menschen, den jungen Menschen vor allem damit etwas Gutes tun. Den Schritt aber zu gehen, dass ich jetzt fordere die Bundesregierung soll Tiktok verbieten, mit dem tue ich mich auch schwer, weil der Abwägungsprozess zwischen der Freiheit, in Deutschland auch den größten Quatsch zu senken, auch den größten Unsinn, die schlimmsten Lügen, das widerwärtigste Zeug zu verbreiten, eben dem Schutz unserer Verfassung unterliegt. Und das ist auf der anderen Seite zu respektieren. Wir müssen bestimmte Dinge, wir müssen sehr vieles in unserer Demokratie auch ertragen. Und da muss der Politiker auch zurückhaltend sein, ja, mit dem, was er dann letztlich tut oder nicht. Aber dass wir mal generell in den Abwägungsprozess gehen und sagen, die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut, aber möglicherweise in bestimmten Fällen gibt es Rechtsgüter, die noch schwerer wiegen, Schutz der Gesundheit und des Lebens von vielen Menschen. Das würde ich mir schon wünschen.
Florian Harms: Und es mag seltsam klingen, dass ich das sage als Journalist, aber ich schaue da tatsächlich noch kritischer drauf. Ich meine, es gibt ein Presserecht, es ist sehr klar, was man veröffentlichen darf und was nicht. Man darf halt keine Lügen und keinen Diffamierungen von anderen Personen einfach so in der Presse veröffentlichen. Oder wenn ich jetzt rausgehe hier auf die Straße und ich schreibe den Namen einer Person und eine finsterste Beleidigung daneben an einer Hauswand. Na ja, das darf ich so auch nicht. Warum darf ich das alles auf Tiktok, auf X, auf Facebook? Das kann ja wohl nicht wahr sein. Und wer ist dafür verantwortlich? Bislang haben sich die Plattformbetreiber immer rausgeredet, weil sie gesagt haben: Wir sind keine Medien, sondern wir sind nur Plattformen. Und die anderen, die dann ja sich äußern, die müssen haftbar gemacht werden. Ich glaube, das muss man ändern. Die verdienen Geld, damit das alles stattfindet auf ihren Plattformen. Und das kann ja auch 80, 90 % von dem, was da an Inhalten so dadurch wabert, passieren. Aber es gibt eben zu vieles, was Menschen radikalisiert, was unmittelbare Angriffe beinhaltet gegen Einzelpersonen oder gegen unser demokratisches Staatswesen.
Lisa Raphael: Es müsste ja eigentlich auch die Technik langsam so weit sein mit der künstlichen Intelligenz, dass es dafür Programme gibt, dass man sowas nicht mal mehr veröffentlichen darf. Also dass man dann irgendwie eine Warnung bekommt. Entschuldigung, wir haben hier was festgestellt. Bitte warten Sie auf Bestätigung unserer Admins und können sie in einer Stunde vielleicht veröffentlichen.
Thomas Strobl: Da würde ich mal einen Blick ein bisschen in die Zukunft werfen. Wir werden natürlich sehr, sehr schnell durch die sogenannte künstliche Intelligenz noch einmal ganz andere Möglichkeiten haben, Dinge zu verfälschen. Also beispielsweise werden wir die Frau Raphael erzählen lassen können, was sie nie erzählt hat. Und auf einen ersten und vielleicht auch zweiten Blick wird der Zuschauer und Zuhörer, vor allem der Zuschauer, das gar nicht verifizieren können. Hat sie das jetzt tatsächlich gesagt oder lässt eine andere Person sie etwas sagen? Und wenn Sie mal überlegen, was das in unserem Staat, in der Politik alles an Möglichkeiten der Fälschung bietet? Ja, wenn also Leute jetzt die Möglichkeit haben, mich allerlei erzählen zu lassen, natürlich, Herr Harms, kann ich mich dann presserechtlich oder wie auch immer dagegen wehren? Nur bis das durchdringt, ist der Markt schon verlaufen. Im Zweifel gibt es mich dann nicht mehr, jedenfalls nicht als Politiker. Und das kann man. Aber natürlich. Das ist ja nicht nur eine Gefahr für Politiker, sondern im Grunde genommen für alle Menschen. Und das ist etwas, was ich glaube, das wird uns nicht irgendwann, sondern sehr, sehr schnell intensiv beschäftigen. Ich habe jetzt erlebt, dass die FDP ein erstes Bild von mir gefälscht hat, wo ich in einen völlig falschen Zusammenhang auch mit einem falschen Körper. Ich hatte auf einmal besonders hübsche Ringe an den Händen, eine solche Fälschung im Übrigen ja noch von einer Partei gemacht. Normalerweise machen vielleicht extremistische Parteien so was. Dass die FDP sich für so etwas hergibt, finde ich bemerkenswert. Das zeigt aber, wie sich bestimmte Dinge einschleichen, Bilder vorsätzlich gefälscht werden, ein falscher Kontext hergestellt wird. Der Schritt, dass man jemand etwas Falsches sagen lässt, ist schnell gemacht. Und dann haben wir noch einmal eine ganz andere Lage. Also das ist ein Thema, mit dem wir uns, glaube ich, in der nächsten Zeit intensiv beschäftigen werden müssen.
Lisa Raphael: Die Suche nach der Wahrheit, das ist leider nicht nur hier immer wieder das Thema, leider auch bei den ganzen schrecklichen Kriegen, die auf der Welt passieren. Aber damit müssen wir schon zum Ende komme. Ich hätte noch sehr gerne weiter mit ihnen geredet, aber die halbe Stunde ist um. Ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch, Herr Strobl und Ihre Zeit.
Thomas Strobl: Herzlichen Dank Ihnen und alles Gute. Bleiben Sie gesund!
Lisa Raphael: Und wir blicken da natürlich auch auf t-online auf die aktuellen Ereignisse. Vielleicht werden sich die Forderungen auch realisieren lassen, die Sie, Herr Strobl, ja jetzt auch noch mal unterstützt haben. Nächste Woche will die Regierung, die Länder und die Union noch einmal zu so einem Migrationstreffen zusammenkommen. Und damit danke ich auch Dir, Florian, für deine Einordnungen und deine Zeit hier.
Florian Harms: Vielen Dank, liebe Lisa. Schön ist es gewesen und bleiben Sie uns alle gewogen.
Lisa Raphael: Ja, und damit kommen wir noch auf ein anderes Thema, und zwar einen kleinen Höreraufruf. Wenn Sie nämlich, liebe Hörerinnen und Hörer aus Brandenburg kommen und Lust haben, auch mit uns hier im Podcast zu diskutieren, und zwar zu den anstehenden Landtagswahlen in Ihrem Bundesland, dann schreiben Sie uns doch bitte an: podcasts@t-online.de. Anmerkungen und Kritik, gerne auch an diese E-Mail-Adresse, auch gerne als Sprachnachricht. Dann hören wir Sie im besten Fall in einer unserer nächsten Folgen. Und wenn Ihnen diese Diskussion gefallen hat, abonnieren Sie gerne den Tagesanbruch-Podcast überall da, wo es Podcasts gibt und lassen Sie uns auch gern eine Bewertung da. Und damit bedanke ich mich bei Ihnen ganz herzlich fürs Zuhören und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Tschau!