Tagesanbruch von t-online

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00:00:02: Peter Neumann: Trump hat dann Erfolg, wenn er es schafft, Leute gegeneinander auszuspielen. Das Tötungspotenzial, wenn Sie so wollen, ist riesig. Viele von denen wären bereit, dem Trump wirklich bedingungslos zu folgen.

00:00:16: Florian Harms: Hallo und herzlich willkommen zum Amerika Update - der Sonderausgabe des "Tagesanbruch"-Podcasts. Ich bin Florian Harms, Chefredakteur des Nachrichtenportals t-online und diskutieren diesem Podcast mit Kollegen und Politikexperten über die Entwicklungen im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf. Wobei man mittlerweile eher von einer Wahlschlacht sprechen muss. Die Atmosphäre ist aufgeheizt. Republikaner und Demokraten bekämpfen sich erbittert. Das hat unmittelbare Folgen für die Stimmung in den USA. Die Bevölkerung ist gespalten, Wut und Hass vergiften die Gesellschaft. Die Feindseligkeit gipfelte im Attentat auf Donald Trump, bei dem der Kandidat der Republikanischen Partei nur mit Glück nur leicht verletzt wurde. Einige Beobachter warnen nun sogar vor Revolten oder gar bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Stehen die USA am Abgrund? Was ist in den kommenden Wochen zu erwarten und was kommt auch auf Deutschland zu? Darum geht es in dieser Folge. Schön, dass Sie zuhören. Ja, liebe Hörerinnen und Hörer, in Amerika überschlagen sich die Ereignisse. Das Attentat auf Donald Trump hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Nur durch Glück kam der 78-jährige mit dem Leben davon. Nun läuft der Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin oben am Lake Michigan, nahe der Grenze zu Kanada. Dort haben 2400 Delegierte Trump zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten gekürt. Zehntausende Fans jubeln ihm zu. Zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten hat Trump Senator J.D. Vance ernannt, einen Opportunisten, der sich vom lauthalsen Kritiker zu einem der eifrigsten Trumpisten gewandelt hat. "J.D. ist Kissing my ass, he want my support so bad", sagte Trump über den 39-jährigen. Was ich hier nicht zu übersetzen brauche. Sie verstehen es wohl auch so. Wendehals würde man so jemanden hierzulande wohl nennen, wenn man es glimpflich ausdrücken will. Eine verlässliche Person, an die man sich vertrauenswürdig wenden könnte, wenn Trump wieder mal droht und wütet, finden die Europäer in diesem Kandidaten für das Vize-Präsidentenamt jedenfalls nicht. In der Nacht zu Freitag hat Trump nun seine Nominierungsrede gehalten. Sie klang anfangs versöhnlich, später aber auch wieder hasserfüllt. Und was macht Joe Biden? Nicht mehr viel. Ehrlich gesagt, der Amtsinhaber ist politisch durch. So schonungslos muss man das wohl sagen. Gebrechlich, fahrig und nun auch noch von einer Covid-Infektion geschwächt, hat sich der Präsident in sein Privathaus zurückgezogen und muss nun aus der Isolation dabei zusehen, wie sich immer mehr Demokraten Politiker von ihm abwenden. Es ist eine beispiellose Demontage, die dem 81-jährigen in diesen Tagen widerfährt. Hochrangige Parteifreunde sollen Biden dringend dazu geraten haben, die Kandidatur niederzulegen und einer jüngeren Person den Vortritt zu lassen. Sogar sein einst enger Vertrauter Barack Obama soll sich gegen ihn gewendet haben. Andernfalls, so fürchten sie, werden die Demokraten die Wahl am 5. November krachend verlieren. Und die Mehrheit im Repräsentantenhaus womöglich ebenfalls. Falls die Republikaner künftig wirklich alle drei Säulen der Macht in Amerika dominieren könnten das Präsidentenamt, den Senat und auch noch das Repräsentantenhaus, in dem die Kongressabgeordneten sitzen, dann könnten sie Amerika radikal umbauen. Das wiederum könnte womöglich eine Revolte liberaler Bürger auslösen, die den Absturz in eine Autokratie verhindern wollen. Umgekehrt könnten aber auch enttäuschte Republikaner auf die Barrikaden gehen, sollte Trump die Wahl doch nicht gewinnen. So oder so kommen auf Amerika stürmische Zeiten zu und damit auch auf uns in Deutschland. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz hat zweifellos recht, als er vor wenigen Tagen im t-online-Interview sagte "Die USA sind die Weltmacht Nummer eins und unser wichtigster Bündnispartner. Alles was dort passiert, ist für uns wichtig." Was folgt also aus der wilden Entwicklung in den USA? Worauf müssen wir uns vorbereiten? Darüber spreche ich heute mit zwei ausgewiesenen Amerikakennern. Zum einen unserem Washingtonkorrespondenten Bastian Brauns, der sich gerade auf dem Republikanerparteitag in Milwaukee befindet. Mit ihm unterhalte ich mich gleich im zweiten Teil des Podcasts. Vorher freue ich mich über meinen ersten Gast. Peter Neumann ist Professor für Sicherheitsstudien am King's College in London, gilt als einer der führenden Extremismusforscher und schreibt regelmäßig für die New York Times. Sein Buch "Logik der Angst - Die rechtsextreme Gefahr und ihre Wurzeln" ist ein Bestseller. Hallo lieber Herr Neumann, schön, dass Sie dabei sind von unterwegs.

00:04:43: Peter Neumann: Hallo Herr Harms!

00:04:44: Florian Harms: Herr Neumann, Sie kennen sich mit Extremismus aus. Daher die erste Frage Ist Donald Trump ein Extremist?

00:04:51: Peter Neumann: Also ich würde schon sagen, er ist ein Extremist. Das begründet sich zum einen aus seinen politischen Positionen. So würde man das auf der einen Seite machen, auf der anderen Seite kann man aber viel grundsätzlicher sagen Extremismus definiert sich dadurch, dass man die Prinzipien und Logiken der liberalen Demokratie nicht akzeptiert und ein anderes System will. Und das sehen wir bei Donald Trump eben sehr häufig. Er akzeptiert nicht die Spielregeln des Systems. Das fängt damit an, dass er nicht bereit ist, eine verlorene Wahl zu akzeptieren. Das ist ja die Grundvoraussetzung dafür, dass Demokratie überhaupt funktionieren kann und dass er absolut autoritäre Tendenzen hat. Das weiß man mittlerweile auch. Wenn es nach ihm ginge, bräuchte man den Kongress gar nicht. Bräuchte man diese ganzen liberalen Institutionen wie Gerichte, Medien oder Parlament, die ja die Macht des Präsidenten einhegen sollen. Das bräuchte man eigentlich gar nicht. Eigentlich würde er am liebsten ein starker Mann sein, der alleine regiert. Und das ist extremistisch.

00:05:53: Florian Harms: Herr Neumann, vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben wie bewerten Sie denn Trumps Rede auf dem Nominierungskonvent.

00:06:00: Peter Neumann: So wenig überraschend? Es wurde ja vor der Rede gesagt, dass er jetzt zum Versöhner würde. Ich habe das nie geglaubt. Und tatsächlich hat das ja nur ungefähr fünf oder sechs Minuten lang durchgehalten. Der Große. Größte Teil der Rede war eigentlich typisch Trump. Und Trump ist einer, der im Prinzip sein ganzes Leben lang sein Geschäftsmodell, sein politisches Geschäftsmodell war. Polarisierung und Spaltung. Trump hat dann Erfolg, wenn er es schafft, Leute gegeneinander auszuspielen. So hat er die Wahl 2016 gewonnen, so hat er regiert. Und es ist absolut unrealistisch zu glauben, dass er jetzt im Alter von 78 Jahren plötzlich damit aufhört.

00:06:41: Florian Harms: Aber all die Leute, die Trump nun zujubeln, sind die auch alle Extremisten? Oder warum stören sie sich nicht daran, dass Trump lügt wie gedruckt?

00:06:50: Peter Neumann: Also da, das ist noch mal ein bisschen komplizierter. Ich glaube schon, dass Donald Trump tatsächlich ja Leute anspricht, die eben sehr verunsichert sind, die sehr verunsichert sind. Die gehören oftmals zur unteren Mittelklasse, also nicht Leute, die bereits alles verloren haben, sondern Leute, die noch etwas zu verlieren haben. Sie sind überfordert von vielen Veränderungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben in der amerikanischen Gesellschaft. Unglaublich viel hat sich verändert und viele Leute glauben, dass sie nicht diejenigen sind, die von diesen Veränderungen profitieren, dass im Gegenteil andere Leute profitieren und dass für sie das Leben immer schlechter wird. Und sie haben natürlich auch ein Problem. Und das hängt mit all dem, was ich gesagt habe, zusammen ein Problem mit einer für sie aus ihrer Sicht abgehobenen politischen Klasse, die belehrend ist, die Ihnen Ihr Leben vorschreiben möchte und von denen Sie glauben, dass diese politische Klasse Sie eigentlich verachtet, sie verachtet, weil sie weiß sind, weil sie männlich sind, weil sie Autofahren, weil sie sprechen, wie in der Mund gewachsen ist, weil sie an Gott glauben und danach leben. Und möglicherweise auch, weil sie Waffen haben wollen und die Demokraten ihnen das vermeintlich verbieten wollen. All das ist sozusagen der Frust, den Donald Trump aktiviert und in seine politische Richtung lenkt.

00:08:13: Florian Harms: Jetzt haben wir ja auf diesem Parteitag gesehen, dass die Inszenierung dort fast schon religiöse Züge hatte. Also Trump wurde gefeiert wie ein Messias. Haben Sie den Eindruck, dass Trump seine vielen Anhänger wirklich im Griff hat, dass die auf sein Kommando sofort handeln würden?

00:08:32: Peter Neumann: Ich glaube, dass viele das tun würden. Wahrscheinlich nicht alle. Aber der große Unterschied zu 2016 ist ja, dass Trump sehr viel Arbeit und Mühe investiert hat, um die Evangelikalen, also die radikalen Protestanten in Amerika, für sich zu gewinnen. Die waren gegenüber in 2016 noch sehr skeptisch haben gesagt. Dieser Trump, der ist ja nicht wirklich religiös, wir nehmen ihm das nicht ab. Das hat er geschafft in den letzten acht Jahren, die zu überzeugen. Und die sind jetzt sozusagen seine Basis, die sind seine treuesten Unterstützer. Und das sind die Leute, die davon erzählen, dass Trump einer ist, der ja ein Märtyrer ist. Der, der auf Gottes Befehl handelt. Dass das, was letzte Woche passiert ist, dass das ein Wunder war. Und das ist etwas, was er natürlich auch für sich nutzen kann. Und ich glaube, viele von denen wären bereit, dem Trump wirklich bedingungslos zu folgen. Quasi.

00:09:27: Florian Harms: Wie wahrscheinlich ist denn vor diesem Hintergrund eine gewaltsame Eskalation rund um die Präsidentschaftswahl am 5. November?

00:09:35: Peter Neumann: Ja, das ist die große Frage. Meine große Befürchtung mit diesem Attentat war eben das Gewissen aus vielen ähnlichen Situationen, wenn solche Teufelskreise der Gewalt erst mal in Gang gesetzt sind, dann ist es schwierig, sie zu stoppen. Denn wenn Sie ein solches Attentat haben, dann sagen andere Leute Ja gut, unser Mann wurde jetzt angegriffen. Wir haben jetzt auch das Recht, Leute auf deren Seite anzugreifen. Und so rechtfertigt ein Akt der Gewalt bereits den nächsten. Und das ist die Gefahr. Und deswegen ist es so wichtig, dass alle in Amerika jetzt sagen Stopp! Gewalt hat im Wahlkampf keinen Platz.

00:10:13: Florian Harms: Aber kann es denn womöglich sogar zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen? Amerika starrt ja vor Waffen.

00:10:20: Peter Neumann: Ja, und das ist ein wichtiger Faktor 350 Millionen Waffen im privaten Besitz, das gibt es Gott sei Dank in Europa nicht. Also das Tötungspotenzial, wenn Sie so wollen, ist riesig. Deswegen ist die Situation so brenzlig und so gefährlich. Ich glaube, die gefährlichste Situation ist nicht unbedingt während des Wahlkampfs, weil die Unterstützer von Trump sich ja gute Hoffnungen leider darauf machen können, dass er die Wahl gewinnt. Also es macht aus Ihrer Sicht ja rational eigentlich erst mal keinen Sinn, jetzt schon mit der Gewalt anzufangen. Ich glaube, die größere Gefahr ist nach der Wahl, wenn Trump nicht gewinnen sollte und wenn Trump die Wahl nicht akzeptiert, dass es dann zu einer Konfrontation kommt, die auch tatsächlich eskalieren könnte.

00:11:02: Florian Harms: Und falls Trump doch gewinnt, was käme dann auf Deutschland zu? Was denken Sie?

00:11:07: Peter Neumann: Also ich glaube, es sind vor allem zwei Gefahren. Ich mache mir jetzt erst mal so ganz zynisch aus deutscher oder aus europäischer Sicht überhaupt keine Gedanken über das, was Trump innenpolitisch macht. Das ist Sache der Amerikaner. Das muss mich eigentlich nicht interessieren. Interessiert mich natürlich schon, Aber es muss mich nicht interessieren. Was für Europa gefährlichste ist, sind zwei Dinge. Erstens die NATO. Wir wissen, dass Trump nicht an die NATO glaubt. Wir wissen, dass er bereits während seiner letzten Präsidentschaft eigentlich aus der NATO bereits aussteigen wollte. Wir wissen auch, dass J.D. Vance, sein Vizepräsident, noch extremere Auffassungen hat, was diesen Punkt angeht. Und meine Befürchtung ist, dass Trump im Prinzip dieses glaubwürdige Versprechen Amerikas, was ja hinter der NATO Garantie steckt, dieses glaubwürdige Versprechen Amerikas untergräbt. Nicht indem er aus der NATO aussteigt, nicht indem er austritt. Die NATO wird es weiter geben, aber indem er die Glaubwürdigkeit des Versprechens, Europa zu verteidigen, so weit untergräbt, dass jemand wie Putin das Gefühl hat, er kann was riskieren, dass es eine Gefahr. Und die zweite Gefahr ist, dass Donald Trump dieses System in Amerika, das demokratische, das verfassungsmäßige System so weit untergräbt, dass Amerika permanent dysfunktional und destabilisiert ist. Und das ist auch für Deutschland ein Problem. Denn Amerika ist nach wie vor der wichtigste Staat in der Welt und Deutschlands wichtigster Verbündeter.

00:12:33: Florian Harms: Aber wie kommt es, dass dieser Populismus so erfolgreich geworden ist? Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa? In Frankreich etwa sehen wir das jetzt in Deutschland mit AfD und bsw.

00:12:44: Peter Neumann: Ja, ich glaube, wir haben in den letzten, im Prinzip in Amerika angefangen mit der Finanzkrise 2008. Danach haben wir den Aufstieg der Tea Party gehabt. Das war diese, dieser populistische Flügel der Republikaner. Und man kann im Prinzip sagen, die Tea Party repräsentiert heute die Republikanische Partei, also die Tea Party, die eigentlich eine eine Minderheit war in der Republikanischen Partei. Die ist jetzt der Mainstream. Und auch in Europa haben wir natürlich den Aufstieg der Populisten. Und all das ist eigentlich von denselben Faktoren verursacht viele Krisen, große Veränderung, große Spaltung in der Gesellschaft und Leute, die sich abgehängt fühlen, die untere Mittelklasse, die noch was zu verlieren hat, weiße, alte Männer. Wir machen uns lustig über die, aber von denen gibt es viele, die. Auch zur Wahl. Und die fühlen sich von Donald Trump angesprochen. Und die fühlen sich auch von Populisten in Europa angesprochen. Und denen macht keiner aus der in Anführungszeichen liberalen Elite ein Angebot. Also um es auf den Punkt zu bringen Die liberalen Eliten in unseren westlichen Ländern, die verstehen, dass Veränderung passiert und dass die notwendig ist. Aber sie sind ganz schlecht darin, Leute mitzunehmen. Die Populisten, die wollen diese Veränderung nicht verstehen, aber sie sind sehr gut darin, Leute anzusprechen. Und das ist genau diese, diese Lücke, die existiert. Und daraus schlägt Donald Trump Profit.

00:14:08: Florian Harms: Dann interessiert mich als letzte Frage auch, weil Sie das in Ihrem Buch beschreiben: Die Gefahr, dass extreme Gruppierungen im Zuge sozialer Proteste zu einer umfassenden Bewegung zusammenfinden könnten, ist ja groß, also zu einer Massenbewegung der Extremisten. Daher die Frage: Was braucht es, um das zu verhindern?

00:14:26: Peter Neumann: Also ich glaube, es braucht ganz viel und es wird sicher nicht einfach sein. Ich glaube, es braucht sowohl auf der linken politischen Seite als auch auf der rechten politischen Seite braucht es Veränderung. Die Rechten also sage ich mal die konservative Mitte. Parteien wie die CDU zum Beispiel müssen ehrlich sein mit Leuten, müssen Leuten sagen Es gibt keine, kein kein Zurück in die Zukunft. Migration ist hier und muss auch gemanagt werden. Wir müssen ehrlich mit uns sein. Man kann nicht alle Veränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zurückdrehen. Wir müssen das aber gut machen. Das ist das, was die Rechten machen müssen. Und die Linken müssen etwas rücksichtsvoller sein und und und auf Leute zugehen, ihnen auch zuhören und sagen: nicht alles, was wir uns ideologisch vorstellen, nicht alles, was wir für gerecht halten, lässt sich sofort durchsetzen. Man hat dann Erfolg in einer Demokratie. Nicht wenn man auf seinen seinen Vorstellungen pocht, sondern wenn man möglichst viele Leute bei diesen Vorstellungen mitnimmt. Und das hat auch zum Beispiel Barack Obama Gesang. Also mehr zuhören, mehr Vorsicht. Und natürlich absolut eine Brandmauer gegenüber Extremisten. Mit denen kann es keine Kooperation und Zusammenarbeit geben.

00:15:39: Florian Harms: Keine Kooperation mit Extremisten. Herzlichen Dank für Ihre Einschätzung, lieber Herr Neumann. Sie werden uns mit Ihrer Expertise sicher auch weiterhin Ihre Einschätzungen auf t-online zur Verfügung stehen. Ich verabschiede mich und sage Gute Reise auf Ihren Weg. Tschüss!

00:15:52: Peter Neumann: Dankeschön, Herr Harms. Tschüss!

00:15:57: Florian Harms: Damit komme ich zu meinem zweiten Gast. Den kennen Sie schon. Unser USA-Korrespondent Bastian Brauns begleitet Amerikas stürmische Entwicklung seit Jahren und berichtet auf t-online darüber. Hallo Bastian!

00:16:09: Bastian Brauns: Hallo Guten, Was sage ich jetzt? Gute Nacht oder Guten Morgen. Aber ja, Guten Morgen nach Deutschland sage ich jetzt mal einfach.

00:16:16: Florian Harms: Bastian, du zweifelst daran, weil du, glaube ich, rund um die Uhr auf den Beinen bist. Ich weiß gar nicht, ob du überhaupt noch schläfst. So stürmisch sind die Zeiten. Du bist permanent im Einsatz für t-online. Was? Vergangene Woche noch auf einem NATO Gipfel. Dann hast du dich um das Attentat auf Donald Trump gekümmert. Jetzt bist du in Milwaukee auf dem Kongress der Republikaner. Was erlebst du da? Wie ist die Stimmung?

00:16:37: Bastian Brauns: Ja, genau. Ich ergänze noch ganz kurz, weil nämlich während hier der Parteitag läuft, ja gleichzeitig noch Joe Biden quasi kurz vor dem Absprung steht. Und das schwingt dann immer noch auch so mit. Ja, die Stimmung auf dem Parteitag ist für mich total spannend mitzuverfolgen, weil es meine erste sogenannte Convention, so heißt es ja hier die RNC Convention. Und das ist deswegen spannend, weil das durchaus anders abläuft, als man es so von deutschen Parteitagen kennt. Also das ist viel, viel massiver. Wir waren ja zusammen auf dem NATO Gipfel und hast die Sicherheitsvorkehrungen der Live vor Ort mitbekommen, wie massiv die waren. Auch die Überprüfungen durch den Secret Service. Ich habe fast das Gefühl, dass diese Convention hier den NATO Gipfel sogar in den Schatten gestellt hat. Das hätte ich nicht vorher gedacht. Aber auch hier alles abgesperrt und unfassbar viele Menschen, also alleine Journalisten aus der ganzen Welt sind hier tausende Journalisten angereist aus aller Welt und natürlich auch zehntausende Republikaner, die hier fröhlich feiern und bester Stimmung sind. Um ehrlich zu sein.

00:17:43: Florian Harms: Also aus der Ferne, aus Deutschland, hatten wir den Eindruck, Trump wird dort inszeniert wie eine religiöse Figur, wie ein wiederauferstandene Messias nach seinem Attentat ist. Stimmt dieser Eindruck oder wie nimmst du das wahr?

00:17:56: Bastian Brauns: Der Eindruck stimmt. Ich würde sagen, das eher schon vor dem Attentat, als Messias oder als Gott gleiches Wesen versucht wurde zu inszenieren. Es gab da so einen Kampagnenfilm, in dem gesagt wurde Ja, und so schuf Gott Trump und das war so ein Slogan, der da drin vorkam. Aber dieses Attentat hat natürlich diese Erzählung noch deutlich verstärkt. Also es war viel Thema und man muss ja auch dazu sagen, wir dürfen das auch nicht nur so abtun. Es ist natürlich auch einfach eine schlimme Sache gewesen. Und es stimmt natürlich auch, dass er Familienvater und Großvater ist und das berührt die Leute natürlich, die ihn toll finden. Und das kann man ja bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehen. Aber das wird natürlich auch politisch ausgeschlachtet.

00:18:49: Florian Harms: Es wird politisch ausgeschlachtet und hat natürlich auch Trumps Rolle verändert. Nimmst du ihn nach diesem Attentat anders wahr? Ich frage auch deshalb, weil er ja zu Beginn seiner Rede eher versöhnliche Töne angeschlagen hat.

00:19:03: Bastian Brauns: Genau. Also ich würde noch ergänzen, wie ich ihn wahrnehme. Das, weil es wie gesagt mein erster Parteitag war in den USA, dass er sich auch so ein bisschen als königsgleich da inszeniert. Ja, weil da gibt es so eine Loge, wo die Familie dann sitzt und diese Familie ist riesengroß. Es ist ein riesiger Clan, also ähnlich wie die Royals residieren die da an, da kann er auch jeden Abend dann und hat sich huldigen lassen. Und genau also. Aber eine Frage zielte darauf ab, ob er als anders rüber kommt nach diesem Attentat. Und ich hab mich ja auch mit Kollegen unterhalten und alle hatten irgendwie gesagt ja, wirkt er anders, Irgendwie wirkt er ruhiger oder nachdenklicher oder so, ich bin damit nur immer ein bisschen vorsichtig, weil das sind ja auch Zuschreibungen, die wir der Person geben. Ich weiß nicht, wie er sich fühlt, natürlich sich fand, er wirkte irgendwie langsam. Er ist auch relativ langsam die Treppen rauf und runtergelaufen. Ich fand es. Bei der Rede waren seine Bewegungen auch ziemlich langsam und er hat nicht so laut gesprochen oder so anfeuernd, wie ich ihn schon oft erlebt habe. Aber seine Reden waren schon immer sehr lang. Also das waren auch wieder 90 Minuten, manchmal auch zwei Stunden. Und da kippst du echt fast selbst aus den Latschen und da wundert mich das auch nicht wenn er da ab und zu ein bisschen selber langsam wird.

00:20:25: Florian Harms: Dann wollen wir mal sehen, wie das weitergeht. Und jetzt müssen wir aber unbedingt noch mal auf den anderen Kandidaten schauen. Ich sage mal dazu, wir nehmen diesen Podcast am Freitagmorgen auf und es ist Stand jetzt nicht gesichert, dass wenn der Podcast am Samstagmorgen erscheint, Joe Biden immer noch Kandidat der Demokraten ist. Denn in den vergangenen Stunden haben sich die Zeichen gemehrt, dass er möglicherweise doch die Kandidatur übergeben könnte an eine jüngere Person. Joe Biden ist geschwächt. Er ist gebrechlich. Er ist jetzt auch noch an Covid erkrankt und es gibt sehr viele hochrangige Demokraten, die ihm mittlerweile sehr deutlich nahelegen, dass es jetzt höchste Zeit ist, die Kandidatur weiterzugeben, weil sie es ihm nicht zutrauen. Jetzt gehen wir mal davon aus, Bastian, dass das so kommt, weil ich glaube, es liegt auf der Hand, dass das in den nächsten Stunden oder Tagen der Fall sein könnte, dass er die Kandidatur übergibt. Was käme denn dann auf die Demokraten und auf Amerika zu? Das ist ja eigentlich ein beispielloser Vorgang, so dreieinhalb Monate vor einer Wahl.

00:21:27: Bastian Brauns: Ja, auf jeden Fall. Aber es ist so, das ist es erst mal ein beispielloser Vorgang, weil es ja auch ein Präsident ist, der ja noch im Amt ist. Und normalerweise ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der versucht, zur Wiederwahl anzutreten. Ich glaube mich zu erinnern, dass der letzte Präsident, der so ein Problem hatte, Jimmy Carter war. Der wurde auch angezählt und hat dann eben von der Partei wurde abgelehnt und er hat dann aber am Ende auch verloren. Genau. Was kommt auf die Demokraten zu? Das ist nicht ausgemacht. Das hängt davon ab, wie dann diese dieser Machtübergang im Prinzip organisiert wird. Also im Prinzip in der Reihenfolge müsste eigentlich Kamala Harris kommen, aber ich bin da so im Zweifel, ob das wirklich dazu kommen wird, weil es gibt ja Leute, die auch Interessen haben, die auch vielleicht dran wollen und es kann gut sein, dass auch eine Art Chaos ausbricht. Also ich habe ja hier auf dem Parteitag auch mit dem USA-Experten Julius van de Laar gesprochen und der sieht in dem Chaos sogar eine Chance. Da bin ich ein bisschen zurückhaltend, aber er sieht in dem Chaos eine Chance, dass das so eine reinigende Wirkung haben könnte, wenn man es gut organisiert, dass man dann halt über die Transparenten noch mal so ein schnelles Kandidatenrennen macht und dass dadurch dann eben am Ende ein besonders starker Kandidat oder Kandidaten Duo dabei rauskommen kann. Aber was ich noch sagen muss Die Zeit reicht eigentlich noch. Also es gab ja auch schon Parteitage, die früher stattgefunden haben und da, wo die Primaries länger, also die Vorwahlen noch länger gingen und die Zeit dazwischen kürzer war. Aber es ist jetzt schon knapp, es muss schnell gehen. Das ist überhaupt keine leichte Aufgabe.

00:23:03: Florian Harms: Ja, wenn wir jetzt mal davon ausgehen, es kommt so und wer auch immer wird neue Kandidatin oder Kandidat der Demokratischen Partei, wie kann ich mir das dann vorstellen, was dann rund um die Wahl auf uns zukommt? Bastian Dann haben wir ja die Situation. Wir haben den Trump, der jetzt wirklich seine Anhänger hinter sich geschart hat. Wir haben eine unruhige, demokratische Partei, vielleicht belebt durch einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin. Dann kommt es zum diesem Wahltag am 5. November Das gespaltene Amerika Start da drauf und dann wird es einen Sieger oder eine Siegerin geben. Rechnest du damit, dass es rund um diese Wahl wer auch immer dann gewinnen magister, zu gesellschaftlichen Konflikten kommen könnte, die vielleicht sogar so brutal wären wie damals der Sturm auf das Kapitol in Washington.

00:23:51: Bastian Brauns: Na ja, also das ist auf jeden Fall nicht ausgeschlossen. Also das kann man jetzt nicht verallgemeinern auf das ganze Land, auch wenn das ganze Land gespalten wirkt. Aber es gibt eben einfach Gruppen, die zu allem bereit sind und die hören eben auf bestimmte Stichworte, diese sogenannten. Dann nennt man es ja auch, wenn dann wie Trump in irgendeiner Rede vom Blood Bath redet, dann kann das schon sich damit rausreden, dass er damit irgendwie das ...

00:24:16: Florian Harms: Also vom Blutbad.

00:24:18: Bastian Brauns: Genau.

00:24:18: Florian Harms: Dann verstehen die das als Aufruf. Okay.

00:24:20: Bastian Brauns: Genau. Und er hat es vielleicht nicht so gemeint, aber vielleicht doch. Wer weiß, am Ende redet er sich wieder raus. Aber das kann schon passieren. Und wie gesagt, es sind viele Waffen in dem Land. Ich habe auch neulich diesen Film gesehen "Civil war" - den kann ich wirklich empfehlen, auch in Deutschland, in den Kinos.

00:24:37: Florian Harms: Wie heißt der Film?

00:24:39: Bastian Brauns: Civil War, also Bürgerkrieg

00:24:40: Florian Harms: Civil War? Ah, der Film über den amerikanischen Bürgerkrieg.

00:24:43: Bastian Brauns: Genau. Aber eben nicht über den damaligen, sondern über einen, der kommen konnte. Und ich fand den überhaupt nicht reißerisch oder so Blockbuster Hollywood mäßig, sondern ich fand ihn eigentlich ziemlich gut gemacht. Und der auch diese Verzweiflung, die entstehen kann, weil man einfach nicht mehr weiß, wo oben und unten ist und in welches Lager man gehört, weil einfach alles nur noch Chaos ist und man nichts mehr glauben kann. Das hat schon sehr viel Beklemmung ausgelöst und ich glaube, dass die Gefahr wieder besteht. Man muss es nicht heraufbeschwören und vor allem nicht herbeireden. Aber man muss sich darauf gefasst machen, dass hier einiges am Köcheln ist.

00:25:20: Florian Harms: Nicht herbeireden ist ein wichtiges Stichwort, denn auch wir Journalistinnen und Journalisten müssen ja uns immer wieder zusammenreißen, dass wir nicht nur über Eskalation schreiben und sprechen. Es kann ja auch sein, dass so eine polarisierte Wahl glimpflich verläuft. Und das möchte ich auch noch mal dazu sagen. Auch da gucken wir natürlich hin. Wir reden auch mit vernünftigen Menschen. Bastian Du unterhältst dich mit vernunftbegabten Politikern in Amerika, und das ist natürlich auch ein großer Teil der Wirklichkeit, die wir abbilden wollen. Zum Schluss interessiert mich aber noch etwas anderes. Du hast ja vor Ort auf diesem Nominierungsparteitag auch deutsche Politiker getroffen. Was machen die denn da?

00:25:58: Bastian Brauns: Ja, also das ist natürlich, weil Amerika alle interessiert, auch so fast schon, wie soll man sagen. Und so ein Ausflug, Ausflug, Ausflugsziel. Für politisch interessierte Menschen ist das schon immer ein großes Ziel gewesen, herzukommen. Aber dieses Mal war das, glaube ich, weil die Sorge so groß ist, dass ein Trump Regierung im November wieder gewählt werden könnte, dass sehr viele Leute diesmal hier waren. Und ich habe Leute von der CSU getroffen, von der CDU, von der SPD, von der FDP. Das waren alle möglichen Leute da, die versucht haben, sich hier ein Bild zu machen, was hier abgeht. Und die haben natürlich nicht nur die reden sich anhört, sondern wir haben auch in den ganzen Events, in den Zeit Events, die sie gibt oder in irgendwelchen Hotelzimmern, wo Treffen stattfinden, versucht, so nah wie möglich an Donald Trump ranzukommen und an Mitarbeiter, die die halt nah an ihm dran sind. Sie Ich weiß von niemandem, der Donald Trump persönlich getroffen hat oder auch nicht mal den Vizepräsidentschaftskandidaten. Aber meistens läuft es dann so über drei Ecken. Also dann versucht man eben, sich ranzupirschen an einen Senator wie zum Beispiel den Senator Lindsey Graham, der eben relativ nah an Trump dran ist, aber der eben auch gut vernetzt ist nach Deutschland. Der ist auch öfter Gast bei der Münchner Sicherheitskonferenz zum Beispiel ist schon gewesen und die man versucht einfach vorzufühlen, um im Falle einer Machtübernahme so gut wie möglich gewappnet zu sein und zu erspüren, was so eine Trump Regierung wollen würde oder was sie gut finden könnte.

00:27:26: Florian Harms: Das ist sicherlich nicht die schlechteste Idee, da ein bisschen vorzubauen. Und damit danke ich dir, lieber Bastian, für deine Einordnungen. Wir freuen uns auf deinen nächsten Text und Videos, aber gönn dir bitte zwischendrin auch mal ein Päuschen. Der Wahlkampf geht ja noch dreieinhalb Monate. Danke, dass du dabei warst.

00:27:43: Bastian Brauns: Ich habe jetzt erst mal Urlaub. Tatsächlich und freue mich drauf. Oregon und Washington als Staat klingt wunderbar.

00:27:50: Florian Harms: Da gönnen wir dir eine frohe Zeit. Und auch ich liebe Hörerinnen und Hörer, werde mir ein kleines Päuschen gönnen. Aber der Tagesanbruch geht natürlich weiter. Es gibt ja noch viele andere tolle Autorinnen und Autoren, die schreiben. Für heute sind wir erst mal am Ende dieser Folge des Tagesanbruch Amerika Updates angekommen. Ich bedanke mich herzlich bei meinen beiden Gästen Bastian Brauns und Peter Neumann und bei Lisa Raphael für die Produktion. Wenn Sie Fragen zu unserem Gespräch haben, dann schreiben Sie uns eine Email an podcast@t-online.de. Und wenn Sie mögen, dann abonnieren Sie den Tagesanbruch Podcast. Das geht auf vielen Plattformen, zum Beispiel wie Spotify oder Apple Podcasts. Ich sage Vielen Dank fürs Zuhören, Tschüss und bleiben Sie uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert – am Wochenende in einer tiefgründigeren Diskussion zu einem aktuellen Thema der Woche. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: podcasts@t-online.de

Den Tagesanbruch gibt es auch zum Nachlesen unter https://www.t-online.de/tagesanbruch

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von und mit Florian Harms

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