Tagesanbruch von t-online

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00:00:02: Johannes Bebermeier: Aufgeben ist eben auch keine Option, weil niemand Putin vertraut.

00:00:07: Florian Harms: Die Frage ist natürlich Was bedeutet Krieg gewinnen?

00:00:10: Johannes Bebermeier: Das ist ein Eingeständnis eines Versagens in diesem Fall.

00:00:16: Lisa Fritsch: Hallo und herzlich willkommen zu Tagesanbruch Die Diskussion für das Wochenende vom 4. Mai 2024. Ich bin Lisa Fritsch, moderiere dieses Format und diesmal blicken wir auf die Lage in der Ukraine. Der US-Kongress hat sich endlich nach monatelangem Ringen auf weitere Milliardenschwere Militärhilfe geeinigt. Die Attacke mit Raketen hat Kiew daraus schon erhalten. Ist die Ukraine jetzt gerettet? Und Wirtschaftsminister Habeck will die Rüstungsproduktion in Deutschland stärker ausbauen. Wie rechtfertigt er das als Grünenpolitiker? Und kommt das nicht eigentlich schon viel zu spät?

00:00:57: Lisa Fritsch: Und für die Diskussion begrüße ich zum einen t-online-Chefredakteur Florian Harms.

00:01:01: Florian Harms: Hallo, ich freue mich auf die Diskussion.

00:01:03: Lisa Fritsch: Und zum anderen unseren politischen Reporter Johannes Bebermeier.

00:01:06: Johannes Bebermeier: Hallo, vielen Dank für die Einladung.

00:01:08: Lisa Fritsch: Bevor wir auf die Auswirkungen der amerikanischen Hilfslieferungen kommen, blicken wir erst mal auf die Frontlinie. Nächste Woche ist ja der 9. Mai in Russland, der Tag des Sieges des Sieges über Nazideutschland. Ein wichtiger Tag für Putin und seine Kriegspropaganda. Wie hat sich denn die Frontlinie in den letzten drei Monaten verändert? Hat Putin das erreicht, was er wollte?

00:01:30: Florian Harms: Ja, an der Front geht es dynamisch zu. Es ist nicht mehr so, dass das eine festgefahrene Situation ist wie noch im vergangenen Jahr, sondern die Russen sind jetzt langsam und unter großen Verlusten auf dem Vormarsch. Wenn man da genauer draufschaut, dann ist das kein kluges taktisches Verhalten, sondern kurz gesagt werfen sie sehr viele Menschen, sehr viele Soldaten, an einzelnen Punkten in die Schlacht. Viele sterben dabei, viele werden verwundet. Aber weil es eben eine Übermacht allein an Menschen gibt und auch an Waffen. Gelingt es ihnen dann schon, einzelne ukrainische Verteidigungslinien zu durchbrechen? Und wir haben beispielsweise in der Umgebung von Awdijiwka im Osten des Donezk-Gebiets gesehen, dass die Ukrainer da gezwungen werden, wirklich auf die letzten Verteidigungslinien sich zurückzuziehen, die sie in den vergangenen Wochen hastig ausgehoben haben. Also, man kann schon sagen, die ukrainischen Linien, die ukrainische Armee ist massiv unter Druck, und es fehlt ihr wirklich an Material, an Munition, vor allem aber an Soldaten.

00:02:34: Lisa Fritsch: Also die Ukraine ist massiv unter Druck, sagst du. Geholfen hat da aber auch die monatelange Hängepartie am US-Kongress nicht. Aber vergangene Woche kam eben endlich die Entscheidung für die Waffenlieferungen mit einem Umfang von 61 Milliarden Dollar. Wir haben schon kurz in unserer Podcastfolge zur Auswahl vergangene Woche mit unserem Korrespondenten in Washington darüber geredet. Die Folge verlinke ich Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, gerne auch noch mal in den Shownotes. Aber wir wollen jetzt hier auch noch mal ausführlicher über diese historische Entscheidung sprechen. Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete diesen Meilenstein beim EU Außenministertreffen in Luxemburg wie folgt.

00:03:10: Annalena Baerbock (Quelle: WELT TV auf YouTube): "Nach der wichtigen Abstimmung im US Kongress haben wir endlich eine Situation erreicht, dass die Herzen der beiden wichtigsten Ukraine Unterstützer der Europäer und der Amerikaner wieder im gleichen Takt schlagen. Das ist nicht nur ein guter und wichtiger Moment für die Ukraine, sondern es ist auch ein wichtiger Moment für die Sicherung der europäischen Friedensordnung."

00:03:36: Lisa Fritsch: Und auch die EU hat sich ja im Februar, wir erinnern uns, auf einem Sondergipfel auf 50 Milliarden Euro Finanzhilfe geeinigt. Also wirklich sehr viel Geld jetzt, das aus den USA und aus der EU kommt. Ist denn die Ukraine damit jetzt gerettet?

00:03:51: Johannes Bebermeier: Ich würde sagen, das kann man klar verneinen. Ich war ja mit Vizekanzler Robert Habeck zu einer Zeit in der Ukraine, als sozusagen diese Entscheidung im US Kongress kurz bevorstand. Da war immer so die Rede oder den Eindruck, den man gewann, als da Leute drüber gesprochen haben Es ist. Es ist die notwendige Bedingung, dass es überhaupt ja gut für die Ukraine ausgehen kann. Aber hinreichend ist das Ganze eben lange noch nicht. Und die andere Sorge war wenn dieses Paket dann kommt, dass sich dann vielleicht die europäischen Kräfte, die europäischen Partner ausruhen könnten auf diesem 61 Milliarden Paket. Und dass es eben nach allem, was man weiß, was man dort erlebt hat, gehört hat. Das kann auf keinen Fall die Lösung sein, weil dann, dann reicht es einfach nicht. Auch weil dieses Paket ist ja nicht so, dass die 61 Milliarden in Waffen jetzt auf einmal übermorgen da sind, sondern einige. Das ist erwähnt, einige kommen schnell. Andere müssen aber jetzt halt auch erst produziert werden. Und das die USA sind da wahrscheinlich ein bisschen schneller als Deutschland, aber auch das dauert Monate, zum Teil Jahre.

00:05:04: Lisa Fritsch: Ja, dann lass uns doch noch mal auf diese europäischen Partner schauen und auch Deutschland, das es gerade erwähnt, wie ich es auch schon der Moderation gesagt hat. Die Attacken Raketen hat Kiew jetzt schon aus diesem Hilfspaket der USA erhalten und auch Verbündete wie Großbritannien und Frankreich haben ja schon mit ihren Storms Shadow bzw Skalp Marschflugkörpern geliefert. Erhöht sich damit jetzt nicht auch der Druck auf Deutschland, endlich auch die Taurus Marschflugkörper herauszurücken?

00:05:31: Florian Harms: Ich glaube, diese Debatte über den Taurus ist eine Scheindebatte, die wir hier in Deutschland führen, in den Talkshows, im Bundestag, in politischen Zirkeln, um ein Thema zu haben, das irgendwie greifbar ist und um ein Streitobjekt zu haben. Manche sind für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine, andere sind dagegen. Und das lässt sich eben an dieser einen Waffe festmachen, von der der Kanzler einmal klargestellt hat Die wird nicht geliefert. Ich stehe auf dem Standpunkt Wenn das die Entscheidung ist, dann ist das auch zu akzeptieren. Wir haben ja hier im Podcast vor einigen Wochen auch schon mal über die Vor und Nachteile dieser Waffe diskutiert. Ich glaube nicht, dass der Taurus den Ausschlag geben kann, dass die Ukraine jetzt große Fortschritte machen kann bei der Verteidigung ihrer Linien. Was sind gerade die drei Probleme der Ukraine? Das sind einmal, ich habe es gerade gesagt, fehlende Soldaten, viel zu wenig Soldaten, weil die nicht schnell genug eingezogen worden sind. Weil das Rekrutierungsalter lange bei 27 Jahren lag, erst jetzt auf 25 gesenkt wurde. Schlimm genug, dass diese jungen Menschen dort jetzt in den Krieg ziehen müssen. Aber es gibt einfach auch in der Ukraine, in der demografischen Entwicklung das Problem, dass es nicht so viele junge Menschen gibt. Das zweite Problem sind fehlende Artilleriegranaten, und die braucht die Ukraine dringend. Die haben wirklich massiv gefehlt in den vergangenen Monaten. Da hatten die Russen viel, viel mehr, was sie verschießen konnten. Wahrscheinlich im Verhältnis von sieben zu eins oder zehn zu eins gegenüber den Ukrainern. Da ist jetzt zu hoffen, dass die geliefert werden, nicht nur von den Amerikanern, sondern zum Beispiel auch von der Tschechischen Republik, die in einer sehr unkonventionellen Art und Weise weltweit Material aufgekauft hat und versucht, das jetzt schnell zu liefern. Die ersten Lieferungen sollen in den nächsten Wochen kommen. Der dritte Punkt, der den Ukrainern wirklich zu schaffen macht, sind die Gleitbomben. Das haben die Russen perfektioniert. Das sind Bomben, die eben nicht über ukrainischem Gebiet abgeschossen werden von russischen Kampfjets, sondern noch über russischem Gebiet. Also die Kampfjets sind dann schwer zu attackieren und dann fliegen die durch die Luft und finden relativ präzise ihr Ziel. Wenn so eine Gleitbombe ein Wohnhaus trifft oder ein Bunker oder eine Kaserne der Ukraine, dann ist da nichts mehr außer einem Krater. Und wir hören eben aus der Ukraine, dass der Terror durch diese Gleitbomben wirklich viele, viele Menschen zutiefst verunsichert und auch an der Front für große Probleme sorgt. Diese Gleitbomben kann man auch nicht mit dem Taurus bekämpfen, da muss man sich was anderes einfallen lassen.

00:07:53: Lisa Fritsch: Noch mal kurz auf den Aspekt Artillerie. Da hat nämlich US Präsident Biden auch noch mal zusätzlich 1 Milliarde $ Hilfslieferungen versprochen letzte Woche. Auch Flugabwehrraketen Systeme vom Typ Patriot wurden zusätzlich zu den 61 Milliarden versprochen. Noch mal die Frage Florian und deine Einschätzung Ist die Ukraine damit nicht jetzt schon gerettet?

00:08:11: Florian Harms: Nein, sie ist nicht gerettet. Ich sehe das genauso wie Johannes. Es ist ein ganz wesentlicher Schritt, dass das, was jetzt geliefert wird, vor allem eben Artillerie, Munition und Luftabwehr. Du hast die Patriots erwähnt. Es gibt auch noch andere Systeme, Haimars und wie sie alle heißen. Die werden ganz dringend gebraucht jetzt. Aber das hilft vielleicht, dass die Ukraine die Front stabilisieren kann und dass sie dafür sorgen kann, dass eben dieser Terror aus der Luft die Bevölkerung nicht permanent weiter zermürbt, sodass auch die Bereitschaft permanent abnimmt, sich überhaupt dem Feind entgegenzustellen. Das sehen wir nämlich auch in der Entwicklung. Viele Menschen sind so frustriert, so zermürbt, so am Ende mit ihrer Kraft, dass ihnen vielleicht. Der Widerstandsgeist mittlerweile auch abhanden kommt. Und dagegen hilft eben die Hilfe, die jetzt kommt in Form von Waffen.

00:08:57: Lisa Fritsch: Und Johannes, du hattest gesagt, es könnte sein, dass die europäischen Partner sich jetzt darauf ausruhen. Wie sind deine Befürchtungen da jetzt auf die nächsten Wochen? Meinst, es könnte wirklich passieren?

00:09:08: Johannes Bebermeier: Na ja, diese Diskussion gibt es natürlich in Teilen auch in Deutschland ist ja die Diskussion wie viel müssen wir eigentlich, Müssen wir unsere Hilfe noch mal aufstocken oder nicht? Und da gibt es auch in der Bundesregierung durchaus in Nuancen unterschiedliche Haltungen. Ich meine, wir geben im Moment in diesem Jahr sieben Milliarden. Das ist für ein Land wie Deutschland nicht nichts. Aber wir haben einen Haushalt, der deutlich drüber liegt mit einem dreistelligen Milliardenbetrag über 500 Milliarden Euro. So, und sind da sieben Milliarden wirklich genug, um der Ukraine zu helfen? Das ist auch auf der Reise mit mit Robert Habeck in die Ukraine durchaus deutlich geworden. Habeck gilt ja und ist auch jemand, der eigentlich mehr tun will. Er rechtfertigt das dann immer so, dass er sagt Wenn wir wirklich glauben, dass der Kampf, den die Ukraine gerade kämpft, ein Kampf auch für die europäische Friedensordnung ist, dann müssen wir doch alles dafür tun, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Und sein Schluss ist dann. Dann müssen wir eben diesem Ziel die finanziellen Mittel unterordnen. Sie müssen sozusagen so viel geben, wie es braucht, um dieses Ziel zu erreichen. Und aus seiner Sicht, das kann man schon so sagen, sind halt diese sieben Milliarden 2024 einfach nicht genug.

00:10:27: Lisa Fritsch: Aber trotzdem stellt sich für mich gerade die Frage irgendwie wie viel reicht es noch? Ist überhaupt noch die Chance da, dass die Ukraine gewinnen kann? Also wir hatten jetzt angesprochen Putin ist auf dem Vormarsch, die Ukraine ist massiv unter Druck. Und gleichzeitig schwingt auch immer diese Vertrauensfrage bei der Unterstützung der Ukraine mit. Auch schon bei der Entscheidung zu Beitrittsverhandlungen zur EU Ende vergangenen Jahres war vor allen Dingen die Korruption ein Thema in dem Land. Und diese Woche hat das auch noch mal der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, angesprochen und Präsident Zelensky dafür scharf kritisiert. Er würde nicht genug tun dagegen. Auch die politische Führung und der Zusammenhalt unter Politikern in der Ukraine lässt zu wünschen übrig, so Klitschko in einem Interview mit der Funke Mediengruppe. Was sagt das denn über den Zustand der Ukraine aus?

00:11:14: Florian Harms: Na, das ist hoch prekär. Aber das ist ja auch kein Wunder. Ein Land, das jeden Tag beschossen wird, wo es jeden Tag Tote zu beklagen gibt. Und zwar nicht nur an der Front, sondern auch unter Zivilisten. Ein Land, das fürchten muss, dass es von Putins imperialistischen Regime aufgefressen wird, dass es so massiv unter Druck, dass da natürlich auch Konflikte auftreten können. Zu Beginn des Krieges haben wir gesehen, dass die ukrainische Bevölkerung, auch die Politikerkaste, sich wirklich bewundernswert zusammengerissen hat. Die sind nicht alle weggelaufen, was Putin ja erwartet hatte, sondern sie haben sich dem Feind entgegengestellt und haben geschlossen gesagt Wir halten zusammen, wir verteidigen uns. Je länger dieser Krieg dauert, desto schwieriger wird natürlich auch die Situation und desto mehr Konflikte brechen auch auf. Natürlich gibt es massenhaft Korruption in der Ukraine, das ist ein Riesenproblem. Es gibt aber auch den erklärten Willen vieler Politiker, das zu ändern und eben Gesetze zu erlassen, die es dann irgendwann ermöglichen, immer näher zum Beispiel an die Europäische Union heranzurücken. Du hast gefragt, ob die Ukraine in der Lage sei, den Krieg zu gewinnen. Die Frage ist natürlich Was bedeutet Krieg gewinnen, wenn man darunter versteht, dass die Ukraine alle von den Russen besetzten Gebiete zurückerobert, einschließlich der Pseudorepubliken, die Putin schon auf ukrainischem Gebiet gegründet hat, schon vor dem Februar 2022, auch einschließlich der Krim. Dann muss man realistischerweise sagen, dieses Ziel ist nicht schnell zu erreichen. Und das wäre allenfalls auf Jahre hinaus. Vielleicht irgendwann, wenn es kein Putin mehr gibt und man wieder mit einem vernünftigen russischen Machthaber verhandeln kann, ansatzweise Verhandlungsmasse, dass man darüber reden kann. Gegenwärtig wäre es, glaube ich, schon ein großer Erfolg, wenn die Ukrainer in der Lage wären, sich dauerhaft zu verteidigen, die Russen ein Stück weit zurückzudrängen und vor allem diese tägliche Gefahr zu bannen, dass man nicht mehr die Situation hat, dass wirklich täglich Menschen nicht nur an der Front, sondern auch in den Städten viele Zivilisten zu Schaden kommen in diesem Krieg.

00:13:14: Johannes Bebermeier: Ich glaube tatsächlich, dass es ein super wichtiger Punkt, die die Luftverteidigung, die einfach Russland hat eine Lufthoheit ist. Schlagen immer wieder Raketen ein. Wir waren zwei Tage in der Ukraine und an einem Tag. Wir sind um 4:40 Uhr mit Luftalarm aufgewacht in Kiew, sind dann in den Süden gefahren, wo die Front ja näher kommt. Und dort haben wir zum Beispiel ein Krankenhaus besucht. Da waren wir ungefähr eine Stunde und mussten zweimal in den Luftschutzkeller. Und Leute, die es einschätzen können, die ich gefragt habe Ist das eigentlich hier normal, dass so die Frequenz, mit der man hier einfach tatsächlich sich in Sicherheit bringen muss, zu. Ja, also für diese Region ist das komplett normal. Und wie gesagt, wir waren zwei Tage da. Ich konnte mir schon sehr, sehr gut vorstellen, was das mit Menschen macht, wenn sie einfach selbst in Kiew, wie gesagt nachts. Das war so tatsächlich. Man konnte das in dieser App, die es dort gibt, sehen. Es ist im Grunde fast jeden Tag war in dieser Zeit in Kiew Luftalarm und eben vor allen Dingen zu so Zeiten, wo man eigentlich nicht in den Keller möchte, nämlich um 4 Uhr 40.

00:14:23: Lisa Fritsch: Vor allen Dingen wenn man Krankenhaus denkt, die können ja gar nicht den richtigen Betrieb damit waren und da ja.

00:14:29: Johannes Bebermeier: Das kann die schon. Das war natürlich auch ein Beispiel von so einem Krankenhaus. Was tatsächlich? Ich glaube, Sie haben gesagt, einen Tag, selbst in der Phase, als dort tatsächlich quasi die Front war in der Region. Nikola Jetzt auch in der Zeit, wo da also wirklich noch Kämpfe waren, es ist jetzt inzwischen nicht mehr so, haben die einen Tag, hatten sie gesagt, nach einem Raketenangriff, der tatsächlich irgendwie zwei Gebäude komplett zerstört hat, nur einen Tag Pause gemacht. Also sie sind schon bewundernswert. Allerdings klar, das mit der mit den Luftangriffen, dass das zermürbt, das kann man sich wirklich sehr gut vorstellen, wenn man das mal ein, zwei Tage erleben muss. Und das führt nun zu einem zweiten Punkt Uranus, die die Widerstandsmoral, die es ja gab, gerade am Anfang angesprochen. Das war natürlich auch ein Thema auf der Reise und es ist jetzt wenig überraschend, dass offizielle Gouverneure sagen, Aufgeben ist keine Option. Allerdings, was schon auch beachtenswert war, selbst die sagen inzwischen Eigentlich hat niemand mehr richtig, richtig Lust. Eigentlich können alle nicht mehr, sind zermürbt. So allerdings ist dann immer tatsächlich die Conclusio Aufgeben ist eben auch keine Option, weil niemand Putin vertraut. Weil das Angesprochen vor dem Februar 2022 schon klar ist, was was eigentlich passiert, wenn sozusagen Gebiete abgetreten werden müssen, wenn da Scheinrepubliken aufgebaut werden? Was passiert, wenn man sich sozusagen unter russische Herrschaft begibt? Und das will eben auch keiner. Und deswegen ist dieses nicht aufgeben wollen ist schon immer noch da. Aber es ist natürlich sehr, sehr gestresst und das ist auch was, was uns dort Korrespondenten, also deutsche Korrespondenten, die einfach länger da sind, die einfach auch sich bessere Beziehungen als wir das in zwei Tagen konnten, zu in der Bevölkerung aufbauen können und die dann auch mal ein offenes Wort von denen bekommen. Die bestätigen das durchaus auch. Alle sind müde, alle sind kaputt. Keiner hat mehr Bock auf diesen Krieg. Aber aufgeben ist keine Option.

00:16:28: Lisa Fritsch: Ja, aber es ist halt auch immer noch die Frage, wie geht der Westen damit um, wie geht Deutschland damit um? Und da hat Habeck ja bei seiner Reise auch eine klare Aussage gemacht. Wir hatten jetzt im Podcast vor einigen Wochen auch Ralf Stegner, der ganz klar eine etwas andere Meinung zu dem Thema hatte und aufgerufen hat. Es braucht endlich andere Mittel als die militärischen. Wir brauchen endlich irgendeine Möglichkeit für Diplomatie, egal wie sie auch aussehen könnte. Habeck hat auf seiner Reise aber eben gesagt, dass er die Rüstungsproduktion ausbauen will. Und er hat ja auch eine kleine Wirtschaftsdelegation dabei gehabt, unter anderem den Chef der Rüstungsfirma Diehl Defence, die das Luftabwehrsystem Iris-T produziert. Und in einem Interview mit dem Fernsehsender Welt sagt er in Bezug auf diesen geplanten Ausbau der Rüstungsindustrie, dass es einfach auch kompliziert ist. Und zwar sei der Auftragsmechanismus das Problem. Wir hören mal rein.

00:17:21: Robert Habeck (Quelle: WELT TV auf YouTube): "Aber immer Auftrag bekommen, dann wurde der abgearbeitet, gewartet, nächster Auftrag usw. Es ist keine kontinuierliche Produktion und das ist das, was wir tun müssen. Ehrlicherweise was wir hätten. Vor zwei Jahren, als der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine begann, hätten tun müssen zu sagen ihr produziert jetzt nicht jedes Jahr so viele Stückzahl, sondern die dreifache oder vierfache Menge. Und wenn die Ukraine sie braucht, dann kriegt sie die. Und wenn sie die nicht braucht. Die Bundeswehr kann die auch gut gebrauchen. Und dieses Signal, das ist das, was wir jetzt geben müssen. Ich weiß, ich rede über militärische Waffen, ich rede über Rüstungsindustrie. Es ist kein Wirtschaftsgut wie irgendein anderes. Und ehrlicherweise jedes Mal stockt mir noch ein bisschen der Atem. Aber es ist notwendig."

00:18:03: Lisa Fritsch: Ja, er sagt das hier so ein bisschen flapsig, ja, sonst kriegt das einfach die Bundeswehr. So einfach ist es aber auch nicht. Man sieht da auch schon wieder die Kontroverse innerhalb der Regierung, innerhalb der Ampelkoalition. Denn Finanzminister Lindner hat jetzt schon darauf reagiert, auf das Vorhaben von Habeck und vor weiteren Schulden gewarnt. Also könnte uns da auch wieder ein weiteres Streitthema der Ampel bevorstehen. Wie rechtfertigt denn Habeck sein Vorhaben?

00:18:29: Florian Harms: Er rechtfertigt es indem er eben nahelegt, dass wir endlich mal die Situation anerkennen müssen, in der wir uns befinden. Und da trifft er einen wunden Punkt. Denn man kann ja wirklich ansehen, dass wir in Deutschland zwar mittlerweile durch die Bundesregierung ein Milliardenvermögen aufgestellt haben, Zeitenwende für die Bundeswehr wieder aufrüsten wollen, aber der Mechanismus, in dem wir uns organisieren, auch die Bürokratie organisieren und die Verbindung zwischen Regierungsauftrag und privatwirtschaftlichen Unternehmen, die dann zum Beispiel Rüstungsgüter bereitstellen sollen, ist eben noch der Alte aus Friedenszeiten. Dass man sagt So, jetzt. Bitte produziert mal 50 Panzer für einen ganz bestimmten Zweck und das macht ihr über den Zeitraum XY zu den Kosten Y und dann nehmen wir die ab und dann gefällt uns vielleicht noch nicht. Und dann soll bitte innerhalb des Panzers sichergestellt sein, dass da kein Feinstaub rumfliegt, wenn die feuern. Weil wir haben ja Feinstaubrichtlinien für die Gesundheit von Soldaten. Und bis das dann auch alles umgesetzt wird, gehen die Jahre ins Land. Das ist ein Modus, den kann man sich in Friedenszeiten erlauben, wo man vielleicht an einem anderen Ende der Welt in Afghanistan einen Einsatz hat, um einen Staat zu stabilisieren oder es zumindest zu versuchen. Das ist nicht der Modus, in dem man unterwegs sein kann, wenn man vor seiner eigenen Haustür in Europa bedroht ist von einem aggressiven imperialistischen Regime, was einfach ein Land terrorisiert und möglicherweise auch in der Lage wäre, weitere Länder zu terrorisieren. Das müssen wir umstellen, und da sind wir noch nicht. Und das kann man durchaus allen handelnden Personen hier in der Politik vorwerfen, dass wir es nicht geschafft haben, in den richtigen Modus zu kommen. Denn eine Rüstungsproduktion, die klug wäre, die die Lehren aus diesem russischen Imperialismus zöge, sähe ja nicht nur so aus, dass man einfach systematisch sagt Wir produzieren jetzt die Waffen, die es vielleicht braucht, selbst wenn wir nicht genau wissen, an welcher Stelle, sondern wir organisieren das auch mal europäisch. Das, was Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in schönen Worten vor ein paar Tagen in seiner großen Europarede an der Sorbonne Universität gesagt hat, ist ja im Kern richtig. Wenn Europa wirklich die Zeichen der Zeit erkennt und die EU Staaten sie erkennen, dann müssen wir unsere Rüstungsproduktion und auch unsere Verteidigung gemeinsam organisieren. Das sagt sich ganz leicht, ist unglaublich komplex, weil natürlich jedes Land seine eigenen Militärrichtlinien hat und seine eigenen Rüstungsproduktion und Richtlinien hat und natürlich auch ein Vorteil davon hat Wer kriegt den Auftrag, ein französisches oder deutsches Unternehmen? Aber wenn wir wirklich die Zeichen der Zeit verstünden, dann müssten wir das jetzt angehen.

00:21:02: Johannes Bebermeier: Ich sehe das ähnlich. Im Grunde ist es natürlich auch ein Eingeständnis, dass die Zeitenwende die große verkündet wurde. Es ist Jahre her inzwischen. Noch nicht wirklich umgesetzt ist. Es ist ja nicht nur die Ukraine Reise gewesen. Habeck hat einige Tage zuvor eben die Rüstungsfirmen mal in sein Ministerium eingeladen und auch andere Ministerien, Verteidigungsministerium, Kanzleramt, das sich alle mal an einen runden Tisch setzen und es jetzt tatsächlich mal angehen, dass es schneller geht, dass es schneller geht mit den Genehmigungen, dass man eben weiß, diese komplizierte, die auch kompliziert natürlich bleiben wird, das komplizierte Auftragswesen, dass eben der Staat ein Auftrag erteilen muss, dass Unternehmen nicht aufs Blaue hinaus seine Panzer sozusagen zum Schnäppchenpreis anbieten darf, Das wird. Es wird natürlich so bleiben, aber natürlich sind diese Prozesse viel, viel zu kompliziert. Und dass das jetzt erst, sozusagen Jahre nach dem Sondervermögen, ernsthaft offensichtlich angegangen wird, dass Robert Habeck die Notwendigkeit sieht, da noch mal alle an den Tisch zu holen, das ist ein Eingeständnis eines Versagens in diesem Fall.

00:22:09: Florian Harms: Und ich glaube, dass man das nicht nur dem Habeck ankreiden kann, sondern das ist tatsächlich alle, die in dieser Republik eine Verantwortung tragen, ob es jetzt in der Politik ist oder in der Industrie, vor allem natürlich der Rüstungsindustrie oder auch Menschen, deren Stimme gesellschaftlich gehört wird, die alle, wir alle, auch wir in den Medien, haben doch die Verantwortung, uns dieser Herausforderung zu stellen, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Und das ist eben noch nicht überall passiert. Wir behandeln diesen Ukrainekrieg immer noch wie einen isolierten Konflikt, der vielleicht auch in Nordafrika stattfinden könnte. Wir sehen darin als Gesellschaft noch nicht eine wirklich existenzielle Bedrohung auch für unser freiheitlich demokratisches Modell hier in Europa, im Herzen von Europa. Vielleicht übertreibe ich ein bisschen. Lisa Vielleicht gibt es Menschen, die das wirklich auch so sehen. Und wenn man der Außenministerin zuhört, das sehr eingespielt. Frau Baerbock, die adressiert das ja, die sagt das so trotzdem, Wir schaffen es noch nicht als Gesellschaft, diese Antwort wirklich zu geben. Und das sieht man an allen Fronten. Das sieht man dann dabei, dass wir eigentlich sagen ja, entweder Diplomatie oder mehr Waffen. Ja, Pustekuchen. Es braucht beides, es braucht jederzeit beides. Wollen wir jetzt Taurus liefern oder Artillerie? Wir müssen das liefern, was der Ukraine jetzt hilft, sich zu verteidigen.

00:23:22: Lisa Fritsch: Aber das finde ich interessant, dass so sagt, es geht auch beides, weil oft wird es ja in der medialen Aufmerksamkeit eben getrennt. Die ganzen Umfragen bist du für das oder für das? Aber wenn du jetzt sagst, wenn du die Gesellschaft mit einbezieht und nicht nur die Politiker, wie kann man da denn mehr Bewusstsein schaffen in diese Richtung, dass wir generell sagen, yeah mehr Rüstung oder wie soll das aussehen?

00:23:44: Johannes Bebermeier: Ja, das ist durchaus die Diskussion, die Robert Habeck versucht anzustoßen und indem er eben argumentiert genau wie du es auch getan hast, dieser Krieg, den die Ukraine führt, wenn wir den wirklich als Verteidigungskrieg für die europäische Friedensordnung sehen, dann müssen wir eben alles tun, was es braucht, um diesen Krieg zu gewinnen. Und das heißt eben in diesem Fall, jetzt erst mal Waffen zu liefern und eben mehr Waffen zu liefern aus Habecks Sicht, als wir derzeit liefern. Und da kommen wir dann immer wieder beim schnöden Geld raus mit den Haushaltszwängen, die wir jetzt gerade haben. Allein schon für diesen Haushalt mit einem 25 Milliarden mindestens Loch drin wird es halt ziemlich eng. Tatsächlich da noch mal was draufzulegen. Selbst mit dem ja im Moment noch nicht ganz ausgeschöpften Sondervermögen, aber eben doch schon weitgehend verplanten Sondervermögen. Und da ist eben das ist immer Habecks zugrundeliegende Botschaft, da müssen wir sozusagen diese Aufgabe, müssen wir die finanziellen Mittel unterordnen. Wir müssen halt, egal wie, Schuldenbremse, Aussetzung, Schuldenbremse reformieren, noch ein Sondervermögen, egal wie. Aber dieses Geld, wenn wir es ernst meinen und wenn wir wirklich glauben, dass das ein Kampf für die Friedensordnung in Europa ist, dann müssen wir das Geld irgendwie aufbringen.

00:25:02: Florian Harms: Und es geht ja nicht nur um Geld für die Ukraine, sondern es geht auch um Geld für die Bundeswehr. Ein Beispiel Deutschland hat sich verpflichtet, eine Kampfbrigade mit 5000 Soldaten dauerhaft im Baltikum zu stationieren, um die NATO Ostgrenze zu sichern. Es ist ein Riesenproblem, das zu organisieren, weil es an allen Stellen fehlt, an Material und an Geld. Und zwar Geld. Wirklich auch für den Sold dieser Familien. Die dann, also die Soldaten gehen mit ihren Familien dahin, es fehlt an der nötigen Ausstattung. Und diese Brigade wird jetzt aus ganz vielen verschiedenen Beständen der Bundeswehr zusammengestückelt, damit das irgendwie funktionieren kann. Aber das ist eine Brigade. Was machen wir denn mit allen anderen Bundeswehrstützpunkten und mit dem, was eigentlich Scholz in dem der Zeitenwende Rede formuliert hat? Dass wir wirklich in einen anderen Modus kommen müssen. Wir sind wieder attackiert hier im Zentrum Europas, von einem imperialistischen Regime. Wir müssen die richtigen Antworten geben. Wir tun es gegenwärtig nicht.

00:26:01: Lisa Fritsch: Es sind auf jeden Fall drei Knackpunkte. Also einmal dieses strukturelle Problem die Bürokratie, die Hürden, die wir haben. Auftragsmechanismus hatten wir auch schon angesprochen. Zweitens das Geld. Wir sind einfach gerade in der wirtschaftlichen Lage, die sehr kritisch ist, wo jeder Cent umgedreht wird. Und drittens, wenn wir jetzt gerade das mit der Rüstungsausbau angesprochen haben, auch die gesellschaftliche Akzeptanz, wenn Vorhaben wie von Harwerk ich meine, wir gucken auf eine sehr besondere Geschichte Deutschlands zurück. Also dieser Punkt ist, glaube ich, auch noch mal relevant in dem Erfolg Habecks Vorhaben, oder?

00:26:31: Johannes Bebermeier: Definitiv. Und das sieht er auch. Und es wird sicherlich auch eine schwierige Debatte, aber einer, die wo ich auch sagen würde die, die müssen wir führen.

00:26:42: Florian Harms: Ich glaube auch, wir müssen einfach jetzt Prioritäten setzen. Johannes, du hast es ja gerade angesprochen, wenn man mehr Geld für die Produktion von Rüstungsmaterial ausgeben möchte, muss es irgendwo herkommen. Wenn die Ampelkoalition partout nicht die Schuldenbremse lockern möchte, weil die FDP dagegen ist, wirklich vehement dagegen ist. Wenn man aber auch kein weiteres Sondervermögen schaffen will, dann muss man eben im bestehenden Haushalt Prioritäten setzen. Tun wir das schon? Ich glaube nicht. Und ich glaube, wenn ich dem Boris Pistorius, dem Verteidigungsminister, zuhöre, dann glaubt er das auch nicht. Der kämpft wirklich um jeden neuen Betrag, den er braucht, um die Bundeswehr adäquat auszustatten. Man müsste, wenn man das wirklich ernst nimmt, womit wir da gegenwärtig konfrontiert sind, in jeden Haushalt reingucken. Können wir uns zum Beispiel den Straßenausbau noch leisten, den Autobahnausbau, die Sanierung maroder Brücken. Wollen wir alles haben? Klar. Sozialleistungen, Bürgergeld, Kindergrundsicherung, alles wunderbar. Können wir es uns gegenwärtig noch leisten? Das ist ein großes Fragezeichen.

00:27:43: Lisa Fritsch: Und dann sind wir auch schon wieder fast im nächsten Wahlkampf. Oder jetzt im Europawahlkampf, wo eben Stimmen gemacht werden mit innenpolitischen Themen. Vordergründig. Und da ist es natürlich noch mal schwieriger. Aber ich denke, Prioritäten setzen ist ein ganz gutes Schlusswort für diese Diskussion. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Euch, Florian und Johannes, für eure Einordnungen, Anmerkungen oder Fragen. Können Sie uns, liebe Hörerinnen und Hörer, gerne schreiben an Podcasts Seite minus online.de. Und wenn Sie es noch nicht getan haben, abonnieren Sie gerne den Tagesanbruch Podcast, um keine neuen Folgen unserer Diskussion am Wochenende zu verpassen. Lassen Sie uns auch gerne eine Bewertung da, zum Beispiel bei Spotify oder empfehlen Sie den Tagesanbruch Podcast Bekannten weiter. Und damit bedanke ich mich fürs Zuhören bei Ihnen und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Ciao.

00:28:27: Johannes Bebermeier: Tschüss.

00:28:28: Florian Harms: Tschüss und bleiben Sie uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert – am Wochenende in einer tiefgründigeren Diskussion zu einem aktuellen Thema der Woche. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: podcasts@t-online.de

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von und mit Florian Harms

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