Tagesanbruch von t-online

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und herzlich willkommen zu Diskussionsstoff, dem Podcast von T-Online mit einer tiefgründigen Diskussion für das Wochenende vom 14. und 15. Oktober 2023. Mein Name ist Alexandra Schaller und ich führe Sie durch diesen Podcast. Israel und Gaza stehen unter Beschuss. Grund dafür ist der Angriff der Terrororganisation Hamas in der letzten Woche auf Israel. Seitdem kamen rund 1.300 Menschen in Israel ums Leben und über 3.000 weitere Menschen wurden verletzt. Durch den Gegenschlag der israelischen Luftwaffe auf Gaza starben laut dem dortigen Gesundheitsministerium mindestens 1.500 Menschen in Gaza und über 6.000 weitere wurden verletzt. Die Terrorgruppe Hamas hat auch etwa 150 israelische Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Doch wie konnte es soweit kommen? Warum war das israelische Militär nicht vorbereitet? Und gibt es Möglichkeiten für eine langfristige politische Lösung des Nahostkonflikts? Und über dieses Thema zu sprechen begrüße ich zum einen den T-Online-Chefredakteur Florian Harms. Hallo an alle,

die uns zuhören. Und zum anderen

unseren Reporter für Außenpolitik Patrick Diekmann. Hallo in die

Runde, schön wieder hier zu sein. Und

das heutige Thema hat am letzten Wochenende wohl die ganze Welt erschüttert. Die Hamas hat am 7. Oktober tausende Raketen aus dem Gaza-Streifen nach Israel abgeschossen und bewaffnete Terroristen der Gruppe griffen gezielt Zivilisten an. Zu Beginn möchte ich einsteigen mit unserem Reporter Daniel Mützel, der jetzt gerade in Israel vor Ort ist. Daniel, wie ist denn die Situation vor Ort? Patrick, Florian, ihr habt ja jetzt auch schon einige Details aus Daniels Berichterstattung mitbekommen aus dem Krisengebiet. Was glaubt ihr denn, wie es überhaupt so weit kommen konnte? Wie hat sich dieser Nahostkonflikt im Laufe der Jahre so hoch gesteigert und entwickelt, dass es innerhalb dieser ein Woche zu so vielen Verletzten und Toten gekommen ist?

Also ich finde, man kann das natürlich historisch herleiten. Der Ostkonflikt ist der komplizierteste politische Konflikt, den man sich vorstellen kann. Aber ich glaube, am Anfang müssen wir jetzt vielleicht nochmal betonen, dass diese Terrorangriffe der Hamas durch nichts zu rechtfertigen sind. Durch nichts, was in der Geschichte zuvor passiert ist. Sondern das war blanker Terror gegen Zivilisten. Und das hat nichts mit den vielleicht legitimen politischen Zielen der Palästinenser zu tun. Und jetzt mit Blick auf die Geschichte war Dieser Konflikt schwellt seit der Staatsgründung von Israel 1948, weil das ursprünglich das Gebiet der Palästinenser war, was dann von der UN aufgeteilt wurde. Die Palästinenser haben 44 Prozent des Gebietes da eigentlich bekommen. Israel sollte für seine Staatsgründung 56 Prozent bekommen. Aber es gab bisher, wie gesagt, es ist nicht gelungen. da zwei Staaten zu formen. Was auch damit begründet ist, dass viele arabische Staaten in der Umgebung sich gegen den Staat Israel aufgelehnt haben, beziehungsweise den Staat ja nicht haben wollten, ihn zerstören wollten, wieder. Dadurch gab es den israelischen Unabhängigkeitskrieg 1947, dann den Sechstagekrieg von 1967 und dadurch haben sich die Landanteile der Palästinenser und Israels immer weiter verschoben zugunsten der Israelis. Aber es kam nie zu einer palästinensischen Staatsgründung, weil auch die Palästinenser unter sich sich auch nicht einig waren. Es gab zum einen die Hamas, die seit 2007 wieder im Gaza-Streifen regiert. Es gibt aber auch die Fetah, die im Westjordanland regiert. Beide kommen aus radikalen Richtungen. Fetah hat sich einigermaßen Also es ist zur politischen Partei mehr geworden, aber selber die Palästinenser unter sich sind sich nicht einig. Dementsprechend ist es auch schwierig für den Westen und auch für Israel einen Verhandlungspartner zu finden, der für die Palästinenser spricht.

Und so Patrick, wie du betont hast, dass diese Hamas-Terrorangriffe durch nichts zu rechtfertigen sind, so muss man sicherlich auch nochmal sagen, was der Kern dieses Problems im Nahen Osten ist. Denn natürlich spielt dort die Religion eine Rolle, natürlich spielt die Wasserverteilung eine Rolle, der unterschiedliche Wohlstand. Im Kern ist das aber ein Territorialkonflikt. Beide Seiten, sowohl die Israelis, der Judenstaat, als auch die Palästinenser beanspruchen dasselbe Gebiet. Und das ist der Kern, der lässt sich so schwerlich auflösen, solange man eben nicht sagt, gebe mich mit etwas weniger zufrieden. Und das schwelt seit Jahrzehnten und eruptiert dann immer wieder in diesen fürchterlichen Kriegen und Angriffen. Und Alexander, weil du gefragt hast, wie konnte es jetzt dazu kommen, dass die Hamas so fürchterlich zuschlagen konnte? Die ersten Erklärungssätze gehen dahin, Dass zum einen die israelische Regierung sich stark mit sich selbst beschäftigt hat in den letzten Monaten. Wir erinnern nochmal an diesen Konflikt rund um die sogenannte Justizreform, die die Regierung Netanjahu dem Parlament abtrotzen wollte. Also da hat man eher interne Auseinandersetzungen gehabt, vielleicht nicht mehr so sehr den äußeren Feind geschaut. Und zum zweiten kam hinzu, dass die Regierung Netanjahu massiv den Siedlungsbau im Westjordanland fördert. und dort immer mehr Soldaten hingeschickt hat, um diese immer mehr Siedler zu schützen. Und diese Soldaten sind zum Teil auch aus dem Süden des Landes und aus der Grenzregion zum Gazastreifen abgezogen worden, um eben im Westjordanland Siedler zu schützen. Und das war sicherlich ein schwerwiegender Fehler, weshalb man dann auch nicht mitbekommen hat, wie die Hamas da aufgerüstet hat.

Selbst wenn die Hamas jetzt dieses Gebiet einnehmen, würde es dann nicht auch innerhalb der Palästinenser zu einem Konflikt kommen?

Die Hamas regiert im Gazastreifen.

Da ist

die ganz klare Macht und hat auch die Fatah, von der Patrick vorhin sprach. die dann in die Palästinensische Autonomiebehörde übergegangen ist, unterdrückt, hat die zum Teil ermordet, deren Aktionisten, hat deren Kämpfer und deren Funktionäre zum Teil ermordet. Und es ist ganz klar, in Gaza herrscht die Hamas. Dass der Mehrheit der Bevölkerung das vielleicht gar nicht gefällt, steht auf

einem anderen Blatt. Und vielleicht noch dazu. Die Hamas gibt es eigentlich nur für den bewaffneten Kampf gegen den Staat Israel. Das heißt, die Hamas braucht immer wieder eine Eskalation dieses Konfliktes. Ohne das hätte sie gar keine Existenzberechtigung. Also sie ist keine moderate Kraft, sondern sie ist für den bewaffneten Kampf gegen den Staat Israel. Und an dieser Stelle vielleicht nochmal daran erinnert, warum es den Staat Israel eigentlich gibt. Weil die Juden, Judinnen und Juden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach der Shoah, also der Urkatastrophe, dem industriellen Mord an Juden in Europa, einen staatlichen Rückzugsort brauchten. Also wo man sich in so etwas sollte nie wieder passieren. wo sich Judinnen und Juden dann in Ernstfall zurückziehen können. Und es gab keinen Judenstaat. Deswegen war das neben diesen religiösen Zielen, die Florian angesprochen hat, war das immer das Ziel der Zionisten, also jüdischen Nationalisten, dass dieser Staat gegründet wird.

Und wenn du gestattest, Alexandra, vielleicht noch ein Wort zu Hamas. Denn dieser Hass, den wir dort jetzt gesehen haben bei diesen försterlichen Terrortaten, geht zurück auf eine ganz tief verwurzelte Ideologie. Die wird religiös bemäntelt, aber eigentlich ist sie auch eher nationalistisch und aktivistisch und terroristisch. Ich gebe euch ein Beispiel. 1998 war ich in Damaskus, habe dort studiert und damals lebte noch der Scheich Ahmad Yassin. Der war damals der spirituelle Kopf der Hamas und der reiste dann durch die arabischen Länder, wurde dort hufiert wie ein Staatschef und kam dann in die große Umayyaden-Moschee in Damaskus, hielt dort Huf beim Freitagsgebet. Es waren tausende Menschen da. und hat dann eine Predigt gehalten und diese Predigt durchzog eine klare Botschaft, die da lautete, wir müssen die Juden ins Meer treiben, sprich wir müssen die alle ermorden, die müssen alle weg aus Palästina, vorher darf kein Araber ruhen. Das war blanker Terror in dieser Rhetorik und das ist über all die Jahre in vielen arabischen Staaten immer wieder gesät worden und natürlich erst recht im Gazastreifen.

Du hast gerade schon über Damaskus gesprochen. Damaskus und Aleppo wurden unter anderem jetzt auch von Israel angegriffen, waren Ziele von Luftangriffen. Und mich würde jetzt interessieren, weil Israel jetzt auch zurückgeschlagen hat, nicht nur Damaskus, nicht nur Aleppo, sondern natürlich auch Gaza. Wie ihr zu diesem Gegenschlag von Israel steht?

Ich würde es ehrlich gesagt nicht überbewerten. Also im Prinzip, Syrien steht auf der Seite des Iran und auch auf der Seite der Palästinenser in dem Konflikt. Ich konsumiere auch immer syrische Nachrichten, deswegen weiß ich, was da in den letzten Tagen los war. Da schlägt man wirklich die Hände über den Kopf zusammen. Aber es geht bei den Luftschlägen Israels meiner Interpretationsart darum, iranische Milizen auszuschalten, die oft in der Nähe von Flughäfen... Du meinst

die Schläge in Syrien vor allem? Genau. Also

wir reden

jetzt im Moment nicht über Gaza?

Ja genau, weil

ich ja auch gerade mit Damaskus angefangen

habe. Genau und Aleppo.

Ja genau und

Aleppo auch. Also in der Vergangenheit gab es öfters israelische Luftsträger, also schon vor der Eskalation jetzt im Gazastreifen, gegen iranische Milizen, die in der Nähe immer ihre Camps hatten von Flughäfen. Also ich würde das jetzt auch so lesen, dass es eher ein Schlag gegen den Iran war, weil Syrien jetzt eigentlich gerade durch die Schwäche von Assad, kein großer Player ist. Also da trotzdem...

A. Es war sicher auch eine Warnung Israels an Teheran, nicht weiter, noch weiter zu eskalieren und jetzt möglicherweise auch noch aus dem Libanon oder Syrien noch stärker Israel anzugreifen. Und die Amerikaner haben das unterstützt, indem sie einen Flugzeugträger in die Region geschickt haben und auch sehr klar gesagt haben, die Adresse insbesondere der Mullahs in Iran gerichtet, wagt es auf keinen Fall noch stärker anzugreifen. Ich

habe diese Woche einen Geheimdienstkontakt gesprochen und der hat gesagt, das ist ja der zweite Flugzeugträger in der Region, der hat gesagt, der erste Flugzeugträger ist ein politisches Signal, der zweite ist schon ganz klare Warnung. Und dementsprechend gehen die gerade davon aus, dass wenn der Iran sich weiter bewegt, dass eventuell und dahin kommen wir immer wieder zum Flächenbrand bei diesem Konflikt, dass das weitergehen könnte, dass die Amerikaner und die Israel sich überlegen könnten den Iran anzugreifen. Und das wird gerade ernsthaft im Hintergrund diskutiert, das kann ich sagen.

Und um jetzt nochmal auf die Angriffe in Gaza zu sprechen zu kommen, weil wir jetzt natürlich über den Iran gesprochen haben. Aber wie steht ihr denn zu den Angriffen auf Gaza von der israelischen Seite?

Ich denke, Israel hat auf jeden Fall das Selbstverteidigungsrecht. Und wenn die Armeespitze und der Ministerpräsident sagen, sie wollen jetzt diese Terrororganisation Hamas ausschalten, dann ist das ihr gutes Recht nach diesem Terrorangriff. Jetzt kommt ein Aber. Die Art und Weise, wie die Armeeführung dabei kommuniziert, wie martialisch davon gesprochen wird, dass keine Menschen, sondern menschliche Tiere seien, die man da zurückschlagen und zerschlagen müsse, das ist schon hochproblematisch, weil wir ja sehen, dass bei diesen Luftschlägen auch viele Zivilisten getroffen werden. Und es ist davon auszugehen, dass auch bei der Bodenoffensive viele Zivilisten zu Schaden kommen werden, leiden werden, getötet werden. Und das Ganze im Gazastreifen, der de facto seit vielen Jahren ein großes Freiluftgefängnis ist, wo mehr als zwei Millionen Menschen auf engstem Raum eingepfercht sind. Die können da nicht raus, wenn sie nicht einen ägyptischen Grenzbeamten bestechen im Süden, wo es einen Grenzübergang gibt. Das heißt, sie sind dort gefangen. Und das hat Israel so gewollt. Und deshalb gibt es schon eine Mitverantwortung für die ganze Eskalation des Konflikts in Jerusalem.

Ja und der Gaza-Streifen wurde ja jetzt auch komplett abgeriegelt, sodass jetzt wirklich die ganzen Menschen in Gaza, wie du es auch gerade gesagt hast, einfach eingesperrt sind. Also sie haben keinen Strom mehr, sie haben keinen Zugang mehr zu Wasser und da gab es ja jetzt auch schon die Ansagen, dass das eigentlich eine Verletzung des Völkerrechts ist. Seht ihr das auch so?

Ja, aber die Situation in Gaza, also dieses eingesperrt Sein, gibt es da schon viele Jahrzehnte. Also in der Zeit, wo ich oft durch Israel gereist bin und auch da unten war, man muss sich das vorstellen, da geht man dann, wenn man in Gaza streifen will, durch ein Gitternetz. Also das ist nicht nur einfach eine Mauer, sondern man muss da tatsächlich durch so Gitter laufen und das dauert teilweise, wenn die morgens viele Palästinenser aus Gaza, das vergisst man, arbeiten in Israel. Und die müssen morgens quasi über diese Grenzübergänge, die es gibt, rüber nach Israel und das dauert teilweise Stunden, also das kann man sich glaube ich in Europa gar nicht vorstellen, dann vielleicht zwei Stunden früher zur Arbeit zu fahren, um einfach dann noch durch diesen Grenzdurchgang zu kommen. Humanitär ist es natürlich eine Katastrophe, also was da passiert. Die Logik der israelischen Armeeführung ist, wenn wir denen das Wasser abdrehen, wenn wir denen keine Nahrung, keinen Strom geben, dann wird der Druck irgendwann auf die Hamas so groß, dass sie die Geiseln freilässt. Ob dieses Kalkül aufgehen wird, weiß ich nicht. Aber die Hamas, und das ist ja das perfide an der ganzen Geschichte, die lebt von dem Leid der Palästinenser. Weil jedes Mal, wenn sie einen Terroranschlag macht, jedes Mal, wenn sie in die Fahder startet, also ein Aufstand der Palästinenser, dann leidet die Zivilbevölkerung. Und wenn dann tatsächlich Menschen ihre Familie verlieren, dann radikalisieren sie sich oft. Und das passiert auf beiden Seiten in diesem Konflikt seit sehr vielen Jahren. Und dann wird die Hemmschwelle kleiner für Palästinenser, wenn sich der Hamas dann wieder anzuschließen. Und dadurch, wie gesagt, ich hatte es Anfang schon gesagt, das ist ihre Existenzberechtigung.

Gibt es denn auch eine Möglichkeit von Israel, dass sie sich auch diplomatisch bemühen, mit der Hamas zu sprechen? Gab es solche? Das ist die große Frage,

ob es nicht doch irgendwann gelingen kann, diesen Konflikt, wenn schon, nicht zu lösen, zumindest zu entschärfen. Und gegenwärtig ist das illusorisch. Das wird jetzt auf Monate, vielleicht Jahre hinaus, kein Thema sein, leider. Aber wenn wir in die Geschichte schauen, dann gab es ja Ansätze. Also für mich war Rabin, Yitzhak Rabin, der israelische Ministerpräsident, ein Held. Der kam aus dem Militär, der hatte eine martialische Karriere und er hat sich dann zum Friedensstifter gewandelt. Und er hat am Ende dem PLO-Chef Yassir Arafat die Hand gereicht und hat gesagt, wir müssen uns verständigen und war bereit zu Friedensverhandlungen. Das waren diese Osloer Verhandlungen. Das Ganze ist dann leider am Ende nicht so gekommen wie gewünscht. Zwar gab es dann die Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde und auch gewisse Möglichkeiten für die Palästinenser, aber weil dann eben wieder, da sind wir wieder beim Thema, das Patrick gerade ansprach, Terroristen das ganze torpediert haben. Also es gab Anschläge auf beiden Seiten. Rabin ist von einem jüdischen Extremisten ermordet worden. Es gab auf der anderen Seite Palästinenser-Anschläge. Und dann hat sich die Lage wieder verhärtet und es kam eben nicht dazu, dass es wirklich einen echten Frieden gegeben hat. Es hat aber gezeigt, es ist durchaus eine Annäherung möglich, so anstrengend sie auch sein mag.

Du hast gerade schon über die Autonomiebehörde gesprochen und Deutschland und die EU haben ja auch zwischen 2021 und 2024 Geld zugesichert. Und zwar 1,2 Milliarden Euro zur Finanzierung von Projekten in Gaza. Und das Geld wurde ja jetzt erst mal ausgesetzt. Wie steht ihr dazu? Denkt ihr, das ist die richtige Reaktion auf diesen Konflikt?

Also meine Einschätzung ist eher, dass das Problem die UN-Gelder sind, die teilweise in falsche Töpfe fließen oder dass da teilweise beispielsweise Schulbücher finanziert werden, die den Mord und den Aufstand gegen Israel irgendwie rechtfertigen. Die deutsche Entwicklungshilfe, so wie ich das verstanden habe, geht eher in Richtung humanitärer Hilfe, das heißt Nahrungsmittel und so weiter und so fort. Es ist richtig, dass die Bundesregierung jetzt erstmal einen Riegel vorgeschoben hat, um nochmal auf Bitten von Israel in dieser Situation zu prüfen, ob das alles in die richtige Richtung geht. Aber so wie ich aus dem Auswärtigen Amt gehört habe, ist man zumindest zuverlässig, dass man da jetzt in den letzten Jahren nicht große Fehler gemacht hat.

Am Freitag ist ja Annalena Baerbock nach Israel geflogen und mich würde interessieren, ob das auch Schritte sind, um diesen Konflikt zu lösen. Ich denke, das ist in allererster

Linie mal ein Solidaritätssignal, um zu zeigen, wir sind da, wir sind an eurer Seite. Es gehört zur deutschen Staatsräson, Israel zu unterstützen. Deshalb ist es wichtig, dass die Außenministerin hingeflogen ist. Bei allem, was man kritisieren kann an der Art und Weise, wie das Auswärtige Amt in den vergangenen Tagen vorgegangen ist. Also es gab zum Beispiel Hinweise, dass diese Evakuierungsflüge für deutsche Staatsbürger echt viel zu lang gedauert haben. Das war nicht gut organisiert, aber jetzt da mal Schwamm drüber. Das ist ein wichtiges Signal, dass Frau Baerbock runtergeflogen ist. Sie wird aber jetzt nicht entscheidend vermitteln können, dass die beiden verfeindeten Seiten sich annähern. Das ist im Moment wirklich illusorisch.

Absolut. Also es geht um Symbol. Also Blinken war jetzt ja auch da. Also der US-Außenminister. Und es geht jetzt erstmal um Israel politisch den Rücken zu stärken in dem, was es gerade tut im Kampf gegen den Terror. Wir schicken jetzt auch Drohnen hin. Wir schicken auch Munition hin. Also wir werden wahrscheinlich Munition für Schiffe hinschicken. Aber im Prinzip ist das israelische Militär so gerüstet, dass sie zumindest substanzielle Unterstützung aus Deutschland nicht wirklich braucht. Also es geht aktuell um politische Unterstützung.

Gibt es denn politische Akteure, also externe Akteure, die einen besonderen Einfluss auf diesen Konflikt haben könnten? Also wir haben vorhin über den Iran gesprochen, aber vielleicht auch die USA? Ja

klar. Das ist ja das Problematische dabei, dass das in Teilen schon ein Stellvertreterkonflikt ist. Also ohne die Hilfe der USA gäbe es Israel in der Form nicht und wäre Israel auch nicht wehrhaft in der Form. Und auf der anderen Seite unterstützt der persische Staat, Iran, massiv die Palästinenser, schon seit vielen Jahren. Und auch weitere Kräfte, also Putin beispielsweise soll wohl auch, Patrick hat es geschrieben, die Hamas unterstützt haben. Die Chinesen positionieren sich sehr indifferent und haben sich nicht klar an die Seite Israels gestellt. Und all das macht es natürlich schwieriger. Die Golfstaaten, die arabischen Golfstaaten spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Palästinenser, auch mit Schmuggelware. Und all das zusammengedacht macht das Ganze eben wirklich zu einem Pulverfass. Wo es schwierig ist und wo jetzt nicht einfach ein Land als Schlichter hingehen kann und sagen kann, ich nehme das jetzt mal in die Hand und löse das. Das ist illusorisch.

Ich glaube man muss es in zwei Schritte aufteilen. Der erste ist jetzt erstmal Kampf gegen Terror. Mit dem Ziel Israels, dass so etwas, so ein Terroranschlag, für viele Jahre nicht mehr vorkommen kann. Der zweite Schritt, der dann danach erfolgt und der ist jetzt gerade noch nicht ersichtbar, vielleicht ein weiterer Schritt in Richtung politischer Lösung des Konfliktes, um auch den Terrorismus auszutrocknen, um der Hamas den Nährboden zu entziehen, im Gaza-Streifen beispielsweise. Und dann gibt es Akteure wie die USA, wie Iran, die jetzt nicht als Vermittler infrage kommen, weil sie ganz klar auf einer Seite stehen. Dann gibt es die traditionellen Vermittler in dem Konflikt, das sind beispielsweise Ägypten und Katar und auch der türkische Präsident Erdogan wäre das gerne, weil er sich als Vorkämpfer aller Muslime sieht und als regional macht. Also dementsprechend gibt es die Staaten, die sich gerade schon so ein bisschen neutraler in Positionen bringen, sich nicht so positionieren, um eventuell vermitteln zu können. Aber das ist, wie gesagt, wir hatten es anfangs angesprochen, der heilige Gral der internationalen Konflikte, das zu lösen ist extrem schwierig.

Patrick, das, was du zu Beginn sagtest, finde ich sehr interessant. Diese zwei Phasen, die wir jetzt unterscheiden müssen. Also wenn man irgendwann wieder darauf hinarbeiten kann, dass der Nahostkonflikt zumindest eingedämmt wird, dann geht das erst nach dieser Phase, wo jetzt die Hamas zerschlagen werden soll. Wie kann das dann gelingen? Ich denke, auch in Israel gibt es immer mehr Einsicht und ich vernehme auch Stimmen, die schon zu bedenken geben, wenn Israel das so weiter organisiert, wie das bisher der Fall gewesen ist, wird es immer wieder Terror geben. Also, da geht es gar nicht nur darum, dass die Menschen in Gaza wirklich als Hungerleider in einem Freiluftgefängnis leben müssen oder dass die Palästinenser im Westjordanland in einem zerstückelten Bantustan leben müssen. Sondern es geht auch um die israelische Gesellschaft, wo es ja auch Araber gibt, die aufgrund der demokratischen Entwicklung irgendwann die Mehrheit in Israel stellen werden, also mehr als Juden sein werden. Und das kann auf Dauer nicht gut funktionieren. Eben nur dann entschärft werden, wenn man all jenen auch ein besseres Leben ermöglicht und sie nicht immer als Menschen zweiter Klasse behandelt.

Und das ist ja das perfide. Also wir waren ja in diesem Schritt, also zumindest im Friedensprozess Israel-Palästinenser nicht. Da ist in den letzten Jahrzehnten nicht viel passiert. Aber zumindest Frieden in der Region, da waren wir schon mal weiter. Also dass Israel und Saudi-Arabien Friedensgespräche vorführen wollten vor dieser Eskalation. Also das war vorher unvorstellbar. Und da sind wir jetzt wieder durch den Terror der Hamas einen großen Schritt zurückgeworfen worden. Und das ist auch so ein bisschen, China möchte gerne einen Frieden zwischen Iran und Saudi-Arabien erreichen. Und jetzt ist das dadurch wahrscheinlicher geworden, dass Saudi-Arabien sich jetzt gegen Israel widerstellt.

Wo ich nochmal anknüpfen möchte, wir haben ja jetzt gerade auch über diesen internationalen Blick gesprochen und dieser Konflikt, der findet ja nicht nur in Gaza und Israel statt, sondern auch in Deutschland zum Beispiel. Gibt es ja auch Demonstrationen, um Solidarität zu zeigen für Israel, aber es gibt auch pro-Palästina-Demonstrationen. Und man hat jetzt schon gemerkt, auch in Berlin-Neukölln, dass es dazu Auseinandersetzungen kam. Und diese Stimmungen, die steigern sich immer weiter hoch. Und die Berliner Polizei, die prüft ja jetzt gerade auch ein Verbot von pro-Palästina-Demonstrationen. Wie steht ihr denn gerade zu dieser Situation? Du sprichst

ein ganz wichtiges Problem an, Alexandra. Weil man hier sieht, dass eklatante politische Fehler gemacht worden sind in Deutschland. Auf der einen Seite gab und gibt es die Staatsräson, Israel immer zur Seite zu stehen. Und auf der anderen Seite hat man geduldet, dass Einwanderer hierzulande sich ganz klar gegen Israel positionieren, Antisemitismus verbreiten, Hetze verbreiten. Und das hat man gemacht aus einem falsch verstandenen Toleranzverständnis heraus. So ein bisschen Multikulti, jeder darf seine Meinung sagen. Das passt nicht zusammen, die Staatsräson und diese falsch verstandene Toleranz. Und da beobachte ich jetzt aber schon, dass es in den vergangenen Tagen vermehrt Stimmen aus nicht nur der Bundesregierung, sondern auch der Opposition aus dem Parlament gegeben hat, das nicht mehr zu dulden. Das Vereinsrecht gibt es her, dass man da stärker einschreitet. Und der Bundeskanzler Scholz hat ja selber angekündigt in seiner Regierungserklärung, dass er einen dieser palästinensischen Vereine, der da besonders hetzt, Samidun, verbieten lassen möchte. Man kann schärfer dagegen vorgehen und man muss es auch.

Ja, denke ich auch. Ich meine, ich lebe seit vielen, vielen Jahren in Neukölln, beobachte das schon sehr lange. Dementsprechend muss ich sagen, man muss da trennen. Also es ist okay für Menschen auf die Straße zu gehen, ist vielleicht ein unkluger Zeitpunkt, aber für eine Zwei-Staaten-Lösung zu demonstrieren. Irgendwann mal wieder, wenn es darum geht. Das Existenzrecht des Staates Israel in Frage zu stellen, das geht meiner Meinung nach gar nicht. Und da hat die Politik, das hat Florian gut beschrieben, die Politik auch Möglichkeiten, weil es ist Staatsräson und auch, glaube ich, unsere historische Verpflichtung, Israel in irgendeiner Weise zu

protegieren. Diese politischen Fehler haben dazu geführt, dass viele Israelis sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlen und dass sie auch der deutschen Politik misstrauen. Und sie haben das auch gesagt. Sie haben das deutlich gesagt. Auch Politiker haben das gesagt. Amerikanische Politiker haben das gesagt. Ex-Politiker haben das gesagt. Kissinger zum Beispiel. Und die deutschen Politiker haben nichts drauf gehört. Frau Merkel hat das ignoriert. Olaf Scholz hat das bisher

ignoriert. Das muss sich ändern. Das heißt, wie könnte man jetzt darauf reagieren, damit sich diese feinselige Stimmung, die wir jetzt schon hier haben, vor allem auch jetzt größtenteils in Berlin-Neukölln, wie du es gerade auch gesagt hast, wie kann man denn jetzt weiter vorgehen?

Man braucht sowohl Verbote, also Vereine, die diesen Hass schüren. Da muss man ganz klar rein und solche Demonstrationen müssen aufgelöst werden. Da braucht es Strafverfahren. Und zum anderen braucht es Aufklärung. Patrick hat vorhin die Schulbücher erwähnt. Das ist nicht nur ein Problem in Gaza, sondern auch hierzulande. In vielen deutschen Moscheen, auch in arabischen Familien, wird ein Israelbild tradiert, das nichts mit der Realität zu tun hat. Da werden die Israelis als Schweine dargestellt. Da wird gesagt, die müssen alle ins Meer getrieben werden. Die sind unsere Todfeinde auf alle Ewigkeit hinaus. Da muss man hin, da muss Bildungsarbeit

betrieben werden. Was für langfristige Folgen könnte denn der Konflikt jetzt auch haben, auch zwischen den beiden Religionen?

Also zumindest hat es zur Folge, dass ein Frieden im Nahen und Mittleren Osten auf absehbare Zeit unwahrscheinlicher wird und das ist schade. Also bewegen uns da wirklich in die falsche Richtung. Also dieser Konflikt wird, wie hat Florian beschrieben, wird in der ganzen Region geführt werden und es entfernt quasi Israel von Partnern, mit denen man eigentlich jetzt näher zusammenrücken wollte.

Und darüber hinaus sehen wir ja, dass das jetzt ein weiterer Konflikt ist, der aufflammt und der die internationale Aufmerksamkeit, auch unsere Aufmerksamkeit von anderen Problemen weglenkt. Also der Ukraine-Krieg ist ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Die Bemühungen gegen den Klimawandel sind weit in den Hintergrund gerückt und so könnte ich jetzt weitermachen und das ist natürlich ein Problem. Wir leben in einer Zeit, in der wir permanent mit Krisen konfrontiert sind, die immer schlimmer zu werden scheinen. Und darauf haben wir noch nicht die gute und richtige Antwort gefunden. Unser Kollege Marc von Lübcke hatte gerade auf TR Online ein Interview veröffentlicht mit Carlo Massala, einem Militärexperten, und der spricht das an. Er hat nicht den Eindruck, dass die deutsche Gesellschaft schon so gefestigt und so resilient ist, dass sie diesem zunehmenden Krisensturm widerstehen kann. Und das ist etwas, was wir auch nicht einfach den Politikern aufhalsen können, sondern wir alle als Gesellschaft müssen uns mit dieser Herausforderung beschäftigen.

Ich danke euch, dass ihr heute über dieses sehr kritische und auch emotionale Thema gesprochen habt, weil ich merke auch selbst, auch wenn Daniel aus dem Kriegsgebiet berichtet, wie schrecklich die Situation sowohl in Israel als auch in Gaza ist. Vielen lieben Dank Florian, vielen lieben Dank Patrick, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Und ich hoffe auch, dass es Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, gefallen hat. Und wenn ja, dann abonnieren Sie auch gern unseren Diskussionsstoff-Podcast, zum Beispiel auf Spotify. Dafür müssen Sie nur auf Folgen klicken und lassen Sie auch gerne eine Bewertung da. Da ist es bis zu fünf Sterne möglich. Und dort finden Sie auch unseren Nachhaltigkeits-Podcast Grünes Licht mit Tipps für Ihren Alltag. Bei Fragen und Anmerkungen können Sie uns auch gerne schreiben an podcasts.t-online.de. Und damit bedanke ich mich fürs Zuhören und sage Ciao.

Danke, bis zum nächsten Mal. Tschüss

und bleiben Sie uns gewogen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichtenpodcast von t-online zum Start in den Tag.

Im „Tagesanbruch“ ordnet t-online-Chefredakteur Florian Harms im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen die wichtigsten Themen des Tages ein, analysiert und kommentiert – am Wochenende in einer tiefgründigeren Diskussion zu einem aktuellen Thema der Woche. Neue Folgen gibt es montags bis samstags ab 6 Uhr morgens.

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von und mit Florian Harms

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